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Quelle: DIE ÖFFENTLICHE VERWALTUNG - JANUAR 1956 - HEFT 2

Urteil des LVG Köln vom 19. 4. 1955 — 3 K 210/54
(rechtskräftig)

1.Zulässigkeit und Grenzen ortsstatutarischer Genehmigung von Grabdenkmälern.
2.Das Verbot eines bestimmten Grabsteines ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt.
3.Beschränkungen nach Material und Ausführung können ausschließlich nur von der Zweckbestimmung des Friedhofes als öffentliche Anstalt aus, nämlich der Ermöglichung einer angemessenen und geordneten Leichenbestattung sowie der Totenehrung entschieden werden.
4.Die Richtlinien im RErL des ehem. RMdI vom 18.1.1937 sind nicht mehr gültig.

Aus den Gründen:

Friedhöfe sind ihrem rechtl. Charakter nach öff. Anstalten. Die Benutzung regelt sich nach der jeweiligen Friedhofsordnung [FrO], die als Anstaltsordnung aufzufassen ist und auf der Recht- setzungsbefugnis der Anstaltsherrin beruht. Der Anstaltscharakter des Friedhofes und die öffent- lichrechtliche Herrschaftsgewalt der Zivilgemeinde bilden die rechtl. Grundlage der FrO. Die Befugnis, objektive Rechtsnormen zu setzen, ergibt sich aus der Autonomie der Zivilgemeinde als Trägerin der Anstalt. Dafür, daß die FrO der Bekl. nicht ordnungsgemäß zustandegekommen sein könnte, bestehen keine Anhaltspunkte. Es ist somit davon auszugehen, daß die Begräbnis- und FrO der Bekl. für alle Friedhofsbenutzer rechtsverbindlichen Charakter erhalten hat.

Mit ihrer Klage ficht die Kl. das Verbot der Aufstellung des Grabsteines in polierter Bearbeitung an. Da Gegenstand der im geltenden Verwaltungsprozeßrecht (§ 22 1, § 23 MRVO 165) vorge- sehenen Anfechtungsklage Verwaltungsakte sind, ist zunächst zu prüfen, ob der angefochtene Bescheid v. 1. 12. 1954 einschließlich des ihm zugrunde liegenden Erlaubnisscheines v. 20. 3. 1954 einen VA i. S. der angeführten Vorschriften darstellt. [Dies wird im folgenden bejaht].

Die Kl. nimmt nicht für sich in Anspruch, bei der Aufstellung des Grabdenkmales nach Belieben verfahren zu können. Sie räumt ein, daß die Errichtung eines Grabmales durch die FrO von einer Genehmigung abhängig gemacht werden kann. In der Tat lassen auch das Recht und die Pflicht des Anstaltsträgers, für eine der Würde des Ortes angemessene Ausgestaltung zu sorgen, die Genehmigungspflicht für die Aufstellung von Grabsteinen sowie nähere Bestimmungen über die Gestaltung der Grabdenkmäler wie der Gräber überhaupt als unentbehrlich erscheinen, weil eine genehmigungsfreie Grabmalserrichtung oft zu Gestaltungen führen würde, die den berechtigten allgemeinen Anforderungen zuwider-liefen. Da die Bekl. der Kl. die Verwendung tiefdunklen Materials gestattet hat, besteht zwischen den Parteien nur Streit darüber, ob die ausgesprochene Beschränkung auf Mattschliffbearbeitung als zulässig anzusehen ist oder nicht. Diese Streitfrage kann ausschließlich von der Zweckbestimmung des Friedhofes aus, nämlich der Ermöglichung einer angemessenen und geordneten Leichenbestattung sowie der Totenehrung durch pietätvolle und würdige Ausgestaltung des der Bestattung gewidmeten Grundstückes (vgl. RGZ 157, 255), entschieden werden. Anforderungen, die anderen als diesen Zwecken dienen sollen, sind unzulässig.

Die Bekl. kann die Versagung der Genehmigung zur Aufstellung des Grabmales nicht darauf stützen, daß sich § 2 I 2 ihrer Bestimmungen über die Errichtung von Denkmälern und die Behandlung der Grabstätten v. 17. 3. 1926, demzufolge aufdringliche Materialien ... wie glänzend polierte Flächen zu vermeiden sind, mit Ziff. 51 der von dem damaligen RMdI mit RdErl. v. 18. 1. 1937 herausgegebenen Richtlinien deckt, Entgegen der in der von der Bekl. zitierten Entscheid. des OLG Düsseldorf ) vertretenen Auffassung ist das erk. Gericht der Ansicht, daß dem RdErl. jedenfalls heute keine Gültigkeit mehr zukommt. Er stellt zunächst schon angesichts der Art seiner Verkündung (eben als Erlaß und nicht als Gesetz oder Verordnung, sowie im Amts- und nicht im Gesetzblatt) keine Rechtsnorm dar. Des weiteren kann in ihm auch keine verbindliche Weisung für die Gemeinden erblickt werden, da diese einem diesbezüglichen Weisungsrecht des Innenministers (und zwar weder des Bundes noch eines Landes) nicht unterstehen, es sich vielmehr beim Friedhofswesen — mindestens, soweit nicht sanitätspolizeiliche Gesichtspunkte in Frage stehen — um eine ausgesprochene Selbstverwaltungsangelegenheit der Gemeinden handelt. Kann sich die Bekl. aber nicht mehr von vornherein auf die Übereinstimmung ihrer Begräbnis- und FrO mit den ,,Richtlinien” und deren Verbindlichkeit berufen, so kann es nur darauf ankommen, ob der Anstaltszweck das Verbot der Verwendung von tiefschwarzem Gestein in polierter Bearbeitung erfordert. Um dies entscheiden zu können, müssen die notwendigen Anforderungen an die Würde des Ortes einerseits und die Achtung vor der Freiheit der Persönlichkeit andererseits in das richtige Verhältnis zueinander gebracht werden.

Schließt schon der Friedhofszweck aus, daß zweckfremde Erwägungen der Gestaltung der Nutzungsbedingungen zugrundegelegt werden, so sind bei Friedhöfen mit Monopolstellung und Benutzungszwang darüber hinaus freiheitsbeschränkende Regelungen grundsätzlich nur insoweit zulässig, als sie durch den Anstaltszweck notwendig sind. Es ist ein allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz, daß eine rechtl. oder tatsächl. Monopolstellung dem Monopolinhaber hinsichtlich der Kontrahierungsbedingungen strenge Bindungen auferlegt, denen er ohne die Monopolstellung nicht unterläge. Dieser Grundsatz hat im bürgerl. sowie im öffentl. Recht gleichermaßen Anerkennung gefunden. Das erk. Gericht vermag sich deshalb gerade im Hinblick darauf, daß der Friedhof in X. eine solche Monopolstellung hat und er zudem dem Benutzungszwang unterliegt, nicht der Auffassung der Bekl. anzuschließen, die Auswahl der Grabsteine sei nicht Sache der Friedhofsbenutzer, sondern Aufgabe der Stadt, die in Verbindung mit den Kirchen, den einschlägigen Gewerbezweigen und der Künstlerschaft den Gesamtton des Friedhofs zu bestimmen habe. Die Friedhofsverwaltung [FrV] kann im Rahmen des Anstaltszweckes nur das erfordern, was zur Wahrung der Würde des Friedhofes nach allg. Anschauung notwendig ist. Die privaten Wünsche des einzelnen müssen zurücktreten vor dem religiösen und ästhetischen Empfinden der Gesamtheit, auf das die FrV Rücksicht zu nehmen hat. Niemand kann beanspruchen, seine individuellen Wünsche auch dann durchzusetzen, wenn er dadurch die berechtigten Empfindungen anderer stört. Nun gibt es allerdings weder in religiösen noch in ästhetischen Fragen eine einheitliche Meinung. Daher kann es — wie es allein demokratischen Grundsätzen entspricht — nur auf das durchschnittliche Empfinden der Friedhofsbenutzer abgestellt werden; dies umsomehr, als sich gerade in Geschmacksfragen ein steter Wandel kundtut und diese Fragen auch von Gegend zu Gegend sowie in Stadt und Land unterschiedlich beurteilt werden. Den Friedhofsträgern steht deshalb nicht das Recht zu, Maßstäbe aufzustellen, die dem Durchschnittsempfinden durchaus fremd sind und vielleicht der Geschmacksrichtung einiger weniger, in ästhetischen Fragen besonders geschulten und empfindlichen Personen entsprechen. Die FrV ist nicht befugt, in Geschmacksfragen Ansichten durchzusetzen, die von der überwiegenden Mehrheit der Benutzer (ihres Friedhofs) nicht geteilt werden; und sie darf nichts verbieten, was nicht von anderen Friedhofsbenutzern — und zwar nicht von nur ganz wenigen, sondern von einer ins Gewicht fallenden Anzahl — als mit der Würde eines Friedhofs unvereinbar empfunden wird (so zutreffend Bachof: Zulässigkeit von Beschränkungen der Grabmalgestaltung durch Friedhofsordnungen, sowie über den Rechtsschutz gegenüber derartigen Maßnahmen; Rechtsgutachten, als Man, gedruckt bei Hessen-Druck, Frankfurt am Main 1954; hier S. 20/21). Diese Grenzziehung macht auch eine ordnungsgemäße FrV und Friedhofspflege keinesfalls unmöglich.

In die gleiche Richtung weist auch das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 I GG). Der Kl. ist darin beizupflichten, daß das Recht zur individuellen Grabmalgestaltung in ganz betonter Weise als Ausfluß des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzusprechen und daher durch letzteres verfassungsrechtlich geschützt ist. Dies gilt sowohl im Hinblick auf einen etwaigen letzten Wunsch des Verstorbenen, als auch im Hinblick auf den Wunsch der Angehörigen zu einer ihrer Vorstellung entsprechenden Totenehrung. Zu dieser gehört entscheidend die Gestaltung der Grabstätte insgesamt und des Grabmales im besonderen, dem eine spezifische Mittlerfunktion in den seelischen Beziehungen der Angehörigen zu ihrem Toten zukommt. In dieses Recht einzugreifen, ist weder der Gesetzgeber noch der Anstaltsträger befugt da es sich insoweit um ein unbeschränkbares Grundrecht handelt, dessen Verzicht auch nicht durch die Anstaltsordnung gefordert werden darf. Lediglich soweit die Grabstelleninhaber durch die Gestaltung des Grabmales gegen verfassungsimmanente Schranken verstoßen würden, kann hiergegen eingeschritten und könne gegen eine solche Überschreitung auch generelle Vorschriften, insbes. durch eine Anstaltsordnung, erlassen werden (vgl. insoweit gleichfalls Bachof aaO S. 17). E muß sich jedoch stets um rechtsschutzwürdige Interessen handeln, zu deren Schutz Normierungen getroffen werden können. Vom Grabstelleninhaber kann zwar verlangt werden, daß er eine Grabgestaltung unterläßt, die die Empfindungen anderer zu verletzen geeignet ist Aber das gilt wiederum nur insoweit, als diesen Empfindungen anderer nicht Maßstäbe zugrunde liegen, die von der Mehrheit der Friedhofsbenutzer nicht geteilt werden. Andernfalls könnte eine Minderheit, ja sogar ein einziger alle übrigen Friedhofsbenutzer zur Rücksicht auf seine individuellen Anschauungen zwingen während er selbst keinerlei Rücksicht auf die überwältigende Mehrheit zu nehmen brauchte und diese in ihre Handlungs- und Gestaltungsfreiheit einzuengen vermöchte. Ein solches Verlangen könnte nicht als rechtsschutzwürdig anerkannt werden und liefe geradezu auf eine Umkehrung des grundgesetzlichen Verhältnisses der Handlungsfreiheit zu ihrer verfassungsimmanenten Grenzen hinaus. Somit legt auch das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit dem Friedhofsträger im wesentl. die gleichen Beschränkungen hinsichtl. der Gestaltung der FrO auf, wie sie sich schon aus der Tatsache der Monopolstellung und des Benutzungszwanges der (meisten) Friedhöfe ergeben.

Ist aber dafür, was auf dem jeweiligen Friedhof als angemessen und was als störend und die Würde des Ortes beeinträchtigend anzusehen ist, nur die Auffassung der Mehrheit der Friedhofsbenutzer entscheidend, so berechtigt bloß das, was in diesem Sinne als störend empfunden wird, dazu, dem einzelnen Grabstelleninhaber Beschränkungen in der Freiheit der Grabgestaltung aufzuerlegen. Man mag verschiedener Ansicht über die Schönheit schwarzer polierter Steine sein können. Daß sie — die erfahrungsgemäß, wie es insbes. auch der Friedhof in X. ausweist, von vielen Grabstelleninhabern mit Vorliebe gewählt werden — allgemein der Würde des Ortes abträglich seien bzw. als störend oder stimmungslos empfunden werden müßten, kann nicht behauptet werden. Jedenfalls geht es offenbar zu weit und ist durch sachliche Erfordernisse der Wahrung der Friedhofswürde nicht gerechtfertigt, wenn es in § 2 I 2 der Bestimmungen über die Errichtung von Denkmälern und die Behandlung der Grabstätten heißt: ,,Aufdringliche Materialien... wie glänzend polierte Flächen stehen in Widerspruch mit der Umgebung, wirken stimmungslos und sind daher zu vermeiden.” Diese Vorschrift entspricht allein individuellen und höchst subjektiven Geschmacksauffassungen, die auch eine FrV nicht zum verbindlichen Maßstab zu erheben berechtigt ist. Sie ist rechtlich, mindestens in dieser Allgemeinheit, nicht zu halten.

Infolgedessen kann die Bekl. auf Grund ihrer Begräbnis- und FrO lediglich verlangen, daß sich die gesamte Grabanlage mit dem Denkmal und der nächsten Umgebung in Einklang befindet. Dies ist vorliegend der Fall. [wird ausgeführt] Unter diesen Umständen stellt das Verbot der Aufstellung des Steines in polierter Bearbeitung eine rechtswidrige Beeinträchtigung der Rechte der Kl. dar.

 

Anmerkung

1. Das Urteil folgt in Ergebnis und Begründung im wesentlichen den Gedankengängen meines vom Gericht zitierten Gutachtens. Man wird daher von mir keine kritische Stellungnahme erwarten können. Es sei insoweit lediglich vermerkt, daß ich ein Verbot ,,aufdringlicher” Materialien für zulässig halte, wobei mir aber eine vorsichtige und zurückhaltende Beurteilung der schon weit in das Gebiet des individuellen Geschmacks vorstoßenden Frage, was als ,,aufdringlich” zu erachten ist und was nicht, geboten erscheint. Keinesfalls kann man generell alles schwarze Material als aufdringlich bezeichnen. Auch ein allgemeines Verbot ,,polierter Flächen” geht offensichtlich zu weit.
2. Von grundsätzlicher Bedeutung — weit über das Gebiet des Friedhofwesens hinaus — ist die Frage nach den rechtlichen Bindungen eines Anstaltsträgers bei Erlaß der Benutzungsordnung. Solche Bindungen sind gegeben a) durch den Anstaltszweck, b) durch eine etwaige (rechtliche oder auch nur faktische) Monopolstellung der Anstalt, besonders wenn sie überdies noch mit Benutzungszwang verbunden ist, und c) durch Rechtsnormen höheren Ranges, insbes. durch die Grundrechte der Verfassungen und hier vor allem durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 I GG. Im einzelnen muß hierzu auf meine eingehenden Darlegungen in dem zit. Gutachten verwiesen werden.
3.Der Kampf um die Grenzen der Befugnisse der Friedhofsträger wird mit erheblicher Schärfe geführt und hat oft die Grenzen sachlicher juristischer Erörterungen verlassen. Es sei daher auch an dieser Stelle nachdrücklich hervorgehoben, daß für den Juristen die Frage allein dahin lautet, welche Beschränkungen der Freiheit des einzelnen in der Grabmalsgestaltung   r e c h t 1 i c h  z u l ä s s i g  sind, und nicht dahin, welchen Geschmacksrichtungen der Vorzug zu geben ist. Aus den oben skizzierten Bindungen des Anstaltsträgers folgt, daß von Friedhöfen alles das — und n u r das — ferngehalten werden kann (und auch soll!), was der Würde des Ortes abträglich ist, wobei als Maßstab der Beurteilung die durchschnittliche Auffassung der Friedhofsbenutzer aber nicht individuelle Anschauungen des Anstaltsträgers maßgebend zu sein haben. Es ist nicht Aufgabe der Rechtsordnung, der zwangsweisen Durchsetzung bestimmter Geschmacksrichtungen zum Siege zu verhelfen. Wer aufmerksam verfolgt, was gerade auf dem Gebiet der Grabmalsgestaltung im Lauf der Zeiten und der sich wandelnden Anschauungen alles als ,,schön” oder ,,unschön” gepriesen oder angeprangert wurde, wird hier zu größtmöglicher Zurückhaltung und Toleranz neigen. Betrachtet man einmal die uns von Melchert (Die Entwicklung der deutschen Friedhofsordnungen, Diss. Dessau 1929) in zahlreichen Bildwiedergaben angepriesenen Grabmäler — auch damals mit der Tendenz einer Zwangsordnung —, so wird sich kaum behaupten lassen, daß jener Geschmack von 1929 (unterstellt man ihn einmal als den damals ,,herrschenden”) mit dem heutigen noch identisch sei. Das sollte zu denken geben.
4. In einer Entgegnung zum Gutachten des Unterzeichneten (Boehlke, Die Verwendung des hochglanzpolierten schwedischen schwarzen Granitgesteins auf den Friedhöfen; herausgegeben im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal, Druck Missionshandlung Hermannsburg) ist argumentiert worden, bei den umstrittenen Verboten handele es sich um die Regelung von ,,Gestaltungsfragen” und nicht ,,nur” um die Anwendung von Rechtssätzen. Nun wird niemand ernstlich bestreiten wollen, daß der Friedhofsträger bei der Anlage des Friedhofs ein gestalterisches Ermessen betätigen kann. Aber auch diese Gestaltungsfreiheit hat ihre Grenzen an der Rechtsordnung, und gerade um die Aufzeigung dieser  G r e n z e n  geht es.
5. Weiter ist der Versuch gemacht worden, Widersprüche zwischen der ersten Stellungnahme des Unterzeichneten zu Fragen der Grabmalgestaltung (auszugsweise im AöR Bd. 78 S. 82 ff.) und der neuerlichen Stellungnahme in dem vom Gericht zit. Gutachten zu entdecken (Boehlke aaO S. 5, 6). Die Gelegenheit sei daher wahrgenommen, die Unrichtigkeit dieser Behauptungen darzutun.
a) In AöR aaO S. 89 waren die früheren Richtlinien des RMdI aus dem Jahre 1937 als das Äußerste bezeichnet worden, was an Zulassungsbeschränkungen hinsichtlich des M a t e r i a l s  noch rechtlich vertretbar erscheine. Das bezog sich — ganz abgesehen davon, daß im dortigen Zusammenhang nur vom K u n s t s t e i n als Material die Rede war — ausdrücklich nur auf das Material als solches, nicht aber auf seine Bearbeitung, für deren Beurteilung auf einen späteren Abschnitt (S. 90 ff.) verwiesen wurde; schon damals habe ich dort Bedenken gegen Bearbeitungsvorschriften erhoben, für die ,,kein im Material liegender zwingender Grund besteht”. Ein aufmerksamer Leser konnte daher nicht zu der Folgerung gelangen, nach dem früheren Gutachten werde ein generelles Verbot schwarzen schwedischen Granits oder einer bestimmten Bearbeitung desselben von mir für zulässig gehalten. Dazu Stellung zu nehmen bestand damals gar kein Anlaß.
b) Wenn in AöR aaO S. 88 auf die Ansichten der ,,Mehrheit der Bürger”, im späteren Gutachten auf die Ansichten der ,,Mehrheit der Benutzer” des Friedhofs abgestellt wird, so ist auch das kein Widerspruch. Die Ansichten über das, was der Würde eines Friedhofs entspricht, sind in Nord und Süd, in Stadt und Land nicht notwendig die gleichen. Es sollte selbstverständlich sein, daß nicht auf die Ansicht ,,irgendwelcher” Bürger abgestellt werden kann, sondern nur auf die Ansicht derjenigen Bevölkerung, für die der Friedhof vorzugsweise bestimmt ist. Im übrigen ergibt schon der zweite Halbsatz des von Boehlke zusammenhanglos gebrachten Zitates aus dem AöR, in dem ausdrücklich von ,,anderen Friedhofsbenutzern” (sic!) die Rede ist, wer mit den ,,Bürgern” gemeint war.
c) Die als Widerspruch zu meiner früheren Stellungnahme bezeichneten Ausführungen S. 24 des Gutachtens über die richtige Grenzziehung in den Richtlinien der württ. Friedhofskommission finden sich nun gar wörtlich schon im AöR aaO S. 881. Daß ich gegen die Richtlinien des RMdI von 1937, soweit sie über die älteren württ. Richtlinien hinausgehen, schon in meiner ersten Stellungnahme Bedenken hatte, zeigen die Ausführungen aaO S. 91. Diese Bedenken sind freilich inzwischen noch bestärkt worden; denn:
d) Die Aktualisierung der Grundrechte im GG hat die Rechtswissenschaft und die Rechtspraxis vor eine Reihe neuer Probleme gestellt. Dazu gehört nicht zuletzt die schwierige und trotz mancher klärenden Beiträge noch keineswegs wirklich gelöste Frage nach der Geltung der Grundrechte in den besonderen Gewaltverhältnissen. Sie hat auch ein erneutes Durchdenken der Grenzen von Anstaltsordnungen erforderlich gemacht. Ergänzungen, die sich daraus in meiner neuerlichen Stellungnahme gegenüber dem (im Jahre 1950 abgeschlossenen) Beitrag im AöR ergeben, in dem die Frage der Grundrechtseinwirkungen auf die Anstaltsordnungen noch gar nicht behandelt wurde, sind daher kein ,,Widerspruch”, sondern notwendige Folge der Fortentwicklung des Rechts — auch wenn sie zu einer noch stärkeren Akzentuierung der Freiheit von anstaltlicher Reglementierung geführt haben.

Prof. Dr. Bachof, Tübingen  
 

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