|
Düsseldorfs berühmtester Sohn, der Dichter Heinrich Heine, schrieb 1826 aus der Ferne über seine Heimatstadt: “Düsseldorf ist eine Stadt am Rhein, es leben da zwölftausend Menschen, und viele hunderttausend Menschen liegen noch außerdem da begraben. Und darunter sind manche, von denen meine Mutter sagte, es wäre besser, sie lebten noch, z. B. mein Großvater und mein Oheim, der alte Herr v. Geldern, die
beide so berühmte Doctoren waren, und so viele Menschen vom Tode kurirt, und doch selber sterben mußten.” So selbstverständlich die Feststellung ist, daß in einer viele Jahrhunderten alten Stadt die Zahl der Toten die der Lebenden übertrifft, so wenig sichtbare Spuren erinnern uns heute an diesen vielen tausend Toten. Einige Grabmäler aus früheren Jahrhundertensind noch in den Düsseldorfer Kirchen erhalten. Das Grabmal Herzog Wilhelms des Reichen aus dem 16. Jahrhundert in der
Lambertuskirche und das Mausoleum an der Andreaskirche, in dem die Särge des Kurfürsten Johann Wilhelms II. und seiner Vorfahren stehen, gehören zu den hervorragenden Sehenswürdigkeiten der Stadt.
Von den alten Friedhöfen, die bis ins 18. Jahrhundert hinein in der Innenstadt lagen, sind keine Spuren mehr erhalten. Sie wurden geschlossen, applaniert und überbaut. Diese Entwicklung, die aus hygienischen und städtebaulichen Notwendigkeiten erfolgte, teilt Düsseldorf mit vielen anderen
Großstädten. Die Verlegung der Friedhöfe an den Stadtrand hat auch eine Verdrängung der Toten aus unserem Alltag und Bewußtsein bewirkt. Wieviele Düsseldorfer , die den romantischen Stiftsplatz bei der Lambertuskirche überqueren, wissen, daß unter dem Pflasterdie Überreste der katholischen Bürger Düsseldorfs aus vielen Jahrhunderten liegen, daß die Protestanten ihre auf einem Begräbnisplatz bestatteten, der an der Ecke der Kaiserswerther und Nordstraße lag, auf dem sich heute ein modernes
Geschäftsgebäude erhebt, und daß der kleine jüdische Begräbnisplatz, auf dem die von Heine genannten Toten ruhen, in dem geschäftigen Karree zwischen Benrather-, Kasernen- und Grabenstraße lag?
Um so wertvoller - angesichts dieser Situation - ist für uns der Golzheimer Friedhof, der während des 19. Jahrhunderts Düsseldorfs Hauptfriedhof war und von der zerstörerischen Entwicklung weitgehend verschont blieb. Vielen Mitbürgern ist der alte Friedhof, der heute - anders als zur Zeit seiner
Gründung im Jahr 1805 - nahe der Innenstadt liegt, mit seinen alten Bäumen eine erholsame Oase in der Steinwelt der Großstadt und mit seinen schönen Grabmälern eine romantische Stätte, die Erinnerung an alte Zeiten und Verstorbene erweckt. Hier liegen die Gräber vieler verdienter und bedeutender Düsseldorfer Bürger, Vertreter der Regierung, Garnison, Kirchen, Kunstakademie, Kaufmannschaft und aufblühenden Industrie. Sie haben an der hohen Geltung Düsseldorfs als Zentrum der
Wissenschaft und Künste, des Handels und der Industrie mitgewirkt. Trotz der Einbußen, die der Friedhof in unserem Jahrhundert erlitten hat, sind auf ihm noch immer über 300 Grabmäler erhalten, die - neben ihrer Bedeutung für die Stadtgeschichte - auch als kultur- und kunsthistorische Denkmäler Aufmerksamkeit verdienen.
In Erkenntnis dieser Bedeutung ist der Golzheimer Friedhof als Gesamtanlage am 27. September 1982 unter Denkmal-
schutz gestellt worden. Der Golzheimer Friedhof und seine historischen Grabmäler stehen deshalb im Mittelpunkt dieses Buches, das aber in umfassender Weise auch die Geschichte der verschwundenen Düsseldorfer Begräbnisplätze behandelt, auf Gesetze und Gebräuche des Begräbnisses eingeht, und einen erhaltenen Grabmäler unter historischen und kunstgeschichtlichen Gesichtspunkten würdigt und schließlich auch einen Ausblick auf das Friedhofswesen unseres Jahrhunderts gibt.
Der Druck des Buches wurde mit finanzieller Unterstützung des Ministers für Landes- und Stadtentwicklung des Landes Nordrhein-Westfalen, des Landschaftsverbandes Rheinland und der Stadt Düsseldorf ermöglicht. Bei der Erforschung und Bearbeitung des Materials ist mit Hilfe der Mitarbeiter des Hauptstaatsarchivs, Stadtarchivs, Stadtmuseums, Friedhofsamts und der Landesbildstelle herzlich zu danken. Auch einige alte
Düsseldorfer Bürger, die noch Grabstätten ihrer Angehörigen auf dem Golzheimer Friedhof besitzen, gaben wichtige Hinweise.
Ich danke Dr. Inge Zacher, daß sie ihre Forschungen über dieses für die Stadtgeschichte so wichtige Thema in dieses Buch einbringt, und dem Schwann-Verlag für die Zusammenarbeit.
Wieland Koenig
Das wissenschaftliche Interesse am Golzheimer Friedhof reicht über Düsseldorf hinaus. Die
Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal (AFD) e. V., Kassel, hat den Friedhof in sein Forschungs- vorhaben über “Die Wandlungen des Bestattungs- Friedhofs. und Denkmalwesens im deutschsprachi- gen Raum zwischen 1750 und 1850” als wichtiges Beispiel miteinbezogen. Barbara Hable hat im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft 1982 358 Grabsteine des Golzheimer Friedhofs (einschließlich der
erneuerten und stark beschädigten Exemplare) registriert. |