Niedersächsischer Landtag - 15. Wahlperiode - 11. Plenarsitzung vom 27. Juni 2003 Tagesordnungspunkte 51/52:
Erste Beratung: Würdige Bestattung von Tot- und Fehlgeburten - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/229 und Neuordnung des Friedhofs- und Bestattungswesens - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/250 Britta Siebert (CDU) Ursula Helmhold (GRÜNE) , Gesine Meißner (FDP) Uwe Schwarz (SPD) Ausschussüberweisung
Präsident Jürgen Gansäuer: Der Antrag der CDU wird durch Frau Kollegin Siebert eingebracht. Bitte schön! Britta Siebert
(CDU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zu einem sehr traurigen Thema, das wir immer wieder gern aus unserem Alltag verdrängen. Es geht um das Sterben und den würdigen Umgang mit unseren Verstorbenen.Leider sterben deutschlandweit zehntausende von Kindern, bevor sie überhaupt richtig leben konnten. 25 % aller Schwangerschaften enden glücklos. Die Familien, die
betroffenen Eltern und mögliche Geschwister haben den Verlust und die Trauer zu bewältigen. Sie müssen lernen, mit dieser Situation umzugehen. Das war für viele Familien, insbesondere dann, wenn das Kind unter 500 g wog, bisher nicht möglich. Diese Kinder, die unter 500 g Lebensgewicht haben, werden leider in den meisten Fällen mit dem üblichen Krankenhausabfall „entsorgt“. Es ist zwar durch viele Initiativen, wie z. B. in Celle, möglich, in einer würdigen Weise
Bestattungen vorzunehmen. Allerdings wissen in vielen Fällen die Familien nichts davon und werden nicht beraten. Aus diesem Grunde machen wir von der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion uns gemeinsam dafür stark, dass die Eltern bereits im Krankenhaus beraten werden, damit sie es nicht im Nachhinein bedauern müssen, dass sie keine Grabstelle haben, auf der sie ihr Kind würdig aufgehoben wissen und an der sie im stillen Gedenken zu ihrem Kind reden können. Wir fordern die Friedhofsträger, die bisher noch keine Plätze für derartige Bestattungen vorhalten, auf, diese demnächst entsprechend vorzuhalten und bereitzustellen. Meine Damen und Herren, ein würdevoller Umgang mit Verstorbenen muss in jedem Fall möglich sein. Dabei ist es gleichgültig, ob jemand ganz jung gestorben ist oder ob er schon älter war, als er gestorben ist. Aus diesem Grunde können wir einer Liberalisierung des Bestattungsrechtes, wie es Bündnis 90/Die Grünen in ihrem vorliegenden Antrag fordern, keinesfalls zustimmen. Liberalisierung klingt zunächst gut. Aber was passiert dann, wenn in der dritten, vierten oder fünften Generation eine Urne vererbt wird, zu der niemand mehr eine Beziehung hat? Was geschieht, wenn der
Erwerber eines Grundstückes beim Umgraben des Gartens auf Urnen stößt, zu denen man keinerlei Beziehung hat? Werden diese mitsamt der sterblichen Überreste in den Hausmüll gegeben oder anderweitig aus dem Blickfeld geschafft? Was geschieht, wenn sich Hinterbliebene um die sterblichen Überreste des nahen Angehörigen streiten? Soll lediglich dem Durchsetzungsstärkeren die Trauer ermöglicht werden? Was passiert mit Hinterbliebenen, die den nächsten Angehörigen gar nicht bekannt waren? Werden die
Trauernden dann mit ihren Gefühlen allein gelassen? Meine Damen und Herren, die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie geht aber auch über den Tod hinaus. Dabei ist es gleichgültig, ob man erst wenige Wochen oder viele Jahre alt war, ob man wenige Gramm oder viele Kilo wog. Es muss sichergestellt sein, dass die sterblichen Überreste nicht irgendwo und irgendwann - ich sage ganz bewusst - „entsorgt“ werden.
Zudem müssen alle Hinterbliebenen die Möglichkeit haben, zu trauern und damit auch Zugang zu einem Ort des stillen Gedenkens zu haben. Leben und Sterben sind untrennbar miteinander verbunden. Die Würde muss in beiden Fällen gewahrt bleiben. Lassen Sie uns gemeinsam ein deutliches Zeichen der Mitmenschlichkeit setzen. Ich bitte Sie, dies in Ihrem Herzen zu bewegen und entsprechend zu entscheiden. - Herzlichen Dank. Präsident Jürgen Gansäuer: Den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bringt Frau Helmhold ein. Ursula Helmhold (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Friedhofs- und
Bestattungsrecht in Niedersachsen stammt in den Grundzügen aus dem Jahre 1934. Nun ist dies allein noch kein Grund dafür, ein Gesetz zu ändern, wenn es denn gut wäre. Allerdings sind die Regelungen dieses Gesetzes veraltet und anpassungsbedürftig. Das ist vor allem so, weil sich die Anschauungen und Wertvorstellungen vieler Menschen in den letzten 70 Jahren entscheidend verändert haben. Starre Regelungen wie die geltenden im Friedhofsrecht werden den
gesellschaftlichen Veränderungen in einer pluralistischen Gesellschaft nicht mehr gerecht. (Beifall bei den GRÜNEN - Heidemarie Mundlos [CDU]: Das stimmt so nicht, wie Sie das sagen!)
Bereits jetzt ist die herkömmliche Sargbestattung nicht mehr die einzige bzw. überwiegende Form der Bestattung. Der Anteil der Feuerbestattungen steigt. Im Bundesdurchschnitt liegt er inzwischen bei 38 %. In
großen Städten wie Berlin und Hannover liegt er bei über 50 %. 12 % der Urnenbestattungen finden im Bundesdurchschnitt als anonyme Bestattungen statt, in den Großstädten sind das etwa 20 %. Das ist deutlich mehr als eine Minderheit. Daran sieht man auch, dass der Anspruch, dass jeder Hinterbliebene sei er auch noch so entfernt verwandt einen Ort zur Trauer haben muss, schon heute nicht mehr erfüllt werden
kann. Dann müssten Sie eigentlich ein Gesetz machen, das Angehörige dazu zwingt, Menschen so zu bestatten, dass jeder einen Zugang zu ihnen hat. Das ist bereits heute nicht mehr erfüllt. Denken Sie z. B. an Seebestattungen, die ja auch zulässig sind. Um den geänderten Anforderungen gerecht zu werden, schlagen wir in unserem Antrag Folgendes vor:
Erstens schlagen wir vor, den Sargzwang bei Beerdigung aufzuheben. In Niedersachsen lebt eine große Anzahl von Menschen nichtchristlichen Glaubens. Wir möchten diesen Menschen die Möglichkeit eröffnen, die Bestattung ihrer Angehörigen entsprechend ihrer eigenen Traditionen vornehmen zu können. Mit diesem Vorschlag wollen wir vor allen Dingen auf die islamischen Bestattungsvorschriften Rücksicht nehmen; denn
im Islam ist die sarglose Bestattung die einzig zulässige Bestattungsart. Jede andere Art ist nur in einem Notfall gestattet. Unsere Regelungen führen in der Regel dazu, dass eine große Anzahl der Hinterbliebenen ihre Toten in die Heimatländer überführt und ihnen somit der von Ihnen vielbeschworene Ort der Trauer hier fehlt. Der Respekt vor dem Glauben dieser Menschen gebietet es uns, ihnen die Möglichkeit zu geben, eine
Bestattung so vorzunehmen, wie sie es möchten. Wir schlagen weiter vor, den Friedhofszwang bei einer Urnenbestattung aufzuheben. Die geltende Regelung entspricht aus unserer Sicht nicht mehr den Anforderungen einer liberalen Gesellschaft, in der Trauerrituale immer mehr an gesellschaftlicher Verbindlichkeit verlieren. Nach gesicherten Umfragen wünschen sich 35 % der Bevölkerung eine Aufhebung des Friedhofszwangs für Totenasche und damit eine Regelung, wie sie in
unseren Nachbarländern Frankreich, Dänemark, Portugal, Italien, Spanien, der Schweiz, Großbritannien und in den USA längst üblich ist. Diese Menschen möchten beispielsweise, dass ihre Asche an einem Ort verstreut wird, dass sie in ihrem Garten oder in Form einer Baumbestattung bestattet oder auch bei einem Angehörigen aufbewahrt werden kann. Allerdings möchten wir dabei eine hohe Hürde einbauen. Das soll nur
gelten, wenn der Verstorbene diesen Wunsch zu Lebzeiten testamentarisch festgelegt hat. Damit stellen wir den Wunsch des Verstorbenen in den Mittelpunkt. Kritiker einer Änderung behaupten oft, mit der Aufhebung des Friedhofszwangs würde die Menschenwürde verletzt. Ich frage Sie aber: Wodurch wird Menschenwürde bestimmt? - Menschenwürde orientiert sich am
Individuum und kann nicht durch Mehrheitsentscheidungen gegen dieses Individuum bestimmt werden. Es verletzt in eklatanter Weise die Würde und das Selbstbestimmungsrecht eines Menschen, wenn sein erklärter letzter Wille nicht beachtet wird. Aus meiner Sicht verletzt es auch die Würde der Hinterbliebenen, wenn sie den Verstorbenen seinen erklärten letzten Willen nicht erfüllen können, weil dem rechtliche Bestimmungen entgegenstehen. Lassen Sie mich auf einen weiteren, oft geäußerten Einwand eingehen: die Aufhebung des Friedhofszwanges störe die Totenruhe. Wir meinen, wenn ein Mensch testamentarisch festgelegt hat, dass er eben jene Form wünscht nämlich nicht auf einem Friedhof bestattet zu werden, sondern einem nahen Angehörigen übergeben zu werden , dann wird er das in dem vollen Bewusstsein tun, dass sich seine Totenruhe anders
gestalten wird als die, die üblich ist. Das ist eine zu respektierende Entscheidung. Im Übrigen ist die geltende Regelung in vielen Fällen zutiefst inhuman. Viele ältere Menschen können einen Friedhof wegen eingeschränkter Mobilität gar nicht mehr aufsuchen. Ihnen fehlt auch ein Ort der Trauer. Für diese Menschen wäre es unter Umständen ein großer Trost, wenn sie ihren Verstorbenen in der Nähe wüssten und so trauern könnten.
Meine Damen und Herren, wenn insbesondere die Vertreter der Kirchen die Aufhebung des Friedhofszwangs mit der Aufhebung der Friedhöfe gleichsetzen, dann kann ich das überhaupt nicht nachvollziehen. Wir wissen, dass die gewachsenen Rituale für viele Menschen wichtig und richtig sind. Aber wenn es tatsächlich so wäre, dass Menschen über das Gesetz zur Benutzung des Friedhofs gezwungen werden müssen, dann müssen wir dringend über eine Liberalisierung reden. Ich glaube übrigens nicht, dass das so ist. Die Kirchen werden immer noch die Mehrheit der Bevölkerung über die Qualität ihres Angebots überzeugen. Wir wollen die Beerdigung auf dem Friedhof doch nicht verbieten. Wir wollen nur, dass es eine Möglichkeit gibt, es anders handhaben zu können, und wollen Menschen, die dies wünschen, einen legalen Gestaltungsraum geben.
Respekt vor dem Individuum mehr Freiheit in der Entscheidung für den Einzelnen, das ist die Grundidee des Antrags in den ersten Punkten. Ich erwarte hierzu insbesondere die Unterstützung durch die Liberalen im Landtag, die ja mit dem erklärten Ziel angetreten sind, den Niedersachsen die Freiheit zurückzugeben. An dieser Stelle haben Sie nun Gelegenheit dazu.
Der dritte Punkt unseres Antrags findet sich auch im Antrag der Koalitionsfraktionen. Das ist ein sehr wichtiger Punkt: Tot- und Fehlgeburten sollen aus dem Status des Operationsabfalls herausgenommen werden. Präsident Jürgen Gansäuer: Ich muss Ihnen jetzt die Freiheit zurückgeben, mit Ihrer Rede zu Ende zukommen. Ursula Helmhold (GRÜNE): Lassen Sie uns unnötige Vorschriften abschaffen und mehr Freiräume für selbstbestimmte Entscheidungen mündiger Bürgerinnen und Bürger schaffen; denn der Tod ist so individuell wie das Leben. Wir sollten das respektieren. Präsident Jürgen Gansäuer: Frau Kollegin Meißner hat das Wort. Gesine Meißner (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Umgang mit dem
sensiblen Thema Tod ist für viele Menschen nicht einfach; das haben wir hier gemerkt. Der Umgang mit dem Thema Bestattung ist es genauso wenig. Was die vorliegenden Anträge angeht, muss man bei der Erörterung sinnvoller Neuregelungen bedenken, dass für den einen Menschen damit persönliche Freiheiten verbunden sind und für den anderen bestimmte ethische Vorstellungen bedeutsam sind und die Menschenwürde in Gefahr zu kommen droht.
Zurzeit gibt es auf Bundesebene und auch auf Landesebene eine Vielzahl von Rechtsvorschriften in diesem Bereich. Angesichts dessen kann eine Zusammenfassung zu einem einheitlichen Bestattungsrecht durchaus sinnvoll sein. Darüber müssen wir auch reden. Wichtig ist auch, zeitgemäße Regelungen zu finden. Beispielhaft dafür ist vielleicht das Bestattungsgesetz von Rheinland-Pfalz. Auf jeden Fall sollten wir vermeiden, das zu wiederholen, was in Nordrhein-Westfalen
passiert ist, nämlich zu emotionalen Zerwürfnissen beizutragen. Hinsichtlich der Ausweitung der Bestattungsmöglichkeiten für Tot- und Fehlgeburten stimmen wir überein. Wir wissen, dass es dringend erforderlich ist, diesbezüglich etwas zu machen. Die „Entsorgung“ als Krankenhausabfall missachtet die emotionale Bindung, die viele Eltern auch zu den ganz kleinen Totgeburten haben.
In jedem Falle muss für solche Eltern die Möglichkeit nach einem Ort der Trauer geschaffen werden. Es soll aber keinen Bestattungszwang geben, sondern es sollen die Optionen geschaffen werden, die bereits genannt worden sind, nämlich eine verpflichtende Aufklärung und eine Beratungspflicht. Gleichzeitig sollen mehr Angebote auf den Friedhöfen und auch Möglichkeiten einer Bestattung geschaffen werden, die den Geldbeutel der Eltern nicht zu sehr beanspruchen.
Was die Sargpflicht angeht, so gibt es gesellschaftliche Veränderungen, die sehr wohl bedacht werden müssen. Für Menschen muslimischen Glaubens gibt es das ist schon gesagt worden bei uns bislang keine Bestattungsmöglichkeit, weil bei ihnen eine Bestattung im Leichentuch den Vorschriften entspricht. Die Kirchen haben dazu schon Stellung genommen. Ich bin ehrenamtlich in der evangelischen Kirche engagiert
und folge in diesem Fall dem Rat unserer Bischöfin Käßmann, die gesagt hat, es gebe für sie keinen christlichen Sargzwang, und eine Beerdigung im Leichentuch wäre für sie durchaus in Ordnung. Im Grundgesetz ist die Religionsfreiheit verankert; auch das müssen wir berücksichtigen. Eine vollständige Aufhebung der Sargpflicht ist aber wenig sinnvoll. So müssen auch gesundheitliche Risiken,
die beim Verwesungsprozess entstehen können, in Betracht gezogen werden. Erst recht bei einem Verdacht auf Infektionskrankheiten ist die Sargpflicht unabdingbar. Sehr umstritten das haben wir gemerkt ist die Aufhebung des Friedhofszwangs für Urnenbestattungen. Die Urne auf dem Kaminsims, von der schon ansatzweise gesprochen wurde, ist eine Vorstellung, die für die eine
Seite die Verwirklichung von Individualität und eine Nähe zum Verstorbenen bedeutet, die vielleicht auch dem Wunsch eines Verstorbenen entsprechen könnte. Für die anderen aber das ist auch schon klargeworden ist das unvorstellbar und bedeutet eine starke Beeinträchtigung der Totenruhe und des würdevollen Umgangs mit dem Verstorbenen. Auch das müssen wir auf jeden Fall berücksichtigen. Kultur und kulturelles Erbe spielen
logischerweise auch eine Rolle. Wir müssen hierbei also unterschiedliche Positionen bedenken. Bevor wir darüber nachdenken, inwieweit eine weitere Freigabe erfolgen sollte, müssen wir uns über Optionen Gedanken machen, die es auch schon in anderen Bundesländern gab, so z. B. darüber, Friedwälder einzurichten. Solche sind im Saarland üblich, wo es eine Baumbestattung gibt. Sie merken, es gibt vieles, was man in diesem Bereich bedenken muss.
Ich habe den Eindruck, wir sind noch nicht so weit, eine Novellierung in Angriff nehmen zu können, was das Bestattungswesen allgemein angeht. Was wir auf jeden Fall tun können und auch tun sollten, ist das, worüber Einigkeit besteht, nämlich die Bestattung von Tot- und Fehlgeburten, einvernehmlich zu regeln. Präsident Jürgen Gansäuer: Vielen Dank. - Herr Kollege Schwarz, Sie haben das Wort. Uwe Schwarz (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Thema hat uns bereits im Januar dieses Jahres beschäftigt. Seinerzeit haben die Grünen einen fast gleichlautenden
Antrag eingebracht. Die CDU-Fraktion hat aus dem seinerzeitigen Antrag ein Element herausgenommen. Insofern kann ich für meine Fraktion das erklären, was ich schon im Januar gesagt habe. Was die Frage der Tot- und Fehlgeburten betrifft, so sollte nach unserer Auffassung bei Föten bis maximal 500 g in der Tat ausschließlich der Elternwille maßgebend sein. Insofern sind die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Eltern, wenn
sie dies wollen, eine Bestattung durchführen können. Dies haben wir auch bei der Beratung von Petitionen mehrfach so besprochen. Daher ist es gut, wenn das jetzt umgesetzt wird. Ich meine, an der Stelle sind wir uns alle einig. Die zweite Frage betrifft die Sargpflicht. Diesbezüglich teile ich die Position, die sich im Antrag der Grünen wiederfindet. Wir sind eine multikulturelle Gesellschaft. Bei uns leben sehr viele Menschen islamischen
Glaubens. Sie haben keine Chance, hier im Sinne ihres Glaubens beerdigt zu werden, selbst wenn sie hier Jahrzehnte gelebt haben oder hier sogar aufgewachsen sind, also die gesamte Zeit hier gewesen sind. Sie müssen, wenn sie versterben, in ein islamisches Land übergeführt werden, wenn sie bzw. ihre Hinterbliebenen nicht mit ihrem Glauben in Konflikt kommen wollen. Dieser Tatsache müssen wir Rechnung
tragen. Insofern teilen wir die Position, die in dem Antrag der Grünen niedergelegt ist und die im Übrigen auch Frau Käßmann teilt. Ich habe damals bereits gesagt: Wir würden es sehr begrüßen, wenn der Position der Landesbischöfin an dieser Stelle Rechnung getragen würde. Über die dritte Frage, die Aufhebung des Friedhofzwangs, kann man, glaube ich, nicht streiten. Das ist eine
Angelegenheit, die jeder mit sich persönlich abmachen muss. Das hängt davon ab, wie man selbst religiös eingestellt ist, ob man glaubt, welcher Weltkirche oder welcher religiösen Glaubensrichtung man angehört. Wir können uns da auch den Versuch ersparen, uns gegenseitig überzeugen zu wollen. Ich sage für die SPD-Fraktion ganz klar: Wir sollten offen darüber diskutieren. Aber wir werden in dieser Frage in der Fraktion
nicht geschlossen stimmen, weil das schlichtweg nicht geht. Ich meine, wenn wir ehrlich sind, dann müssen wir zugeben, dass wir jemanden in dieser Frage nicht durch irgendwelche Fraktionsmehrheiten auf eine Linie bringen können, die mit seinem Gewissen überhaupt nicht in Einklang zu bringen ist. Ich teile eine ganze Reihe der Argumente, die für die Nichtaufhebung des Friedhofzwangs vorgetragen worden
sind. Ich teile diese Argumente ausdrücklich, weil ich in der Tat der Meinung bin, dass Gesichtspunkte wie Totenruhe hoch zu bewerten sind. Wichtig ist meiner Ansicht nach auch, zu berücksichtigen, wie man dem Willen des Verstorbenen Rechnung tragen kann. Wir können aber nicht garantieren, wie lange man dem Willen des Verstorbenen Rechnung tragen kann. Ich glaube schon das habe ich damals schon gesagt ,
dass in der ersten Generation eine persönliche Bindung da ist. In der zweiten Generation da teile ich das, was Sie, Frau Siebert, gesagt haben sieht das schon anders aus. Auch ich möchte nicht, dass sich die Urnen im Müll wiederfinden. Ich könnte mir auch noch andere sehr pietätslose bzw. makabere Veranstaltungen vorstellen. Insofern vertrete ich persönlich die Auffassung, dass man den Friedhofszwang nicht aufheben sollten. Ich
sage aber genauso deutlich: Es gibt diesbezüglich sehr unterschiedliche Positionen. Wir sollten damit genauso umgehen, wie es unser Grundgesetz vorsieht, Stichwort: Religionsfreiheit. Das heißt an dieser Stelle mit absoluter Sicherheit auch Gewissensfreiheit. Präsident Jürgen Gansäuer:
Meine Damen und Herren, das ist ein ernstes Thema. Ich wünsche eine gute Beratung, und zwar im Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit bei der federführenden Beratung und im Ausschuss für Inneres und Sport bei der Mitberatung. Andere Vorschläge sehe ich nicht. Dann ist das so beschlossen. |