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Quelle: NVwZ 1994, Heft 8, S. 793

19. Wirksamkeit eines Grababdeckplattenverbotes
GG Art. 2; Bad WürttBestG §§ 6, 15

  1.  Regelungen über die Grabmalsgestaltung, die nicht aus gestalterischen Gründen erlassen sind, sondern die der Verwirklichung des Friedhofszwecks dienen, sind allgemein zulässige Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit.

  2.  Es ist nicht rechtswidrig, wenn der Satzungsgeber die Ruhezeiten unter Beachtung der gesetzlichen Mindestruhefristen allein nach den natürlichen geologischen Verhältnissen und der sich daraus ergebenden Verwesungsdauer bemißt. Eine Verpflichtung der Gemeinde, die Ruhezeiten zu verlängern, um in den Gestaltungswünschen des Nutzungsberechtigten zu entsprechen, besteht nicht.
VGH Mannheim, Urteil vom 13. 12. 1993 1 S 428/93

Zum Sachverhalt: Der Kl. begehrt die Genehmigung der Bekl., das Grab seiner 1989 verstorbenen Ehefrau auf dem Hauptfriedhof der Bekl. mit einer Steinplatte komplett abzudecken. Diesen Antrag lehnte die Bekl. mit Beseheid vom 13. 2. 1990 unter Hinweis aut § 23 IV ihrer FriedhofsO vom 1. 12.1980, wonach Grababdeck- platten nicht zulässig sind, ab. Über den dagegen am 7. 3. 1990 eingelegten Widerspruch hat die Bekl. nicht entschieden. Klage und Berufung des Kl. blieben erfolglos.

Aus den Gründen: Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das VG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Ablehnungsbescheid der Bekl. vom 13. 12. 1990 ist rechtmäßig. Der Kl. hat keinen Anspruch darauf, daß die Bekl. die beantragte Grababdeckung auf ihrem Hauptfriedhof gestattet. Dem Begehren des Kl. auf Errichtung einer Grababdeckplatre (Ganzabdeckung) steht § 23 IV der FriedhofsO der Bekl. in der Fassung vom 18. 10. 1982 - FO - entgegen. Danach sind Grababdeckplatten nicht zulässig. Diese, das Recht des Verstorbenen und seiner Angehörigen. über Bestattungsart, Gestaltung und Pflege der Grabstätte zu entscheiden (vgl. Senat, ESVGH 40, 46 m.w. Nachw.), beschränkende Regelung besitzt ihre gesetzliche Ermächtigung in § 15 I Bad WürttBestG und verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

Die Bekl. ist verpflichtet, für die Gemeindefriedhöfe eine Friedhofsordnung als Satzung zu erlassen (§ 15 I1 BadWürttBestG). Die Friedhofsordnung muß mindestens diejenigen Regelungen enthalten, die notwendig sind, um Tote geordnet und würdig zu bestatten, beizusetzen und zu ehren. sowie die Ordnung aut dem Friedhof aufrechtzuerhalten (vgl. Seeger, BestattungsR in BadenWürttemberg. 2. Aufl., S. 67): die Ruhezeit ist festzusetzen (§ 6 BadWürttBestG). Unter Ruhezeit versteht man den Zeitraum, innerhalb dessen ein Grab nicht erneut belegt werden darf. Sie soll sowohl eine ausreichende Verwesung der Leichen gewährleisten als auch eine angemessene Totenehrung ermöglichen (Gaedke, Hdb. d. Friedhofs- und BestattungsR. 6. Aufl., S. 165).

Regelungen der Grabmalgestaltung. die nicht aus gestalterischen Gründen, um ästhetische Vorstellungen des Friedhofsträgers zu verwirklichen, erlassen sind, sondern die der Verwirklichung des Friedhofszwecks dienen, sind allgemein zulässige Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit (BVerfG, Buchholz 408. 2. Friedhofsbenutzung Nr. 14; Seeger S. 62 m w. Nachw.). Um eine solche, dem Friedhofszweck dienende Regelung handelt es sich bei dem Verbot der Grababdeckplatten. so weit es für den Hauptfriedhof an der H.-Straße der Bekl. gilt. Denn es findet seine Rechtfertigung im Friedhofszweck. dem Gebot. Tote geordnet und würdig zu bestatten und die Ruhezeit als Verwesungsfrist zu gewährleisten.

Die für den Hauptfriedhof festgesetzte Ruhezeit für Personen über 10 Jahre beträgt 25Jahre (§ 13 1 FO). Wie das VG bereits im einzelnen zutreffend ausgeführt hat, folgt aus der Stellungnahme des Geologisehen Landesamtes vom 3. 6. 1976, dem bodenkundlichen Gutachten desselben Amtes vom 29. 3. 1979 und der Ergänzung dieses Gutachtens vom 1. 12. 1980, daß Sonderflächen auf den Hauptfriedhof. auf denen Ganzabdeckungen zugelassen werden können, nicht ausgewiesen werden können, weil ansonsten die Verwesung innerhalb der 25jährigen Ruhezeit nicht gewährleistet werden könne; selbst eine Halbabdeckung der Gräber mit Steinplatten und einem Pflanzgebot für die restliche Graboberfläche sei nur dann möglich. wenn die Ruhezeit um mindestens fünf Jahre verlängert würde. Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit der gutachterlichen Außerung des Geologischen Landesamtes. Hieraus folgt. daß bei Zulassung von Grababdeckplatten (Ganzabdeckungen) die Verwesung innerhalb der Ruhezeit nicht gewährleistet und damit eine ordnungsgemäße Bestattung nicht gesichert wäre (vgl. auch Gaedke, S. 204 [205]).

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, daß bei einer entsprechenden Verlängerung der Ruhezeiten geo- und hvdrologisehe Gründe der Verwendung von Grababdeckplatten nicht entgegenstünden. Richtig ist, daß die Ruhezeit so zu bemessen ist, daß der Verwesungsvorgang bis zu ihrem Ablauf abgeschlossen ist. Die Verwesungsdauer hängt dabei neben dem Alter des Verstorbenen von den örtlichen Gegebenheiten, d. h. in erster Linie von den Bodenverhältnissen ab (Gaedke, S. 165, Seeger S. 336).  Die Festlegung der Ruhezeiten in der Friedhofssatzung liegt im Satzungsermessen der Gemeinde. Die untere Grenze der festsetzungsfähigen Ruhezeiten ergibt sich aus den gesetzlichen Mindestruhefristen (§ 6 BadWürttBestG) und gegebenenfalls aus der darüber hinausgehenden Verwesungsdauer, wenn aufgrund der natürlichen Bodenverhältnisse eine Verwesung der Leiche innerhalb der gesetzlichen Mindestruhefristen nicht gewährleistet ist. Beeinträchtigen bestimmte Arten der Grabmalsgestaltung  - hier die Verwendung von Grababdeckplatten  - die natürliche Verwesung. so kann dem die Gemeinde durch Verlängerung der Ruhezeiten Rechnung tragen. Die Gemeinde handelt jedoch nicht rechtswidrig, wenn sie die Festsetzung der Ruhezeiten unter Beachtung der gesetzlichen Mindestruhefristen allein nach den natürlichen geologischen Bodenverhältnissen und der sich daraus ergebenden Verwesungsdauer bemißt (vgl. hinsichtlich der Verwendung von Särgen § 39 II Nr. 1 BadWürrtBestG: Seeger S. 111). Eine Verpflichtung der Gemeinde, die Ruhezeiten zu verlängern, um den Gestaltungswünschen des Nutzungsberechtigten zu entsprechen. besteht nicht (a. A. wohl VGH Kassel, NVwZ-RR 1989. 505).

Das Verbot der Errichtung von Grababdeckplarten auf dem Hauptfriedhof der Bekl. gilt unabhängig davon, daß es sich nicht für sämtliche Friedhöfe im Gemeindegebiet. für das es sich Geltung beimißt  (§ 23 IV FO), aus den oben aufgezeigten Gründen rechtfertigt und es von daher für diese als besondere Gestaltungsanforderung anzusehen und damit unzulässig ist (vgl. Senat, ESVGH 40, 46). Für welche Friedhöfe im Gemeindegebiet dies im einzelnen der Fall ist, kann der Senat offen lassen, denn die Wirksamkeit des Grabplattenverbotes ist für jeden einzelnen Friedhof gesondert zu prüfen.

Daß der Kl. keinen Anspruch auf eine ausnahmsweise Gestattung einer Grababdeckplatte besitzt (§ 23 V FO). hat bereits das VG zutreffend ausgeführt. Hierauf wird verwiesen.

Schließlich kann der Kl. den geltend gemachten Anspruch auch nicht auf die Äußerung eines Bediensteten des Friedhofsamts. für den Hauptfriedhof gälten keine besonderen Gestaltungsvorschriften, stützen. Denn selbst wenn hierin eine Zusage zu sehen \väre, wäre sie mangels der erforderlichen Schriftform nicht wirksam (§ 38 I1, II Bad WürttVwVfG).

Anm. d. Schriftltg.: Zum Nutzungsrecht an einer Wahlgrabstätte vgl. VGH Kassel, NVwZ-RR 1994, 335; zur erneuten Verleihung eines Sondernutzungsrechts an einem Wahlgrab VGH Mannheim, NVwZ-RR 1994, 339; zur nachträglichen Befristung eines unbefristeten Grabnutzungsrechts VGH München, NVwZ-RR 1994, 341; zur Genehmigung der Gestaltung eines Grabes VGH Kassel, NVwZ- RR 1994, 342.

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