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Quelle: NJW 1974, Heft 44, Seite 2018 ff

Bundesverwaltungsgericht zum Friedhofszwang
Urteil vom 26.06.1974 - VII C 36/72 (Hamburg)
19. GG Art. 2 Abs. 1; Hamb. Friedhofsgesetz § 14;
FeuerbestattungsG (1934) § 9; MRK Art. 9; VWGO § 43

(Friedhofzwang für Feuerbestattungen)

Der gesetzlich festgelegte grundsätzliche Friedhofszwang auch für Feuerbestattungen ist als Teil der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Zulassung von Ausnahmen kann aus Glaubens-, Gewissens- oder Bekenntnisgründen nach Art. 4 GG geboten sein.

Aus den Gründen: a) Zutreffend hat das Berufungsgericht das Recht des einzelnen, Art und Ort seiner Bestattung zu bestimmen, als Teil der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit angesehen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, das Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG wirke nach dem Tod nicht fort (vgl. BVerfGE 30, 173, 194 = NJW 71, 1645). Auch wenn Träger des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG nur die lebende Person ist und mit dem Tod der Schutz aus diesem Grundrecht erlöschen mag, ist das für das hier geltend gemachte Recht ohne Bedeutung; denn dem Kläger geht es um sein Recht, also um das Recht eines Lebenden, für die Zeit nach seinem Tode hinsichtlich seiner Bestattung Vorsorge treffen zu können, ähnlich wie es ihm die ebenfalls aus seinem Grundrecht fließende Testierfreiheit in Fragen des Erbrechts ermöglicht.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist dem Berufungsgericht auch darin beizutreten, daß das Recht, Art und Ort der eigenen Bestattung zu bestimmen, wirksam durch § 14 Hamb. FriedhofsG -FG - eingeschränkt ist. Prüfungsmaßstab für die Gültigkeit des § 14 FG ist allein Art. 2 Abs. 1 GG. Der Kläger beruft sich allerdings auch darauf, daß ihn der Friedhofszwang in seinem aus Art. 4 GG fließenden Rechten verletze. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde das allein nicht die Verfassungswidrigkeit des § 14 FG zur Folge haben und damit die generelle Gültigkeit dieser Vorschrift in Frage stellen, sondern nur zur Freistellung vom Friedhofszwang im Einzelfall des Klägers führen (vgl. ebenso die Eidespflicht von Zeugen im gerichtlichen Verfahren BVerfGE 33, 23, 30, 32 = NJW 72, 1183; vgl. ferner BVerfGE 32, 98, 108 = NJW 72, 327). Denn das FG und der hier in Frage stehende Friedhofszwang auch für Feuerbestattungen ist nicht gegen ein bestimmtes Bekenntnis oder den Glauben schlechthin gerichtet, privilegiert nicht "den" oder einen bestimmten Glauben und ist nicht bekenntnismäßig motiviert. Die Bestattung auf einem öffentlichen Friedhof als solche ist ohne religiösen Bezug (vgl. ebenso für den ohne religiöse Beteuerung geleisteten Eid BVerfGE 33, 23, 27 = NJW 72, 1183); auch wenn in früherer Zeit die Bestattung auf öffentlichen Friedhöfen zumindest auch religiös motiviert gewesen ist, kann kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, daß das Bestattungswesen heute säkularisiert und nicht mehr bekenntnismäßig motiviert ist, ebensowenig wie dies beim ohne religiöse Beteuerung geforderten und geleisteten Eid der Fall ist.

Die Vorschrift des § 14 FG, die Erd- und Feuerbestattungen außerhalb von Friedhöfen, für nicht zulässig erklärt und nur in besonderen Fällen die Zulassung von Ausnahmen gestattet, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, sondern ist Teil der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG. Der Senat kann offenlassen, ob die vom OVG in den Vordergrund gestellten Erfordernisse eines dichtbesiedelten Stadtstaates, ob weiter das in einer Großstadt möglicherweise besonders ausgeprägte Bedürfnis der modernen Gesellschaft, das Phänomen des Todes immer mehr zu verdrängen, und die Auswirkungen einer grundsätzlich freien Wahl des Bestattungsortes auf eine ordnungsgemäße Planung in einer Großstadt den Friedhofszwang rechtfertigen könnten, wenn dieser andernfalls unzulässig wäre. Denn der grundsätzliche Friedhofszwang und der damit verbundene Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit - hier die Freiheit, Art und Ort der Bestattung zu bestimmen - steht unabhängig von den besonderen Bedingungen einer Großstadt oder anderen etwa bestehenden örtlichen Verhältnissen inhaltlich mit der Verfassung in Einklang; er ist durch legitime öffentliche Interessen (BVerfGE 20, 150, 159 = NJW 66, 1651); durch überwiegende Gründe des Gemeinwohls (BVerfGE 18, 315, 327 = NJW 65, 435; BVerfGE 21, 245, 249 = NJW 67, 971) gerechtfertigt.

Allerdings müssen, je mehr der gesetzliche Eingriff elementare Äußerungsformen der menschlichen Handlungsfreiheit berührt, um so sorgfältiger die zu seiner Rechtfertigung vorgebrachten Gründe gegen den grundsätzlichen Freiheitsanspruch des Bürgers abgewogen werden (vgl. BVerfGE 17, 306, 314 = NJW 64, 1219; BVerfGE 20, 150, I59 = NJW 66, 1651). Ob hier eine solche elementare Äußerungsform menschlicher Handlungsfreiheit angenommen werden kann ist hier bereits zweifelhaft: der Wunsch nach der individuellen, von der Üblichkeit abweichenden Bestattungsart mag etwa den individuell Gläubigen oder den Einzelgänger auszeichnen und für ihn sogar elementar sein, den Menschen im allgemeinen dürfte er derzeit [also im Jahre 1974] kaum eigen sein; dieser Wunsch wird sich im allgemeinen darauf beschränken, die sich grundsätzlich im Rahmen des generell Üblichen haltende Bestattungsfeierlichkeiten und die Grabstelle selbst im einzelnen individuell auszugestalten. Aber auch wenn man den Wunsch nach einer individuellen Bestattungsart und nach einem individuellen Bestattungsort als eine der elementaren Äußerungsformen menschlicher Handlungsfreiheit ansehen wollte, ist der Friedhofszwang durch legitime öffentliche Interessen gerechtfertigt, und zwar auch dann, wenn - rechtspolitisch betrachtet - über die Zweckmäßigkeit der gegenwärtig üblichen Regelungen im Landesrecht Meinungsverschiedenheiten bestehen mögen und eine andere, vielleicht großzügigere Verfahrensweise denkbar und angemessener sein sollte. Mit Recht beruft sich das OVG darauf, daß sich der einzelne diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen muß, die der Gesetzgeber zur Pflege des sozialen Zusammenlebens in den Grenzen des allgemein Zumutbaren zieht (vgl. BVerfGE 19, 93, 96 = NJW 65, 2051); zutreffend hat die Beklagte darauf hingewiesen, daß dem Gesetzgeber ein weiter Raum für freie Gestaltung verbleibt, innerhalb dessen er Maß und Art der im Interesse des Gemeinwohls notwendigen oder doch noch vertretbaren Eingriffe in die Freiheit zu bestimmen hat (BVerfGE 10, 345, 371 = NJW 60, 619). Der hier in Frage stehende Eingriff ist jedenfalls vertretbar.

Der Gesetzgeber durfte sich gerade im Interesse der Pflege des sozialen Zusammenlebens von den in Deutschland ganz überwiegend bestehenden Gepflogenheiten leiten lassen, die auf dem Gedanken beruhen, daß die Toten grundsätzlich auf besonders dafür gewidmeten Flächen bestattet werden. Er durfte von einem diesen Gepflogenheiten entsprechendem Empfinden des ganz überwiegenden Teiles der Bevölkerung , das zudem nicht unwesentlich mitgeprägt sein dürfte durch die verbreitete Scheu vor dem Tode und seinen Erscheinungsformen, ausgehen und durfte diesem Empfinden Rechnung tragen. Dies durfte er auch deswegen, weil bei einer Regelung des Bestattungswesens , die Art und Ort der Bestattung - zumindest hinsichtlich der Aschenreste Verstorbener - dem grundsätzlichen, allenfalls durch polizeirechtliche Vorbehalte eingeschränkten Belieben der einzelnen Bürger überließe, eben wegen der Scheu vor dem Tode, die mit dem vom OVG erwähnten Verdrängungstendenzen nicht identisch ist, mit psychischen Belastungen eines nicht unerheblichen Teiles der Bevölkerung zu rechnen, dies jedenfalls nicht auszuschließen wäre. Die psychischen Ausstrahlungswirkungen, die von Aschenresten oder Urnenbegräbnisstätten etwa auf Nachbargrundstücken ausgehen könnten, darf der Gesetzgeber durchaus in seine Erwägungen einbeziehen. Gewiß läßt sich die gefühlsmäßige Abneigung, die bei vielen gegen die Beisetzung menschlicher Asche etwa auf einem Nachbargrundstück bestehen wird, von einem rationalen Standpunkt aus als unvernünftig bezeichnen. Darauf kommt es jedoch nicht an weil gerade die Vorstellung vom Tode nicht nur von rationalen Erwägungen beeinflußt sind. Jedenfalls kann es auch deswegen nicht beanstandet werden, daß der Gesetzgeber durch das grundsätzliche Verbot der Bestattung und Aufbewahrung von Aschenresten Verstorbener an beliebigen Ort die Gefühlswelt vieler Bürger zu respektieren sucht. Dieser Normzweck würde auch nicht illusorisch gemacht, wenn die Beklagte neuerdings die Bestattung von Urnen mit Aschenresten Verstorbener im Weg der Ausnahmegenehmigung in der Weise zuläßt, daß Urnen auf hoher See versenkt werden; eine solche Praxis - sollte sie tatsächlich geübt werden - würde die Gefühlswelt von Bürgern, die das Gesetz zu respektieren sucht, sehr viel weniger beeinträchtigen als die Beisetzung von Urnen und Aschenresten an Stellen auf fester Erde, deren Auswahl grundsätzlich im Belieben des Verstorbenen und seiner Angehörigen stünde. Eine solche Praxis könnte also - abgesehen von weiteren Gründen, die das Obsoletwerden einer Norm auf Grund einer etwa unzulässigen Praxis ausschließen - das gegenüber dem Kläger geltend gemachte Verbot nicht in Frage stellen.

Der Gesetzgeber durfte sich weiter von der Überlegung leiten lassen, daß die durch das allgemeine Empfinden und letztlich auch durch Art. 1 Abs. I GG geforderte Totenruhe am besten auf Flächen sichergestellt wird, die diesem Zweck gewidmet sind und gleichsam im Schutze der Allgemeinheit stehen; jedenfalls ist eine solche Überlegung nicht sachfremd und kann auch nicht durch gelegentliche Blumendiebstähle und Grabschändungen widerlegt werden. Der Senat hat dementsprechend in ständiger Rechtsprechung betont, die würdige Totenbestattung sei nach allgemeiner Auffassung eine öffentliche Aufgabe (vgl. z. B. BVerfGE 11, 68; 17, 119, 120 = NJW 64, 831; BVerfGE 25, 364, 366) mit der Folge, daß diese staatliche Pflicht zur Benutzung der vorhandenen Friedhöfe zwinge (BVerfGE 25, 364, 366). Das bedeutet freilich nicht, daß die urnenlose Bestattung der Aschenreste Verstorbener oder eine Urnenbeisetzung außerhalb von Friedhöfen zumindest grundsätzlich gegen die Sittengesetze verstieße und daher auch ohne den gesetzlichen Friedhofszwang als Verstoß gegen das Sittengesetz grundsätzlich nicht durch Freiheitsgewährleistung in Art. 1 Abs. I GG gedeckt wäre. Voraussetzung dafür wäre, daß die grundsätzliche Bestattung auf einem öffentlichen Friedhof zu den sittlichen Normen gehören würde, die nicht nur von nicht unerheblichen Teilen der Bevölkerung sondern allgemein als richtig anerkannt werden (vgl. BVerfGE 6, 389, 435 = NJW 57, 865). Dafür besteht kein Anhaltspunkt. Das Unübliche, Ungewöhnliche oder das von vielen Menschen als unerwünscht Empfundene verstößt allein deshalb noch nicht gegen das Sittengesetz. Gleiches gilt, ohne das es einer Vertiefung bedürfte, dafür, daß eine Bestattungsart, wie sie vom Kläger gewünscht wird, die Rechte anderer verletzen würde. Doch dies schließt die Möglichkeit des Friedhofszwanges als Teil der verfassungsmäßigen Ordnung nicht aus, wie auch sonst ein großer Teil der das Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. I GG beschränkenden Gesetze weder zum Schutz des Sittengesetzes noch zum Schutze der Rechte anderer erforderlich ist.

Nach alledem ist es zumindest nicht fehlerhaft, wenn der Gesetzgeber bei der gebotenen Güterabwägung meinte, daß bei einer grundsätzlichen Freigabe von Bestattungsort und Bestattungsart die Nachteile für andere und für die Allgemeinheit gegenüber der Einbuße des einzelnen an Freiheitsraum überwiegen würden. Diese Einbuße an Freiheitsraum hält sich zudem in grundsätzlich zumutbaren Grenzen. Einmal nämlich muß gerade angesichts der Freiheitsgewährleistung des Art. 1 Abs. I GG den individuellen Wünschen hinsichtlich Bestattungsart, -formen und -feierlichkeiten, Grabstättengestaltung, Grabpflege und Totengedenken auch auf öffentlichen Friedhöfen Rechnung getragen werden (vgl. z. B. BVerwGE 17, 119, 120 f. = NJW 64, 831; BVerwGE 25, 364, 369). Zum anderen gibt die Ausnahmemöglichkeit des § 14 Satz 2 FG genügend Raum , um Ausnahmesituationen, in denen etwa der Normzweck die Einhaltung des Friedhofzwanges nicht erfordert oder seine Einhaltung für den Betroffenen unzumutbar oder unverhältnismäßig ist, hinreichend elastisch begegnen und damit dem grundsätzlichen Freiheitsanspruch des Art. 2 Abs. I GG Rechnung tragen zu können. Allerdings vermag der Senat der Auffassung des Hess. StGH in NJW 68 1923 = DVBl. 69, 34 (mit Anm. HEYD) nicht zu folgen, der offenbar aus Art. 2 Abs. I GG ein Gebot herleitet, die Bedeutung des Friedhofzwanges zu beschränken, und deswegen in den gesetzlichen Vorschriften über den Friedhofszwang nicht mehr als die Grundlage dafür sieht, die Bestattungswünsche zu überwachen und damit lediglich eine präventive Kontrolle zu ermöglichen. Diese Auffassung verkennt den Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung in Art. 2 Abs. 1 GG und wird dem vorstehend entwickelten Sinn des Friedhofszwanges und den öffentlichen Zwecken nicht gerecht, die ihn legitimieren. Im Gegensatz zu Vorschriften, die die an sich nicht verbotene Ausübung von Freiheitsrechten lediglich vorläufig untersagen bis zur Erteilung einer behördlichen Erlaubnis, auf die unter den gesetzlichen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht, verbietet § 14 Satz I FG - und zwar (im Gegensatz zu den im Sammlungsgesetz ausgesprochenen Verboten; vgl. BVerfGE 20, 150, 157 = NJW 66, 1651) zulässigerweise Erd- und Feuerbestattungen außerhalb von Friedhöfen für den Regelfall, ohne für diesen Regelfall eine Erlaubnis vorzusehen oder vorsehen zu müssen. Nur dies kann den vorstehend als legitim anerkannten öffentlichen Interessen Rechnung tragen, die das Gesetz verfolgt, weil nur das grundsätzliche Verbot den legitimen Zweck des Gesetzes zu erfüllen vermag. Bestattungen außerhalb von Friedhöfen jedenfalls für den Regelfall zu verhindern. Die Behörde kann daher lediglich prüfen, ob ein vom Regelfall abweichender besonderer Fall vorliegt, der ausnahmsweise die Zulassung einer Bestattung außerhalb von Friedhöfen gestattet oder sogar gebietet - dies etwa wegen der verfassungsrechtlichen Grundsätze der Zumutbarkeit und der Verhältnismäßigkeit, wegen des Gleichheitsgrundsatzes oder der Grundrechte des Art. 4 GG.Es verstößt ebenfalls nicht gegen Bundesrecht, daß das Berufungsgericht die Hilfsanträge , die auf Verpflichtung des Beklagten gerichtet sind, die urnenlose Beisetzung bzw. Die Urnenbeisetzung auf dem Grundstück des Klägers zu gestatten, abgewiesen hat. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, daß § 14 Satz 2 FG, nach dem (nur) in besonderen Fällen Ausnahmen zugelassen werden können, nicht gegen höherrangiges Recht verstößt; dies entspricht dem vorstehend Gesagten, daß der Gesetzgeber zulässigerweise die Bestattung außerhalb von Friedhöfen grundsätzlich verbieten durfte und nicht lediglich von einer präventiven Kontrolle abhängig zu machen brauchte. Das Vorliegen eines besonderen Falles hat das Berufungsgericht in Anwendung von Landesrecht verneint; einen solchen Fall hält das Berufungsgericht für gegeben, wenn wegen der Gestaltung des Sachverhalts keiner der Gründe, die den Friedhofszwang rechtfertigen, einer Beisetzung außerhalb des Friedhofs entgegensteht, außerdem dann, wenn die Umstände des Einzelfalls sich in so bedeutsamer Weise von dem regelmäßig gegebenen Sachverhalt unterscheiden, daß die den Friedhofszwang rechtfertigenden Gesichtspunkte hinter dem Wunsch des Berechtigten zurücktreten. Das Berufungsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß die enge Verbundenheit des Klägers zu seinem Grundstück ebenso wie seine große Naturverbundenheit keine Besonderheit darstelle.

Bundesrecht wird mit dieser Auslegung und Anwendung des Landesrechts nicht verletzt: der Kläger selbst hält die Verbundenheit zu seinem Grundstück nicht für einen besonderen Fall. Daß hier einfaches Bundesrecht - abgesehen von dem noch zu erörternden Art. 9 MRK - zur Gewährung einer Ausnahme zwingen würde, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der bundesverfassungsrechtliche Grundsatz der Unzumutbarkeit steht der Ablehnung - etwa wegen zu großer räumlicher Entfernung zum nächsten öffentlichen Friedhof und wegen unzumutbarer Erschwerung der Grabpflege durch die Hinterbliebenen - ebensowenig entgegen, wie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Auch für einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist nichts ersichtlich: die im Verantwortungsbereich der Beklagten liegenden, vom Kläger vorgebrachten Fälle - das Versenken von Urnen auf hoher See - sind, wie bereits erörtert, mit dem Fall des Klägers nicht vergleichbar.

Schließlich ist durch die Ablehnung seines Bestattungswunsches auch nicht Art. 4 Abs. 2 GG verletzt. Dies kann der Senat feststellen, obwohl das OVG auf Art. 4 GG nicht eingegangen ist. Allerdings ist es von vornherein nicht ausgeschlossen, daß Art. 4 GG die Gewährung einer - "an sich" möglicherweise nicht vom Begriff des besonderen Falles erfaßten Ausnahme gebietet. Insoweit vermag der Senat dem Hess. StGH, NJW 68, 1923, der in der Beisetzung einer Urne mit den Aschenresten eines Verstorbenen wegen ein positives noch ein negatives religiöses oder weltanschauliches Bekenntnis sieht, ebenfalls nicht zu folgen. Vorstellungen, die mit dem Tode und seiner Bewältigung und damit mit den "letzten Dingen" zusammenhängen, können durchaus auf religiöser oder weltanschaulicher Grundlage bekenntnishaft geprägt und für die Wahl von Bestattungsort und -art ausschlaggebend sein; diese läßt sich daher ebensowenig wie etwa eine karitative Tätigkeit (vgl. BVerfGE 24, 236 = NJW 69, 31) generell vom Schutzbereich des Art. 4 GG ausschließen, dies um so weniger, als das Grundrecht der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit extensiv ausgelegt werden muß (vgl. BVerfGE 24, 236, 246 = NJW 69, 31; BVerfGE 35, 366, 376 = NJW 73, 2196).

Gleichwohl kann der Kläger mit seinem Verpflichtungsantrag auch nicht unter Berufung auf Art. 4 GG Erfolg haben. Eine extensive Interpretation des Art. 4 GG - extensiv hinsichtlich der Rechtsfolgen - schließt nämlich die Notwendigkeit ein, bei den tatsächlichen Voraussetzungen strenge Anforderungen zu stellen und den Rang einer Gewissens-, Glaubens- oder Bekenntnisentscheidung (vgl. BVerfGE 34, 165, 195 = NJW 73, 133) sowie ein Mindestmaß an Nachprüfbarkeit zu verlangen. Dementsprechend hat sich das BVerfG für das Grundrecht der freien Religionsausübung des Art. 4 Abs. 2 GG nicht mit der Berufung auf den religiösen Charakter einer karitativen Sammlung begnügt, sondern bestimmte nachprüfbare (objektivierte) Voraussetzungen aufgestellt (BVerfGE 24, 236, 249 f. = NJW 69, 31). Das BVerfG hat die Anerkennung von Gewissensgründen für die Verweigerung des ärztlichen Notfalldienstes von ihrer Objektivierbarkeit abhängig gemacht (BVerfGE 41, 261, 268 = NJW 73, 576) und im Anschluß daran eine solche Objektivierbarkeit für die Glaubensüberzeugung verlangt, die den Schulbesuch am Samstag ablehnte (BVerfGE 42, 128, 132). Das BVerfG hat weiter in dem Gerichtskreuz-Beschluß (BVerfGE 35, 366, 376 = NJW 73, 2196) die Behauptung der Verletzung der Glaubensfreiheit nicht genügen lassen, sondern betont, die Beschwerdeführer hätten dargelegt, daß für sie der Zwang zum "Verhandeln unter dem Kreuz" eine "unzumutbare innere Belastung" darstelle, und dazu "ernstliche, einsehbare Erwägungen vorgetragen". Die persönliche Entscheidung muß also einen gewissen Mindestrang erreichen; dies folgt auch daraus, daß der Staat in Vollziehung der Garantie des Grundrechts lediglich eine Ausnahme von einem gültigen Gesetz zuläßt, um einen "unausweichlichen, den Betroffenen in seiner geistig-sittlichen Existenz als autonome Persönlichkeit berührenden Konflikt zwischen staatlichem Gebot und Glaubensgebot zu lösen" (BVerfGE 33, 23, 32 = NJW 72, 1183; vgl. auch E.-W. BÖCKENFÖRDE in VVDStRL 28, 33, 69 und MAUNZ-DÜRING-HERZOG, GG, 3. Aufl. 1973, Rdnr. 149 zu Art. 4 GG).

Es ist nichts dafür ersichtlich, daß hier eine andere als die gewünschte Bestattungsart für den Kläger eine unzumutbare innere Belastung darstellen würde. Das ergibt sich aus folgendem: Erstmals im Revisionsverfahren hat sich der Kläger auch auf Art. 4 GG bezogen; vorher ging es dem Kläger nur um die Verfassungsmäßigkeit des § 14 FG bzw. des § 9 FeuerbestattungsG, und zwar unter dem Aspekt des Art. 2 GG. Die vom Kläger verwendeten Formulierungen sprechen nicht dafür, daß der Kläger einer schweren inneren Belastung ausgesetzt ist. Lediglich davon nämlich ist die Rede, ihm werde es verwehrt, "seine weltanschaulich begründete Präferenz für die Bestattung seinem Grundstück in die Tat umgesetzt zu wissen (positive Komponente des Art. 4 Abs. 2 GG)"; worin im einzelnen diese "Präferenz" wurzelt, ist nicht gesagt. In der Revisionsbegründung hat sich der Kläger weiter darauf berufen, auch die "negative Komponente" des Art. 4 Abs. 2 GG sei verletzt, weil der Kläger gezwungen werde, als einer, der keiner Kirche angehöre, seine letzte Ruhe auf einem Friedhof zu finden. Dies verkennt, daß der Kläger nicht gezwungen ist, sich auf einem Friedhof kirchlichen Bestattungsriten zu unterwerfen. Daß der Bestattungswunsch des Klägers nicht den Rang einer Gewissens-, Glaubens- oder Bekenntnisentscheidung hat, ergibt sich für den Senat schließlich daraus, daß sich der Kläger in den Tatsacheninstanzen für sein Begehren nur darauf berufen hat, er fühle sich mit seinem Grundstück sehr verbunden; noch in der Revisionsbegründung hat er betont, auch er halte die Verbundenheit mit seinem Grundstück nicht für einen besonderen Fall. All das läßt nicht erkennen, daß es dem Kläger um die Geltendmachung von Rechten ging, die aus dem Art. 4 GG fließen. Angesichts eines solchen Vortrages des Klägers ist es nicht verwunderlich, daß das Berufungsgericht keinen Anlaß gesehen hat, die mit Art. 4 GG zusammenhängende Problematik auch nur zu erwähnen oder der Frage nachzugehen, ob der Wunsch des Klägers durch eine Glaubens- oder Gewissensentscheidung motiviert sei.

Art. 9 MRK ist nicht verletzt. Diese Vorschrift ergibt die Begründetheit weder der Feststellungs- noch der Verpflichtungsanträge. § 14 FG verstößt nicht gegen Art. 9 MRK. Jene Vorschrift ist nach dem zu a) Gesagten nur an Art. 2 Abs. 1 GG, nicht auch an Art. 4 GG zu messen. Die dort gegebene Begründung, daß die Vorschrift des § 14 FG religions-, gewissens- und bekenntnisneutral ist, gilt gleichermaßen gegenüber Art. 9 MRK. Deswegen kommt es nicht darauf an, ob Voraussetzungen der ausdrücklichen Schrankenvorbehalte, die dem Art. 9 MRK im Gegensatz zu Art. 4 GG beigefügt sind, hier gegeben wären, was der Senat übrigens bejahen würde, ohne daß es einer Vertiefung bedürfte. Eine Heranziehung des Art. 9 MRK als Grundlage für eine Ausnahme entfällt schließlich ebenfalls, und zwar aus den zu b) genannten Gründen: Der Bestattungswunsch des Klägers beruht weder auf erkennbaren bekenntnismäßigen Grundlagen noch ist er erkennbar religiös oder weltanschaulich bedingt.

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