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Quelle: BayVBl. 1994, Heft 19, S. 590

Bayerischer Verfassungsgerichtshof
BayVerfGH, Entscheidung vom 15. 4. 1994 Vf. 6 VII
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Amtlicher Leitsatz:

Die Vorschrift des § 9 Abs. 1 der Verordnung über das Leichenwesen der Stadt Nürnberg. nach der Größe und Gewicht der Särge bestimmte Grenzen nicht überschreiten dürfen, verstößt nicht gegen Normen der Bayerischen Verfassung.

Gegenstand der Popularklagen ist die Regelung in der Verordnung der Stadt Nürnberg über das Leichenwesen, nach der Größe und Gewicht der Särge bestimmte Grenzen nicht überschreiten dürfen.

Gestützt auf Art. 17 Abs. 1 und 2 des Bestattungsgesetzes (BestG) vom 24. 9. 1970 (GVBl. 5. 417, BayRS 2127-1-1) erließ die Stadt Nürnberg die Verordnung über das Leichenwesen vom 2. 10. 1991 (Amtsblatt der Stadt Nürnberg Nr. 21 vom 9. 10. 1991, S. 355). Diese Verordnung enthält im wesentlichen Regelungen über die Leichenbesorgung. die Überführung der Leichen in das Leichenhaus, die Leichenbeförderung und die hierbei einzuhaltenden persönlichen und sachlichen Anforderungen. In § 9 finden sich folgende Vorschriften über die Beschaffenheit der Särge:

(1)   Für Särge gelten folgende Höchstmaße: Länge 2.00 m. Breite 0.65 m, Höhe 0.65 m. Diese Maße dürfen nur überschritten werden, wenn dies durch die Größe der Leiche bedingt ist. Das Gewicht der leeren Särge darf mit Füllung aufsaugender Stoffe 60 kg nicht überschreiten.

(2)...

Mit ihrer Popularklage beantragen die Antragsteller, § 9 Abs. 1 der Verordnung der Stadt Nürnberg über das Leichenwesen vom 2. 10. 1991 für verfassungswidrig und nichtig zu erklären. Sie rügen, die Vorschrift verstoße gegen das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) sowie gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV). Soweit sie sich auf die Tätigkeit der Bestattungsunternehmen und Sarghersteller auswirke, verletze sie deren Grundrechte aus Art. 103 und 109 BV.

Aus den Gründen:

I -V. ...

VI.Die Popularklage ist unbegründet.

1.   Werden Vorschriften einer Rechtsverordnung in zulässiger Weise mit der Popularklage angefochten, so prüft der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung auch, ob sie auf einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigung beruhen und sich in deren Rahmen halten. Fehlte es daran, so verstieße die abgeleitete Rechtsvorschrift gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) und wäre schon aus diesem Grunde nichtig, ohne daß es noch darauf ankäme, ob durch sie in der Bayerischen Verfassung verbürgte Grundrechte verfassungswidrig eingeschränkt werden (vgl. z.B. VerfGH 42, 21/26 = BayVBl. 1989, 367/368: 44. 41/49m.w.N. = BayVBI. 1991,461).

a)   Ein Verstoß der angegriffenen Vorschrift gegen ihre gesetzliche Ermächtigung ist nicht feststellbar. § 9 Abs. 1 der Verordnung über das Leichenwesen der Stadt Nürnberg beruht auf der Ermächtigung in Art. 17 Abs. 1 BestG. Danach können die Gemeinden durch Verordnung u.a. Vorschriften über die Beschaffenheit der Särge erlassen, soweit das zur Verhinderung einer über eine schickliche Totenehrung hinausgehenden Inanspruchnahme öffentlicher Bestattungseinrichtungen erforderlich ist und nicht andere Rechtsvorschriften darüber bestehen. Von dieser gesetzlichen Ermächtigung sind nach Wortlaut und Zweck Vorschriften über die Beschränkung der Größe und des Gewichts von Särgen gedeckt (vgl. auch Klingshirn, Bestattungsrecht in Bayern. Erl. XIII. RdNrn. 24ff.). Beschränkungen dieser Art dienen dem erleichterten Umgang mit den Särgen auf dem Transport und beim Verbringen in das Grab. Ferner verhindern sie, daß Gräber von übermäßiger Größe ausgehoben werden müssen, was je nach Sachlage nicht nur unzumutbar für den Träger des Friedhofs sein, sondern auch die Ordnung auf dem Friedhof beeinträchtigen könnte. Die Vorschrift soll damit eine unnötige oder unzumutbare Belastung der Friedhofsbediensteten und eine übermäßige Inanspruchnahme der Grabstellen im Friedhof verhindern; sie kann daher im Sinn des Art. 17 Abs. 1 BestG als erforderlich angesehen werden, um eine übermäßige Inanspruchnahme der öffentlichen Bestattungseinrichtungen zu verhindern. Die Verwendung beliebig großer Särge würde dem gesetzlichen Ziel zuwiderlaufen (vgl. auch Gaedke. Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts. 6. Autl. 1992, S. 141 f.).

Ohne Bedeutung ist dabei, daß die angefochtene Regelung zum Teil über die Inanspruchnahme der Friedhofseinrichtungen hinaus reicht (vgl. hierzu VGH n.F. 38, 23 = BayVBI. 1985, 463) und vor allem bereits den Transport der Leichen im Sarg zum Friedhof umfaßt. der auch von privaten Bestattungsunternehmen durchgeführt wird; ebenso ist nicht erheblich, ob insoweit eine über die Daseinsvorsorge hinausgehende wirtschaftliche Betätigung der Stadt Nürnberg vorliegt (vgl. hierzu VGH n.F. 22, 53/60 = BayVBI. 1970, 70; BGH. MDR 1987, 114/115; WidtmannlGrasser, GO, RdNr. 3 zu Art. 89 m.w.N.; Klingshirn. Erl. XI. RdNr. 2). Beim Erlaß einer Verordnung nach Art. 17 Abs. 1 und 2 BestG handeln die Gemeinden nicht wie beim Erlaß einer Friedhofssatzung als Friedhofsträger. sondern als Behörden im übertragenen Wirkungskreis (vgl. Art. 42 Abs. 1 Satz 2 LStVG). Sie sind daher nicht auf Regelungen beschränkt, die sie satzungsmäßig über die Benutzung ihrer Einrichtungen erlassen könnten (vgl. Klingshirn, Erl. XIII. RdNr. 25). Im übrigen bezieht sich die angefochtene Regelung ihrem Zweck nach vor allem auf den Transport innerhalb der Friedhöfe und die Bestattung der Särge in den Gräbern.

b)   Andere Rechtsvorschriften über die Begrenzung der Größe und des Gewichts von Särgen, die dem Erlaß der vorstehenden Regelung entgegenstünden (vgl. Art. 17 Abs. 1 BestG), bestehen nicht. § 20 der Bestattungsverordnung (BestV) vom 9. 12. 1970 (GVBI. S. 671, BayRS 2127-1-1-I), geändert durch die Verordnung zur Anderung der Bestattungsverordnung vom 6. 11. 1993 (GVBI. S. 851), enthält lediglich Vorschriften über das Material und die Beschaffenheit von Särgen. nicht jedoch über deren Abmessungen und Gewicht; im übrigen enthält die Verordnung Regelungen über die Leichenschau und die Bestattung. Die Zweite Bestattungsverordnung (2. BestV) vom 21. 7. 1975 (GVBI. S. 219, BayRS 2127-1-2-I) enthält ergänzend vor allem Vorschriften über die Überführung von Leichen und die Beschaffenheit von Särgen für diesen Fall (vgl. § 7), aber keine der hier angefochtenen Regelung entsprechende Norm.

2.  § 9 Abs. 1 der Verordnung über das Leichenwesen der Stadt Nürnberg verstößt nicht gegen das in Art. 101 BV verbürgte Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, wonach jedermann die Freiheit hat, innerhalb der Schranken der Gesetze und der guten Sitten alles zu tun, was anderen nicht schadet.

a)   Regelungen über die Begrenzung der Größe und des Gewichts von Särgen berühren den Schutzbereich des Art. 101 BV, Dieses Grundrecht gewährleistet die Handlungsfreiheit grundsätzlich in allen Lebensbereichen und gilt daher  ebenso wie etwa bei der Gestaltung der Gräber (vgl. hierzu VerfGH 33, 174/178 = BayVBI. 1981, 207/208; 38, 34/36 f. = BayVBI. 1985, 461/

462)  auch für die Wahl des Sarges, in dem ein Verstorbener bestattet werden soll. Zur allgemeinen Handlungsfreiheit gehört es grundsätzlich auch, daß die Bestimmungsberechtigten einen Sarg auswählen können, der nach Art und Beschaffenheit ihren Vorstellungen entspricht.

Die angefochtene Regelung wirkt sich darüber hinaus auf die gewerbliche Betätigung von Sargherstellern und Bestattungsunternehmen aus, denen es dadurch verwehrt ist, für eine Bestattung in der Stadt Nürnberg Särge zu verkaufen, die nach Maß und Gewicht über den festgelegten Grenzen liegen. Auch insoweit ist der Schutzbereich des Art. 101 BV berührt, da das Grundrecht der Handlungsfreiheit den Bereich der beruflichen und gewerblichen Betätigung umfaßt (vgl. VerfGH 41, 4/8f. = BayVBI. 1988. 238/239; 42, 174/183 = BayVBl. 1990, 749/750).

b)  Das Grundrecht der Handlungsfreiheit ist nur innerhalb der Schranken der Gesetze gewährleistet. es steht unter einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt. Zu den Gesetzen im Sinn des Art. 101 BV gehören nicht nur Gesetze im formellen. sondern auch Gesetze im materiellen Sinn, also auch  wie hier  auf gesetzlicher Grundlage erlassene Rechtsverordnungen einer Gemeinde. Allerdings ist die Befugnis des Normgebers zur Einschränkung der Handlungsfreiheit nicht unbegrenzt. Vor allem stehen Einschränkungen der Handlungsfreiheit unter dem Vorbehalt des Verfassungsgebots der Verhältnismäßigkeit. Das vom Normgeber als Freiheitsbeschränkung gewählte Mittel muß zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sein und darf die Handlungsfreiheit der Betroffenen nicht in unzumutbarer Weise einschränken. Je mehr die Handlungsfreiheit eingeschränkt wird, um so sorgfältiger müssen die zur Rechtfertigung dafür vorgebrachten Gründe gegenüber dem grundsätzlichen Freiheitsanspruch des Bürgers abgewogen werden; die Freiheitsbeschränkung darf nicht außer Verhältnis zu dem mit ihr angestrebten Ziel stehen (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH 33, 174/177f. = BayVBI. 1981, 207/208; 38, 34/36f. = BayVBI. 1985. 461/462; 40. 123/129 = BayVBl. 1988, 42/43; 42, 174/183 = BayVBl. 1990, 749/750; 44, 41/54 = BayVBI. 1991, 461/463).

c)   Die Begrenzung der Handlungsfreiheit durch § 9 Abs. 1 der Verordnung über das Leichenwesen der Stadt Nürnberg liegt innerhalb der nach Art. 101 BV zulässigen Schranken.

aa)   Die angegriffene Regelung dient grundsätzlich legitimen Zielen. Für ihren Erlaß maßgebend waren nach dem Vortrag der Stadt Nürnberg vor allem Gründe des Arbeitsschutzes (Vermeidung einer Überbelastung der Leichenträger, Minderung der Gefahr von Arbeitsunfällen), aber auch Gründe der Sicherheit und Ordnung beim Aushub der Gräber (Vermeidung einer übermäßigen Inanspruchnahme der Friedhöfe durch übergroße Gräber, größerer Aufwand und höhere Unfallgefahren bei größeren Gräbern, Schwierigkeiten beim Hinablassen zu großer Särge in die Grube, Gefahr der Unterschreitung des Abstands zwischen den Gräbern) sowie für die Belegung der Grabstellen zu beachtende Gesichtspunkte (Verwesungszeiten im Hinblick auf die Einhaltung der Ruhezeiten, Mehrfachbelegungen). Es soll ferner bei Feuerbestattungen im Hinblick auf die Größe der Einschuböffnung des Verbrennungsofens ein reibungsloser und sicherer Ablauf gewährleistet sein, die Emissionen bei der Verbrennung sollen vermindert werden.

Diese Überlegungen als Grundlage der angefochtenen Regelung sind auch unter Berücksichtigung der hiergegen vorgetragenen Einwendungen der Antragsteller nicht zu beanstanden. Dabei ist zu beachten, daß der Verfassungsgerichtshof fachbezogene Erwägungen über die sachliche Eignung einer Regelung, die der Verordnungsgeber zur Erreichung eines bestimmten Ziels anstellt, im Hinblick auf dessen Gestaltungsfreiheit als Normgeber nur dann beanstanden kann, wenn sie eindeutig widerlegbar oder offensichtlich fehlerhaft wären oder wenn sie der verfassungsrechtlichen Wertordnung widersprächen. Der Verfassungsgerichtshof kann nicht seine eigenen Wertungen und Einschätzungen an die Stelle derjenigen des Verordnungsgebers setzen (vgl. VerfGH 40. 123/129 = BayVBI. 1988, 42/43; 41, 4/9 m.w.N. = BayVBI. 1988. 238/239). Unter Beachtung dieser Grenzen der Überprüfbarkeit durch den Verfassungsgerichtshof ist im einzelnen zu bemerken:

Daß eine Begrenzung der Größe und des Gewichts von Särgen dazu dienen kann, eine Überbelastung der Sargträger zu verhindern und sich somit unter Gesichtspunkten des Arbeitsschutzes und der Unfallverhinderung rechtfertigen läßt, bedarf keiner weiteren Begründung. Auch die Antragsteller räumen ein, daß die Särge auf den Friedhöfen mitunter bis zu 25 m getragen werden müssen. Größere und schwerere Särge bedeuteten auch beim Heraustragen aus Wohnungen, etwa bei engen Räumen oder engen Treppenhäusern, eine von Fall zu Fall deutlich höhere Belastung und ein höheres Unfallrisiko. Im Hinblick auf ihre Gestaltungsfreiheit als Verordnungsgeber braucht sich die Stadt Nürnberg nicht darauf verweisen zu lassen, solche höheren Belastungen und Risiken durch höhere Gebühren aufzufangen und von einer Begrenzung der Größe und des Gewichts von Särgen deshalb abzusehen, weil die Leichen aus Wohnungen auch mittels besonderer Überführungstragen oder Abholsärge abtransportiert werden könnten.

Für die Begrenzung der Größe der Särge kann die Stadt Nürnberg ferner Gründe einer ordnungsgemäßen und gemeinverträglichen Bestattung ins Feld führen. Muß wegen eines größeren Sarges der Aushub eines Grabes größer angelegt werden, so bedeutet das eine höhere Belastung des Friedhofspersonals und eine stärkere Inanspruchnahme des Friedhofs als öffentliche Einrichtung. Die Stadt kann insoweit auch auf die Schwierigkeiten der in Nürnberg gegebenen Bodenverhältnisse verweisen (wenig standfester Sandboden). Beim Aushub größerer Gruben ergeben sich mehr Schwierigkeiten bei der Ablagerung des Aushubmaterials, hauptsächlich in den engen historischen Friedhöfen. Die Gräber werden vom städtischen Friedhofspersonal ausgehoben und zugefüllt (vgl. § 11 Abs. 1 der Bestattungs- und Friedhofssatzung der Stadt Nürnberg vom 14. 9. 1971, Amtsblatt S. 709, zuletzt geändert durch Satzung vom 6. 11. 1984, Amtsblatt S. 220). Wird das Grab zu schmal ausgehoben, ergeben sich Schwierigkeiten beim Hinablassen des Sarges. Zwischen den Gräbern muß ein ausreichender Abstand verbleiben (vgl. hierzu Gaedke, S. 164), der möglicherweise bei durch zu breite Särge bedingten überbreiten Gräbern, vor allem in den engeren historischen Friedhöfen der Stadt, nicht mehr eingehalten werden kann. Diesen Gesichtspunkten kann im Hinblick auf die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers nicht allein mit dem Hinweis entgegengetreten werden, die Gruben müßten bei Anlegung des Grabes ausreichend eingeschalt werden. Zur Begrenzung der Höhe des Sarges kann die Stadt auch noch auf das Interesse an einer Mehrfachbelegung von Gräbern verweisen, da vom zuoberst liegenden Sarg zum gewachsenen Boden ein ausreichender Abstand verbleiben muß; bei mehreren Särgen muß das Grab entsprechend tief angelegt werden (vgl. hierzu § 15 der Bestattungs- und Friedhofssatzung der Stadt Nürnberg; Gaedkc, S. 164; Klingshirn, Erl. XVI, RdNr. 6).

Durch die Gewichtsbegrenzung der Särge wird die Möglichkeit eingeschränkt. Särge aus Hart- und Edelhölzern mit einer größeren Wandstärke zu verwenden. Im Schrifttum wird darauf hingewiesen. daß die Särge die Verwesung erleichtern sollen und daß sich harte Materialien wie Hartholz hemmend auf die Verwesung auswirken können (vgl. Gaedke. S. 141 f.; Klingshirn. Erl. XIII, RdNr. 14), auch wenn die Verwesung in erster Linie von einer ausreichenden Sauerstoffzufuhr abhängt (vgl. Gaedke, S. 423).

Bezüglich der Feuerbestattungen ist die Überlegung der Stadt Nürnberg nicht sachfremd, daß die Öffnung des Verbrennungsofens Särge über der festgesetzten Höchstgrenze nicht zulasse, wenn eine ordnungsgemäße Verbrennung gewährleistet sein solle. Im Hinblick auf eine Verminderung der Emissionen bei der Verbrennung kann die Stadt Nürnberg sich immerhin darauf stützen, daß das Gewicht des Sarges nach der VDI-Richtlinie 3891 bei einem maximalen Feuchtigkeitsgehalt des Holzes von 15% 45 Kilo nicht überschreiten sollte, auch wenn andere Behörden. wie etwa das Bayerische Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen, insoweit eine weniger strenge Auffassung vertreten.

Es kann nicht festgestellt werden, daß diese von der Stadt Nürnberg im Rahmen des ihr als Verordnungsgeber zustehenden Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums herangezogene Gründe für die Beschränkung der Größe und des Gewichts von Särgen eindeutig widerlegbar oder offensichtlich fehlerhaft sind; sie können daher verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden.

Für die Geeignetheit der angegriffenen Größen- und Gewichtsbeschränkung von Särgen zur Erreichung der angestrebten Ziele spricht ferner, daß auch andere Städte in Bayern entsprechende Regelungen erlassen haben. Nach § 9 Abs. 3 der Verordnung der Stadt Augsburg über das Leichenwesen (Leichenordnung) vom 1. 4. 1977 (Amtsblatt S. 49) dürfen Särge eine Länge von 2 m eine Breite von 0,70 m und eine Hohe von 0,65 m nur überschreiten. sofern es durch die Große der Leiche bedingt ist; das Gewicht der leeren Särge einschließlich Abdichtungsmaterial darf 60 kg nicht übersteigen. Nach § 10 Abs. 1 der Satzung über die Benutzung von Friedhöfen und Bestattungseinrichtungen der Stadt Würzburg (Friedhofssatzung) vom 22. 12. 1981 (FVBI. Nr. 299/ 81), geändert durch Satzung vom 12. 5. 1992 (FVBI. Nr. 118/92), darf das Höchstmaß eines Sarges 2,05 X 0,70 x 0,70 m nicht überschreiten; bei enger gelegenen kleineren Grabstellen gilt ein Höchstmaß von 1,85 X 0,65 X 0,65 m. bei einer Mehrfachbelegung darf die Höhe 0,50 m nicht überschreiten. Nach § 12 Abs. 3 der Satzung über die Bestattungseinrichtungen der Landeshauptstadt München (Friedhofssatzung) vom 19. 4. 1990 (Amtsblatt S. 155) sollen die Särge höchstens 65 cm hoch und im Mittelmaß 70 cm breit sein. Nach § 9 Abs. 2 der Mustersatzung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes über das Friedhofs- und Bestattungswesen vom 8. 2. 1989 (abgedruckt bei Gaedke. S. 734 ff.) dürfen die Särge höchstens 2,05 m lang, 0,65 m hoch und im Mittelmaß 0,65 m breit sein.

bb)   Die nach den vorstehenden Überlegungen als geeignet und erforderlich anzusehende Begrenzung der Größe und des Gewichts von Särgen in der angegriffenen Regelung bedeutet unter Berücksichtigung der mit ihr verfolgten Ziele keine unzumutbare, übermäßige Einschränkung der Freiheit, für die Bestattung einen den Vorstellungen des Bestimmungsberechtigten entsprechenden Sarg auszuwählen. Im Rahmen einer würdigen Totenbestattung (vgl. Art. 149 Abs. 1 BV, Art. 5, 8 Abs. 1 BestG) gibt es eine Vielfalt von Vorstellungen über die Art und Beschaffenheit des Sarges, in dem der Verstorbene nach seinem Willen oder nach dem Willen seiner Hinterbliebenen bestattet werden soll. Diese Vorstellungen können durch die verschiedensten Beweggründe bedingt sein, wie etwa durch religiös-ethische Anschauungen, durch besondere Geschmacksvorstellungen. durch die Wertschätzung. die der Verstorbene bei den Hinterbliebenen genoß, oder durch seine gesellschaftliche Stellung. Für eine durch derartige Motive bedingte Wahl des Sarges muß auch in Ansehung der für die angegriffene Regelung sprechenden Gesichtspunkte noch ausreichend Raum verbleiben, wenn die Grenzen der Zumutbarkeit nicht überschritten werden sollen.

Diese Wahlmöglichkeit ist hier noch gewährleistet. Die Stadt Nürnberg hat vorgetragen, es bestehe im Rahmen der Maße des § 9 Abs. 1 der Verordnung über das Leichenwesen noch die Wahl zwischen einer Vielzahl von Sargmodellen. Die Antragsteller bestreiten das allerdings; vor allem seien Särge mit einer durchschnittlichen Länge von 2.02  2,05 m und einer Breite/Höhe von 0,70 m allgemein üblich. Die Angaben in dem von den Antragstellern vorgelegten Privatgutachten zeigen, daß die meisten Särge eine Länge von 2 m aufweisen und daß die Höhe der Särge (einschließlich Sargfüße) bei einer großen Anzahl von Sargmodellen unter 0.65 m liegt; die ,,größte Breite‘ mißt nach den Angaben des Gutachtens jedenfalls bei einer Vielzahl von Sargmodellen weniger als 0,70 m. Das Gewicht liegt bei nahezu allen Kiefernsärgen deutlich unter 60 kg, bei Eichensärgen vielfach allerdings darüber; es gibt aber auch hier Modelle, die die Gewichtsgrenze einhalten oder nur knapp überschreiten. Aus dieser Übersicht ergibt sich. daß bei Einhaltung der Höchstmaße in der angegriffenen Vorschrift unter Berücksichtigung der auf dem Markt angebotenen Sargmodelle noch eine zumutbare Auswahl verbleibt. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, daß Einschränkungen der Handlungsfreiheit um so eher zumutbar erscheinen, als sie in Zusammenhang mit der Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung stehen. Es liegt daher noch im Rahmen der Zumutbarkeit, wenn sich die Hinterbliebenen wie die Bestattungsunternehmen und Sarghersteller bei der Herstellung und Auswahl der Särge den Begrenzungen durch die angefochtene Vorschrift anpassen müssen, da es offensichtlich ist, daß auch in diesem Rahmen die denkbaren Gestaltungswünsche weitgehend befriedigt werden können. Unter Berufung auf den unter einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt stehenden Art. 101 BV kann nicht verlangt werden, daß die Stadt jeden Gestaltungswunsch bezüglich der Art und Größe von Särgen anerkennen muß oder daß sie die Höchstmaße so großzügig wie möglich festzusetzen hat.

d)   § 9 der Verordnung über das Leichenwesen der Stadt Nürberg verletzt ferner nicht das in Art. 101 BV enthaltene Grundrecht der Berufsfreiheit von Bestattungsunternehmen und Sargherstellern. Es handelt sich um eine Regelung der Berufsausübung. Eine solche ist, entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 12 Abs. 1 GG. nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (vgl. VerfGH 35, 56/68; 42. 174/183 m.w.N.) zulässig, wenn sie durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist, wenn die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und wenn die dadurch bewirkte Beschränkung der Berufsausübung den Betroffenen zumutbar ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Es kann hierzu auf die vorstehenden Darlegungen verwiesen werden. Die mit § 9 Abs. 1 der Verordnung über das Leichenwesen der Stadt Nürnberg verfolgten Ziele sind als vernünftige Gründe des Gemeinwohls anzuerkennen. Wie dargelegt, kann die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Regelung nicht in Frage gestellt werden. Für die Hersteller von Särgen und für die Bestattungsunternehmen ergeben sich dadurch zwar Beschränkungen in ihrer gewerblichen Tätigkeit. Sie können für Bestattungen in der Stadt Nürnberg keine Särge verkaufen, die nicht den in § 9 Abs. 1 der Verordnung über das Leichenwesen der Stadt Nürnberg vorgeschriebenen Höchstmaßen entsprechen. Diese Einschränkung der gewerblichen Tätigkeit ist aber nicht unzumutbar. Wie dargelegt, werden bereits jetzt zahlreiche Sargmodelle hergestellt, die den Anforderungen der angefochtenen Vorschrift entsprechen. Es erscheint auch zumutbar, daß sich die Unternehmen bei der Herstellung oder dem Verkauf der Särge darauf einstellen, daß unnötig große und schwere Särge in Nürnberg nicht mehr verwendet werden dürfen. Der Vortrag der Stadt Nürnberg, auch Särge aus Eichen- oder anderem Hartholz könnten so hergestellt werden, daß sie insbesondere das vorgeschriebene Höchstgewicht nicht überschritten, wird durch die Tabelle 2 des von den Antragstellern vorgelegten Privatgutachtens bestätigt. nach der Eichensärge mit einem Gewicht von 60 kg oder nur knapp darüber hergestellt werden. Das Interesse der betroffenen Unternehmen an der Erzielung höherer Gewinne durch den Verkauf größerer und aufwendigerer Särge muß daher hinter den mit der angefochtenen Regelung verfolgten legitimen Zielen zurücktreten.

  3.   Ein Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 118 Abs. 1 BV) ist nicht festzustellen. Ein solcher Verstoß läge erst vor, wenn der Verordnungsgeber die äußersten Grenzen seines von der gesetzlichen Ermächtigung vorgegebenen Handlungsspielraums überschritte, d.h. wenn für die von ihm getroffene Regelung jeder sachlich einleuchtende Grund fehlte (vgl. VerfGH 35, 137/144 f.

BayVBI. 1984, 76; 40, 149/152 f. = BayVBI. 1988. 174/175: 41. 83/ 94 = BayVBI. 1988, 717/720). Die angegriffene Regelung überschreitet diese Grenzen nicht, weil sie  wie dargelegt  auf verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden, sachlich nachvollziehbaren Erwägungen beruht.

  4.   Auf das Grundrecht der Freizügigkeit (Art. 109 BV) können sich die Antragsteller nicht berufen. Art. 109 BV untersagt, die Ausübung eines Erwerbszweiges an einem Ort gerade deshalb zu behindern, weil er von Ortsfremden ausgeübt werden soll, läßt aber Bestimmungen unberührt, welche die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit allgemein einschränken oder regeln, ohne daß dabei erst zuziehende Bürger gegenüber bereits Ansässigen benachteiligt werden (vgl. Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 4. Aufl. 1992, RdNr. 3 zu Art. 109 BV m.w.N.). Um eine Bestimmung im letzteren Sinn handelt es sich hier.

  5.   Ebenso scheidet eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts (Art. 103 BV) von Unternehmen aus, die für Bestattungen in Nürnberg nicht zugelassene Särge produzieren oder verkaufen wollen. Den Antragstellern geht es ersichtlich um die durch die Herstellung und den Verkauf größerer und schwererer Särge erwartete höhere Verdienstmöglichkeit. Dieses Anliegen genießt nicht den Schutz des Art. 103 BV, sondern gehört zum Anwendungsbereich des die freie Berufsausübung mit umfassenden Grundrechts der Handlungsfreiheit (vgl. Meder. RdNrn. 2 a zu Art. 103 und 10 zu Art. 101 BV; vgl. auch BVerfGE 30, 292/334f.= BayVBI. 1971, 465 und Leibholz./Rinck/Hesselberger, GG, RdNrn. 36 zu Art. 12 und 22 zu Art. 14 m.w.N.). Das Grundrecht aus Art. 101 BV ist jedoch  wie dargelegt  durch die angegriffene Rechtsvorschrift nicht verletzt.

6.  Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) verletzt wäre, wenn eine Rechtsvorschrift nicht vollzogen werden könnte. Denn die angefochtene Vorschrift des § 9 Abs. 1 der Verordnung der Stadt Nürnberg über das Leichenwesen ist vollziehbar: die Abmessungen der Särge sind ohne weiteres kontrollierbar; bezüglich des Gewichts erscheinen Überprüfungsmöglichkeiten denkbar, welche eine würdige Totenbestattung nicht beeinträchtigen. Schließlich sind die Vorwirkungen der Regelung zu berücksichtigen, die prinzipiell dazu führen, daß nur Särge angeboten werden, die sich innerhalb der normierten Begrenzungen halten.

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