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Gedicht einer Mutter an ihre tote Tochter
im Leichenhaus
 

Quelle: Dokumentation über die Fachtagung Neue Kultur im Umgang mit Tod und Trauer,
Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen, 1999, S. 271

Zum Hintergrund berichtet der Vater der am 15. April in Bonn um 21.00 Uhr durch einen Verkehrsunfall getöteten 16-jährigen Tochter Ester (hier auszugsweise zitiert)

Axel H.: “Wir haben um 12 Uhr Mitternacht von dem Tod unserer Tochter erfahren ... Wir sind dann zum Polizeipräsidium gefahren, was natürlich eine von vornherein bedrückende Situation ist. Dort waren zwar alles sehr liebe Menschen und auch - davon bin überzeugt - sehr betroffene Menschen, aber die Atmosphäre war eisig. Wir haben da herumgestanden. Es hat sich im Grunde jeder an uns vorbeigedrückt. Ich habe schon gemerkt, dass die Polizeibeamten und -beamtinnen betroffen waren, aber keiner hat ein Wort gesagt. Dann sind wir zum gerichtsmedizinischen Institut gefahren. Alles das nachts. Um 1.00 Uhr kamen wir dort an.  Das Institut war verschlossen. Es wusste keiner, wer den Schlüssel hatte. Es wurde dann der Fahrer des Notarztwagens über Funk aufgetrieben. Er kam herein. Vorher sagte man uns noch: “Tun Sie sich das nicht an. Lassen Sie das lieber. Behalten Sie Ihr Kind so in Erinnerung, wie es gewesen ist”. Ich hätte diesen Ratschlag auch befolgt, muss ich ehrlich sagen und bin sehr froh, dass meine Frau sofort darauf gedrängt hat, unser Kind zu sehen. Was mir heute sehr hilft ist, dass wir es doch getan haben. Wir sind in den Raum hinein- gekommen. Das war eine einzige Baustelle. Es lag überall Schutt und auf der linken Seite waren ein paar Kühlkästen aufgebaut. Die hat man dann alle der Reihe nach aufgezogen und hineingeguckt. Und unsere Tochter war nicht dabei. Dann hat man gesagt: “Tja, da wissen wir auch nicht, wo sie ist. Da müssen wir mal gucken.” Irgendwann hat man dann noch einmal nachgeguckt und da war sie. Sie wurde dort so hineingelegt, wie sie auf der Straße lag. Meine Frau hat dann noch ihren Mantel genommen und wollte ihn über unsere Tochter legen. Da sagte der Polizist: “Das ist aber nicht erlaubt!” Unsere Tochter lag da - noch mit der Gänsehaut. Sie hatte auf der Straße gelegen und meine Frau hat aber trotzdem ihren Mantel über sie gelegt.  Wir sind dann nach Hause bzw. mit dem Polizeiwagen zu unserem Sohn gefahren.

Es ging dann am nächsten Tag weiter, weil es Wochenende war und die Staatsanwaltschaft nicht zu erreichen war. Die Leiche sollte nicht freigegeben werden. Wir wollten, dass unsere Tochter aus dieser Umgebung herauskommt. Nach langem Hin- und Her und gegen die Argumente der Verwaltung - “Sonntags darf man nicht in dieses Institut hinein, das ist verschlossen, dann ist keiner da” - haben wir es doch geschafft, sie nach St. Augustin überführen zu lassen. Dort sollte sie am nächsten Tag oder zwei Tage später gewaschen und zurecht gemacht werden für die Beerdigung. Auch da wurde uns gesagt: “Dafür haben wir hier vier, fünf Männer, und die sind darin geübt”. Das mag alles sein, aber in erster Linie durch die Energie, die meine Frau damals aufgewendet hat, haben wir es erreicht, dass wir mit Freunden unsere Tochter zurecht gemacht haben. Wir haben ihr das Blut aus den Haaren gewaschen. Ich bin jeweils nach Hause gefahren um heißes Wasser zu holen, weil es das nämlich nicht gab. Da gab es draußen nur irgendeinen Kran, an dem man das Wasser bekam...”

Und die Mutter Lisbeth H. bewertet diese Erlebnisse so: “Ich denke, es muß sich in der Frage des Umgangs mit toten Menschen enorm viel tun in der Ausbildung bei Polizei und Feuerwehr, bei den Ärzten, bei den Pfarrern. Dieser Umgang wäre so zu verändern, dass alles würdig abläuft - für den Toten, aber auch für den Hinterbliebenen. Ich weiß nicht, ob ich damit die Leute überfordere. Ich habe mich so wahnsinnig geschämt, wie man mit meiner Tochter umgegangen ist; ich habe mich geschämt für die Behörden. Das habe ich in Gedichtform meiner Tochter geschrieben.”


Ich wollte bei Dir sein, man wollte es nicht
Ich habe mich durchgesetzt.
Du warst nicht im Krankenhaus, wie ich glaubte;
du lagst
in einem Metallsarg
in einem Leichenhaus
in einer Kühlzelle.
Tot. Wertlos. Abfall.
Du lagst da an dem warmen
Sommerabend mit Gänsehaut.
Deine Augen verschreckt - weit offen.
Dein Gesicht verletzt.
Dein Haar voller Blut.
Dein Mund aufgesperrt voll Watte.
Deine Hände verwundet.
Dein Körper völlig unverletzt.
Ich wollte dich mitnehmen, aber ich durfte nicht.
Ich wollte bei Dir bleiben, aber ich durfte es nicht.
Ich wollte Dich wärmen.
Ich zog meine Jacke aus und deckte dich damit zu.
Dann mußte ich gehen.
Ohne Dich.
Sie schoben dich wieder in die Kühlzelle.
Ich dachte in dieser Nacht:
Wann ist tot tot? Niemand kann das doch wissen.
Bist du einsam?
Bist Du bang dort in der Kühlzelle?
Du gehörst in meine Arme.
Sowie bei der Geburt in diese Welt
gehörst du genauso in meine Arme beim Sterben,
das Geborenwerden in ein anderes Leben,
auf das ich für dich so hoffe.
Mit welchem Recht in Gottes Namen
durfte ich nicht bei dir sein?
 


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