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Quelle: DIE ÖFFENTLICHE VERWALTUNG - JANUAR 1956 - HEFT 2 Urteil des LVG Köln vom 19. 4. 1955 — 3 K 210/54 1.Zulässigkeit und Grenzen ortsstatutarischer Genehmigung von Grabdenkmälern. Aus den Gründen: Friedhöfe sind ihrem rechtl. Charakter nach öff. Anstalten. Die Benutzung regelt sich nach der jeweiligen Friedhofsordnung [FrO], die als Anstaltsordnung aufzufassen ist und auf
der Recht- setzungsbefugnis der Anstaltsherrin beruht. Der Anstaltscharakter des Friedhofes und die öffent- lichrechtliche Herrschaftsgewalt der Zivilgemeinde bilden die rechtl. Grundlage der FrO. Die Befugnis, objektive Rechtsnormen zu setzen, ergibt sich aus der Autonomie der Zivilgemeinde als Trägerin der Anstalt. Dafür, daß die FrO der Bekl. nicht ordnungsgemäß zustandegekommen sein könnte, bestehen keine Anhaltspunkte. Es ist somit davon auszugehen, daß die Begräbnis- und FrO der Bekl.
für alle Friedhofsbenutzer rechtsverbindlichen Charakter erhalten hat. Mit ihrer Klage ficht die Kl. das Verbot der Aufstellung des Grabsteines in polierter Bearbeitung an. Da Gegenstand der im geltenden Verwaltungsprozeßrecht (§ 22 1, § 23 MRVO 165) vorge- sehenen Anfechtungsklage Verwaltungsakte sind, ist zunächst zu prüfen, ob der angefochtene Bescheid v. 1. 12. 1954 einschließlich des ihm zugrunde liegenden Erlaubnisscheines v. 20. 3. 1954 einen VA i. S. der angeführten
Vorschriften darstellt. [Dies wird im folgenden bejaht]. Die Kl. nimmt nicht für sich in Anspruch, bei der Aufstellung des Grabdenkmales nach Belieben verfahren zu können. Sie räumt ein, daß die Errichtung eines Grabmales durch die FrO von einer Genehmigung abhängig gemacht werden kann. In der Tat lassen auch das Recht und die Pflicht des Anstaltsträgers, für eine der Würde des Ortes angemessene Ausgestaltung zu sorgen, die Genehmigungspflicht für die Aufstellung von Grabsteinen
sowie nähere Bestimmungen über die Gestaltung der Grabdenkmäler wie der Gräber überhaupt als unentbehrlich erscheinen, weil eine genehmigungsfreie Grabmalserrichtung oft zu Gestaltungen führen würde, die den berechtigten allgemeinen Anforderungen zuwider-liefen. Da die Bekl. der Kl. die Verwendung tiefdunklen Materials gestattet hat, besteht zwischen den Parteien nur Streit darüber, ob die ausgesprochene Beschränkung auf Mattschliffbearbeitung als zulässig anzusehen ist oder nicht. Diese
Streitfrage kann ausschließlich von der Zweckbestimmung des Friedhofes aus, nämlich der Ermöglichung einer angemessenen und geordneten Leichenbestattung sowie der Totenehrung durch pietätvolle und würdige Ausgestaltung des der Bestattung gewidmeten Grundstückes (vgl. RGZ 157, 255), entschieden werden. Anforderungen, die anderen als diesen Zwecken dienen sollen, sind unzulässig. Die Bekl. kann die Versagung der Genehmigung zur Aufstellung des Grabmales nicht darauf stützen,
daß sich § 2 I 2 ihrer Bestimmungen über die Errichtung von Denkmälern und die Behandlung der Grabstätten v. 17. 3. 1926, demzufolge aufdringliche Materialien ... wie glänzend polierte Flächen zu vermeiden sind, mit Ziff. 51 der von dem damaligen RMdI mit RdErl. v. 18. 1. 1937 herausgegebenen Richtlinien deckt, Entgegen der in der von der Bekl. zitierten Entscheid. des OLG Düsseldorf ) vertretenen Auffassung ist das erk. Gericht der Ansicht, daß dem RdErl. jedenfalls heute keine
Gültigkeit mehr zukommt. Er stellt zunächst schon angesichts der Art seiner Verkündung (eben als Erlaß und nicht als Gesetz oder Verordnung, sowie im Amts- und nicht im Gesetzblatt) keine Rechtsnorm dar. Des weiteren kann in ihm auch keine verbindliche Weisung für die Gemeinden erblickt werden, da diese einem diesbezüglichen Weisungsrecht des Innenministers (und zwar weder des Bundes noch eines Landes) nicht unterstehen, es sich vielmehr beim Friedhofswesen — mindestens, soweit nicht
sanitätspolizeiliche Gesichtspunkte in Frage stehen — um eine ausgesprochene Selbstverwaltungsangelegenheit der Gemeinden handelt. Kann sich die Bekl. aber nicht mehr von vornherein auf die Übereinstimmung ihrer Begräbnis- und FrO mit den ,,Richtlinien” und deren Verbindlichkeit berufen, so kann es nur darauf ankommen, ob der Anstaltszweck das Verbot der Verwendung von tiefschwarzem Gestein in polierter Bearbeitung erfordert. Um dies entscheiden zu können, müssen die notwendigen Anforderungen
an die Würde des Ortes einerseits und die Achtung vor der Freiheit der Persönlichkeit andererseits in das richtige Verhältnis zueinander gebracht werden. Schließt schon der Friedhofszweck aus, daß zweckfremde Erwägungen der Gestaltung der Nutzungsbedingungen zugrundegelegt werden, so sind bei Friedhöfen mit Monopolstellung und Benutzungszwang darüber hinaus freiheitsbeschränkende Regelungen grundsätzlich nur insoweit zulässig, als sie durch den Anstaltszweck notwendig sind. Es
ist ein allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz, daß eine rechtl. oder tatsächl. Monopolstellung dem Monopolinhaber hinsichtlich der Kontrahierungsbedingungen strenge Bindungen auferlegt, denen er ohne die Monopolstellung nicht unterläge. Dieser Grundsatz hat im bürgerl. sowie im öffentl. Recht gleichermaßen Anerkennung gefunden. Das erk. Gericht vermag sich deshalb gerade im Hinblick darauf, daß der Friedhof in X. eine solche Monopolstellung hat und er zudem dem Benutzungszwang unterliegt,
nicht der Auffassung der Bekl. anzuschließen, die Auswahl der Grabsteine sei nicht Sache der Friedhofsbenutzer, sondern Aufgabe der Stadt, die in Verbindung mit den Kirchen, den einschlägigen Gewerbezweigen und der Künstlerschaft den Gesamtton des Friedhofs zu bestimmen habe. Die Friedhofsverwaltung [FrV] kann im Rahmen des Anstaltszweckes nur das erfordern, was zur Wahrung der Würde des Friedhofes nach allg. Anschauung notwendig ist. Die privaten Wünsche des einzelnen müssen zurücktreten vor
dem religiösen und ästhetischen Empfinden der Gesamtheit, auf das die FrV Rücksicht zu nehmen hat. Niemand kann beanspruchen, seine individuellen Wünsche auch dann durchzusetzen, wenn er dadurch die berechtigten Empfindungen anderer stört. Nun gibt es allerdings weder in religiösen noch in ästhetischen Fragen eine einheitliche Meinung. Daher kann es — wie es allein demokratischen Grundsätzen entspricht — nur auf das durchschnittliche Empfinden der Friedhofsbenutzer abgestellt werden;
dies umsomehr, als sich gerade in Geschmacksfragen ein steter Wandel kundtut und diese Fragen auch von Gegend zu Gegend sowie in Stadt und Land unterschiedlich beurteilt werden. Den Friedhofsträgern steht deshalb nicht das Recht zu, Maßstäbe aufzustellen, die dem Durchschnittsempfinden durchaus fremd sind und vielleicht der Geschmacksrichtung einiger weniger, in ästhetischen Fragen besonders geschulten und empfindlichen Personen entsprechen. Die FrV ist nicht befugt, in
Geschmacksfragen Ansichten durchzusetzen, die von der überwiegenden Mehrheit der Benutzer (ihres Friedhofs) nicht geteilt werden; und sie darf nichts verbieten, was nicht von anderen Friedhofsbenutzern — und zwar nicht von nur ganz wenigen, sondern von einer ins Gewicht fallenden Anzahl — als mit der Würde eines Friedhofs unvereinbar empfunden wird (so zutreffend Bachof: Zulässigkeit von Beschränkungen der Grabmalgestaltung durch Friedhofsordnungen, sowie über den Rechtsschutz
gegenüber derartigen Maßnahmen; Rechtsgutachten, als Man, gedruckt bei Hessen-Druck, Frankfurt am Main 1954; hier S. 20/21). Diese Grenzziehung macht auch eine ordnungsgemäße FrV und Friedhofspflege keinesfalls unmöglich. In die gleiche Richtung weist auch das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 I GG). Der Kl. ist darin beizupflichten, daß das Recht zur individuellen Grabmalgestaltung in ganz betonter Weise als Ausfluß des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
anzusprechen und daher durch letzteres verfassungsrechtlich geschützt ist. Dies gilt sowohl im Hinblick auf einen etwaigen letzten Wunsch des Verstorbenen, als auch im Hinblick auf den Wunsch der Angehörigen zu einer ihrer Vorstellung entsprechenden Totenehrung. Zu dieser gehört entscheidend die Gestaltung der Grabstätte insgesamt und des Grabmales im besonderen, dem eine spezifische Mittlerfunktion in den seelischen Beziehungen der Angehörigen zu ihrem Toten zukommt. In dieses Recht
einzugreifen, ist weder der Gesetzgeber noch der Anstaltsträger befugt da es sich insoweit um ein unbeschränkbares Grundrecht handelt, dessen Verzicht auch nicht durch die Anstaltsordnung gefordert werden darf. Lediglich soweit die Grabstelleninhaber durch die Gestaltung des Grabmales gegen verfassungsimmanente Schranken verstoßen würden, kann hiergegen eingeschritten und könne gegen eine solche Überschreitung auch generelle Vorschriften, insbes. durch eine Anstaltsordnung, erlassen werden
(vgl. insoweit gleichfalls Bachof aaO S. 17). E muß sich jedoch stets um rechtsschutzwürdige Interessen handeln, zu deren Schutz Normierungen getroffen werden können. Vom Grabstelleninhaber kann zwar verlangt werden, daß er eine Grabgestaltung unterläßt, die die Empfindungen anderer zu verletzen geeignet ist Aber das gilt wiederum nur insoweit, als diesen Empfindungen anderer nicht Maßstäbe zugrunde liegen, die von der Mehrheit der Friedhofsbenutzer nicht geteilt werden. Andernfalls
könnte eine Minderheit, ja sogar ein einziger alle übrigen Friedhofsbenutzer zur Rücksicht auf seine individuellen Anschauungen zwingen während er selbst keinerlei Rücksicht auf die überwältigende Mehrheit zu nehmen brauchte und diese in ihre Handlungs- und Gestaltungsfreiheit einzuengen vermöchte. Ein solches Verlangen könnte nicht als rechtsschutzwürdig anerkannt werden und liefe geradezu auf eine Umkehrung des grundgesetzlichen Verhältnisses der Handlungsfreiheit zu ihrer
verfassungsimmanenten Grenzen hinaus. Somit legt auch das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit dem Friedhofsträger im wesentl. die gleichen Beschränkungen hinsichtl. der Gestaltung der FrO auf, wie sie sich schon aus der Tatsache der Monopolstellung und des Benutzungszwanges der (meisten) Friedhöfe ergeben. Ist aber dafür, was auf dem jeweiligen Friedhof als angemessen und was als störend und die Würde des Ortes beeinträchtigend anzusehen ist, nur die Auffassung der Mehrheit der
Friedhofsbenutzer entscheidend, so berechtigt bloß das, was in diesem Sinne als störend empfunden wird, dazu, dem einzelnen Grabstelleninhaber Beschränkungen in der Freiheit der Grabgestaltung aufzuerlegen. Man mag verschiedener Ansicht über die Schönheit schwarzer polierter Steine sein können. Daß sie — die erfahrungsgemäß, wie es insbes. auch der Friedhof in X. ausweist, von vielen Grabstelleninhabern mit Vorliebe gewählt werden — allgemein der Würde des Ortes abträglich seien bzw. als
störend oder stimmungslos empfunden werden müßten, kann nicht behauptet werden. Jedenfalls geht es offenbar zu weit und ist durch sachliche Erfordernisse der Wahrung der Friedhofswürde nicht gerechtfertigt, wenn es in § 2 I 2 der Bestimmungen über die Errichtung von Denkmälern und die Behandlung der Grabstätten heißt: ,,Aufdringliche Materialien... wie glänzend polierte Flächen stehen in Widerspruch mit der Umgebung, wirken stimmungslos und sind daher zu vermeiden.” Diese Vorschrift
entspricht allein individuellen und höchst subjektiven Geschmacksauffassungen, die auch eine FrV nicht zum verbindlichen Maßstab zu erheben berechtigt ist. Sie ist rechtlich, mindestens in dieser Allgemeinheit, nicht zu halten. Infolgedessen kann die Bekl. auf Grund ihrer Begräbnis- und FrO lediglich verlangen, daß sich die gesamte Grabanlage mit dem Denkmal und der nächsten Umgebung in Einklang befindet. Dies ist vorliegend der Fall. [wird ausgeführt] Unter diesen
Umständen stellt das Verbot der Aufstellung des Steines in polierter Bearbeitung eine rechtswidrige Beeinträchtigung der Rechte der Kl. dar.
Anmerkung 1. Das Urteil folgt in Ergebnis und Begründung im wesentlichen den Gedankengängen meines vom Gericht zitierten Gutachtens. Man wird daher von mir keine kritische Stellungnahme erwarten
können. Es sei insoweit lediglich vermerkt, daß ich ein Verbot ,,aufdringlicher” Materialien für zulässig halte, wobei mir aber eine vorsichtige und zurückhaltende Beurteilung der schon weit in das Gebiet des individuellen Geschmacks vorstoßenden Frage, was als ,,aufdringlich” zu erachten ist und was nicht, geboten erscheint. Keinesfalls kann man generell alles schwarze Material als aufdringlich bezeichnen. Auch ein allgemeines Verbot ,,polierter Flächen” geht offensichtlich zu weit. Prof. Dr. Bachof, Tübingen |
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