Quelle: Verwaltungsblätter für Baden Württemberg 1998, 454 ff. Zur Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg Von Dr. jur. Tade Matthias Spranger, Bonn
I. Untersuchungsgegenstand Streitigkeiten um die zulässigen Grenzen einer individuellen Grabgestaltung beschäftigen nahezu permanent die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Zu den wenigen Obergerichten, die zu diesbezüglichen Fragen häufig Stellung beziehen und bezogen haben, gehört der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg. Dabei hat sich das Gericht auf Teilgebieten schon
des öfteren von der herrschenden Meinung gelöst und eine eigene Linie entwickelt. Eine solche Neuerung ist nun auch zu der Frage festzustellen, welchen Grenzen kommunale Satzunggeber bei sogenannten zusätzlichen Grabgestaltungsvorschriften unterliegen. Im folgenden soll diese Linie vor dem Hintergrund der anerkannten Grundsätze des Grabgestaltungsrechts dargestellt und sodann einer kritischen Prüfung unterzogen werden. II. Grundlagen des Grabgestaltungsrechts
Das Recht auf individuelle Grabgestaltung ist nach heute unbestrittener Auffassung Ausdruck freier Persönlichkeitsentfaltung und damit über Art. 2 I GG verfassungsrechtlich geschützt. Zwar können durchaus auch andere speziellere Freiheitsrechte betroffen sein2, für die folgende Betrachtung bleibt dieser Umstand jedoch ohne weitere Bedeutung. Im Gegensatz zu den allgemeinen Gestaltungsvorschriften, die als Mindestanforderungen in gestalterischer Hinsicht bei der Gestaltung jeder
Grabstelle auf bundesdeutschen Kommunalfriedhöfen einzuhalten sind, regeln die zusätzlichen Gestaltungsvorschriften3 in Form stark variierender Ver- und Gebote die Zulässigkeit einzelner Materialien (z. B. Bronze, Gußeisen, Porzellan, Beton, Aluminium), Bearbeitungsarten (z. B. Feinschliff oder Politur) oder Schmuckelemente (Symbole, Ornamente, Inschriften u. a.). Grabstellen, die keinerlei Gestaltungsvorschriften unterliegen, existieren nicht4. Diese als
Zwei-Felder-System bekannte Einteilung kommunaler Bestattungsplätze wurde erstmals durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. 11. 19635, die cause célébre des Friedhofsrechts, in die kommunale Praxis eingeführt. Danach ist der Friedhofsträger grundsätzlich gehalten, sich bei der Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses am Friedhofszweck zu orientieren. Das Zugrundelegen eigener ästhetischer Anschauungen in Fragen der Grabgestaltung stellt bereits eine
Überschreitung dieser Bindung des Satzunggebers dar. Wenn der Anstaltsträger also eine einheitliche Anlage schaffen will, für welche er einengende Bestimmungen für die Gestaltung der Grabdenkmäler erläßt, so muß er an anderer Stelle die Möglichkeit gewähren, daß ein Friedhofsbenutzer ein Grabdenkmal! aufstellt, welches seinen eigenen Wünschen entspricht, sofern es nicht störend wirkt6. Zwar wurde mit dieser Zweiteilung erreicht, daß dem Friedhofsträger die Durchsetzung eigener
ästhetischer Anschauungen möglich bleibt. Grenzenlose Gestaltungsmöglichkeiten haben sich dem kommunalen Satzunggeber dennoch nicht eröffnet. Vielmehr sind die allgemein anerkannten Beschränkungen exekutiven Handelns auf allen Teilen des Kommunalfriedhofs zu beachten. III. Anerkannte Grenzen zusätzlicher Gestaltungsvorschriften Bereits in seiner Grundsatzentscheidung hat sich das Bundesverwaltungsgericht auch mit der Frage einer allgemeingültigen Grenze für sämtliche satzungsmäßigen Gestaltungsklauseln auseinandergesetzt. Mit der Feststellung, daß der Friedhofsträger grundsätzlich gehalten ist, sich bei der Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses am Friedhofszweck zu orientieren, wurde eine unumstößliche Barriere der Satzunggebung im Bereich des Grabgestaltungsrechts errichtet. Auch die zusätzlichen Gestaltungsvorschriften müssen somit dem Zweck dienen, dem Friedhof durch besondere Gestaltung ein würdiges Aussehen zu geben7. Der Friedhofsträger darf demnach das Recht des Grabstellenberechtigten zur Grabmalgestaltung nur soweit beschränken, als dies der Verwirklichung des Friedhofszwecks dient8. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat ferner auf die Pflicht zur Beachtung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie des Willkürverbotes hingewiesen9. In ähnlicher Form werden die Grenzen des Zulässigen durch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen10 gezogen: Der Ausschluß bestimmter Materialien für Grabmale soll grundsätzlich möglich und in dem durch den Anstaltszweck gezogenen Rahmen, eine würdige Totenruhe zu gewährleisten, gerechtfertigt sein. Diesem Zweck könne auch dadurch entsprochen werden, daß der Spielraum des Nutzungsberechtigten für die Herstellung der Grabstätte bezüglich des zu verwendenden Materials beschränkt wird, um eine Grabgestaltung, die von Nutzungsberechtigten anderer Gräber oder von Friedhofsbesuchern als unpassend und störend empfunden werden kann, zu vermeiden. Dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit werde durch die Einräumung einer Wahlmöglichkeit zwischen Abteilungen mit allgemeinen und zusätzlichen Gestaltungsvorschriften hinreichend entsprochen 11. IV. Die Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat sich zu der hier interessierenden Thematik bereits mehrfach geäußert12. Dabei unterscheiden sich die Ausführungen von den bereits angesprochenen zwar lediglich in Nuancen, diese sind jedoch entscheidend. Der
Verwaltungsgerichtshof führt zunächst aus, daß allgemeine Gestaltungsvorschriften durch den Verfügungsberechtigten eines Grabes hingenommen werden müssen, weil sie durch den Friedhofszweck geboten seien. Darüber hinaus sei der Friedhofsträger befugt, im Rahmen des ihm zustehenden normativen Ermessens zusätzliche Gestaltungsvorschriften zu erlassen, um bestimmte ästhetische Vorstellungen zu verwirklichen und eine mehr oder weniger einheitliche Gesamtanlage zu schaffen. Voraussetzung sei
allerdings, daß rechtlich und tatsächlich gewährleistet sei, daß auf anderen Friedhöfen oder Friedhofsteilen Abteilungen mit allgemeinen Gestaltungsvorschriften zur Verfügung stehen13. An anderer Stelle ist die Rede davon, daß ,,Regelungen über die Grabgestaltung, die nicht aus gestalterischen Gründen erlassen sind, sondern die der Verwirklichung des Anstaltszwecks dienen", allgemein zulässige Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit darstellen14. In der
jüngsten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zu dieser Thematik spricht das Gericht schließlich ausdrücklich von ,,besonderen, bzw. zusätzlichen, d. h. nicht durch den Friedhofszweck gebotenen Gestaltungsvorschriften"15. Das Novum dieser Aussagen ist in der Ausschaltung des Anstaltszwecks als Grenze zusätzlicher Grabgestaltungsvorschriften zu erblicken. Als durch den Friedhofszweck geboten, bzw. als an den Friedhofszweck gekoppelt nennt das
Gericht ausschließlich die allgemeinen Gestaltungsklauseln. Hingegen scheint die darüber hinausgehende Befugnis des Friedhofsträgers zum Erlaß zusätzlicher Gestaltungsvorschriften ihre Berechtigung ausschließlich aus seinem Wunsch nach Durchsetzung ästhetischer Anschauungen zu erlangen. Diese Sichtweise entspricht im übrigen auch der tatsächlichen Handhabung vieler Kommunen, die in den durch zusätzliche Gestaltungsvorschriften reglementierten Grabfeldern oftmals Experimentierabteilungen für
die eigenen ästhetischen Ansichten erblicken. Offenbar nimmt der Verwaltungsgerichtshof derartige Auswüchse kommunaler Rechtssetzung in Hinblick auf die durch das Zwei-Felder-System dem Prinzip nach gewährleistete Ausweichmöglichkeit des Nutzungsberechtigten billigend in Kauf. Außer acht gelassen wird dabei bereits, daß die genannten Ausweichmöglichkeiten oftmals weder quantitativ noch qualitativ - das heißt von ihrer Lage her - den stärker reglementierten Grabfeldern entsprechen16
. In vielen Fällen wird der ,,gestaltungsfreudige" Bürger auf abgelegene Friedhöfe einer Gemeinde verwiesen, oder aber es stehen insgesamt nur sehr wenige Grabfelder unter dem Regime allgemeiner Gestaltungsvorschriften zur Verfügung. Damit fehlt es häufig schon an einer hinreichenden Ausweichmöglichkeit für den Nutzungsberechtigten, dessen Vorstellungen in gestalterischer Hinsicht nicht denen des Friedhofsträgers entsprechen. Letztlich handelt es sich bei der Ermittlung von
Qualität und Quantität der Ausweichmöglichkeiten jedoch um Fragen des Einzelfalls, so daß eine generalisierende Darstellung nicht möglich ist. Als entscheidender erweist sich vor diesem Hintergrund der durch den Verwaltungsgerichtshof vollzogene Bruch mit anerkannten Grundsätzen des Verwaltungsrechts. Diese Neuorientierung, die Folgen für sämtliche Friedhöfe in kommunaler Trägerschaft zeitigt, soll im folgenden dargestellt werden.
IV. Friedhofszweck und zusätzliche Gestaltungsvorschriften Die durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in mittlerweile ständiger Rechtsprechung praktizierte Loslösung zusätzlicher Grabgestaltungsvorschriften vom Erfordernis der Rechtfertigung durch den Anstaltszweck erhebt die kommunale Rechtsetzung zum Selbstzweck und ist daher mit geltendem Recht nicht in Einklang zu bringen. Der Friedhof als Anstalt des öffentlichen Rechts ist auf die Erreichung eines besonderen
öffentlichen Zwecks gerichtet17. Die Zweckerreichung ist damit die dem Friedhofsträger vorgegebene Richtlinie. Regelungen des Anstaltsverhältnisses müssen sich an diesem ausrichten, es besteht für den Anstaltsträger nicht die Möglichkeit, sich im Rahmen eines Anstaltsverhältnisses letztlich auf Kosten der Normunterworfenen selbst zu verwirklichen. Anstaltsverhältnisse sind nicht Selbstzweck, sondern dienen der Erfüllung bestimmter Aufgaben18. Demzufolge ermächtigt zwar
die Anstaltsgewalt den Anstaltsträger zum Erlaß einer ,,Benutzungsordnung", diese muß sich aber auf jeden Fall im Rahmen des Anstaltszwecks halten19. Erblickt man den Friedhofszweck mit der herrschenden Meinung in der Ermöglichung einer angemessenen und geordneten Leichenbestattung und in der dem pietätvollen Gedenken der Verstorbenen entsprechenden würdigen Ausgestaltung und Ausstattung des der Totenbestattung gewidmeten Grundstücks20, so dürfen zusätzliche
Gestaltungsvorschriften nicht erlassen werden, wenn sie ihren eigentlichen Zweck, dem Friedhof durch besondere Gestaltung ein würdiges Aussehen zu geben, nicht erfüllen können21. Bereits aufgrund fundamentaler Prinzipien des allgemeinen Verwaltungsrechts verbietet sich folglich die Ausschaltung der Bindung an den Friedhofszweck im Rahmen des Erlasses von Gestaltungsvorschriften. Die besondere Notwendigkeit der Beachtung dieser Grenze zeigt sich im übrigen bei Berücksichtigung des
Umstandes, daß es sich bei kommunalen Bestattungsplätzen nicht nur um mit Benutzungszwang versehene Einrichtungen handelt, sondern diesen regelmäßig auch eine zumindest faktische Monopolstellung zukommt. Bei Vorliegen einer derartigen Konstellation ist auf die allgemeinen Grenzen kommunaler Satzunggebung besonderes Augenmerk zu legen, zumal die Gefahr umfassender Grundrechtsverletzungen der Nutzungsberechtigten besteht. V. Ergebnis Friedhofszweck, allgemeines
Verhältnismäßigkeitsprinzip und Willkürverbot bilden anerkanntermaßen die vom kommunalen Satzunggeber beim Erlaß einer Anstaltsordnung allgemein zu beachtenden Grenzen. Eine Rechtfertigung für zweckfreies Handeln der Exekutive läßt sich folgerichtig nicht herleiten, so daß auch durch zusätzliche Gestaltungsvorschriften reglementierte Friedhofsabteilungen auf die Erreichung des Friedhofszwecks ausgerichtet sein müssen. Die durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg apostrophierte
Loslösung zusätzlicher Grabgestaltungsvorschriften erhebt dem entgegen den Normerlaß zum Selbstzweck und ist daher rechtswidrig. |