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Bestatter in Deutschland

Quelle: NJW 1979, Heft 30, Seite 1493

Bundesverfassungsgericht zum Friedhofszwang
Beschluß vom 28.02.1979 - 1 BvR 317/74
1.GG Art. 1 I, 2 I, 3 I, II; Hbg-FriedhofsG § 14

(Verfassungsmäßigkeit des Friedhofzwangs)

Der Friedhofszwang für Urnen, für die in besonderen Fällen eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen ist, verletzt keine Grundrechte.

Zum Sachverhalt: Der Bf. möchte nach seinem Tod eingeäschert werden. Seine Asche soll dann von seinen Hinterbliebenen auf seinem etwa 1100 qm großen Grundstück verstreut werden. Das Grundstück hat er vor über 40 Jahren in unerschlossenem Zustand erworben, es mit einem Familienhaus bebaut und gärtnerisch gestaltet. Er bewohnt es seither und fühlt sich dem Grundstück auf das engste verbunden. Sein Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Friedhofs- und Urnenzwang wurde von der zuständigen Behörde unter Hinweis auf § 14 Friedhofsgesetz der Freien und Hansestadt Hamburg vom 2.2.1970 (GVBl I. 48) - FG - abgelehnt. Diese Bestimmung lautet: "Friedhofszwang. Erd- und Feuerbestattung außerhalb von Friedhöfen sind nicht zulässig. Ausnahmen können in besonderen Fällen von der zuständigen Behörde zugelassen werden.."

Der Widerspruch blieb erfolglos. Das VG gab der Klage insoweit statt, als es die Freie und Hansestadt Hamburg verpflichtete, nach der Einäscherung des Bf. die Beisetzung seiner Urne auf seinem Grundstück zu gestatten.

Das OVG wies Berufung und Klage des Bf. ab. Die Berufung des Bf. hatte keinen Erfolg. Das BVerwG führte aus:

§ 14 FG sei allein am Prüfungsmaßstab des Artikel 2 I GG zu messen, der als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit auch das Recht des Lebenden schütze, Ort und Art seiner Bestattung zu bestimmen. Die Vorschrift des § 14 FG sei aber durch überwiegende und legitime Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt, ohne daß es dabei auf die Verhältnisse in einer dicht besiedelten Großstadt, auf die vom OVG erwähnte Verdrängung des Todesphänomens durch die moderne Gesellschaft und städtebauliche Planungen ankomme. Der Gesetzgeber habe die in Deutschland ganz überwiegende Bestattungsart, nach der Tote grundsätzlich auf besonders dafür gewidmeten Flächen beigesetzt werden, und die entsprechende Einstellung des größten Teils der Bevölkerung sowie die weitverbreitete gefühlsmäßige Abneigung gegen die Beisetzung von Aschenresten auf Privatgrundstücken in seine Erwägungen einbeziehen dürfen. Zudem sei die Totenruhe am besten auf öffentlichen Friedhöfen sichergestellt. Hinzu komme, daß auch dort individuellen Wünschen bei Bestattungsart, -formen und -feierlichkeiten, Grabstättengestaltung, Grabpflege und Totengedenken Rechnung getragen werden könne. Ausnahmesituationen könne nach § 14 S. 2 FG entsprochen werden. Für den Bf. sei aber eine derartige Lage nicht gegeben.

Die Verfassungsbeschwerde wurde zurückgewiesen.

Aus den Gründen:... B. I. 1. Nach § 14 FG sind Leichen und Aschenreste auf staatlichen oder kirchlichen Friedhöfen beizusetzen. Beisetzungen an anderen Orten sind nur in besonderen Fällen nach vorheriger behördlicher Genehmigung zugelassen. Diese Regelung berührt weder die Menschenwürde (Art. 1 I GG) noch die Glaubens- Gewissens- und Religionsfreiheit (Art. 4 I, II GG) des Bf.

Das grundsätzliche Verbot der Beisetzung außerhalb von Friedhöfen hindert allerdings den Menschen daran, zu seinen Lebzeiten den Ort seiner Beisetzung frei zu bestimmen. Damit ist die in umfassendem Sinne grundrechtlich gewährleistete menschliche Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) betroffen: denn die Vorsorge des Lebenden für die Zeit nach seinem Tod gehört zur allgemeinen Handlungsfreiheit des Menschen. Diese ist jedoch nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet; dazu gehört jede Rechtsnorm, die formell und materiell mit der Verfassung im Einklang steht (BVerfGE 6, 32[36ff] = NJW 1957 297; st. Rspr.: betr. Landesrecht vgl. BVerfGE 7, 111 [119 f] = NJW 1957, 1673 L und BVerfGE 41, 88 [116] = NJW 1976, 932). Dabei muß sich der einzelne diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen, die der Gesetzgeber zur Pflege des sozialen Zusammenlebens in den Grenzen des allgemein Zumutbaren zieht, vorausgesetzt, die Eigenständigkeit der Person bleibt gewahrt (BVerfGE 8, 274 [329] = NJW 1959, 475; BVerfGE 19, 93 [96] = NJW 1965, 2051).

Bei der Regelung der mit der Bestattung Verstorbener zusammenhängenden Fragen hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Das ergibt sich aus der Besonderheit der zu regelnden Materie, die einen starken sozialen Bezug hat und die die Handlungsfreiheit des Einzelnen nur geringfügig berührt. Dem Gesetzgeber stand es daher frei, sich grundsätzlich für den Friedhofszwang zu entscheiden und dabei Gründe, wie die Totenruhe, das sittliche Gefühl weiter Bevölkerungskreise sowie Bau- und Verkehrsplanung zu berücksichtigen.

2. § 14 S. 2 FG sieht eine Ausnahme vom Friedhofszwang vor, wenn ein "besonderer Fall" vorliegt. Nach seinem materiellen Gehalt handelt es sich um ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, das im Rechtsstaat als gesetzestechnisches Mittel nicht ausgeschlossen ist (BVerfGE 9, 83 [87] = NJW 1959, 523). Die Regelung entspricht unter Berücksichtigung der Eigenart des betroffenen Lebenssachverhalts auch dem Gebot der hinreichenden Bestimmbarkeit (vgl. BVerfGE 8, 274 [325] = NJW 1959, 475 st. Rspr.). Der Wunsch nach einer Bestattung außerhalb des Friedhofs entspringt ausschließlich den individuellen Vorstellungen und Wünschen des einzelnen, die für den Gesetzgeber nicht von vornherein erkennbar sind. Selbst wenn dieser verschiedene Ausnahmefälle gesetzlich beschrieben hätte, wären damit die denkbaren Fallagen nicht einmal annähernd angesprochen. Es muß daher als entscheidend gewertet werden, daß der Gesetzgeber im Interesse des einzelnen die Möglichkeit einer Ausnahme vom Friedhofszwang nicht ausgeschlossen hat und als Voraussetzung für diese Ausnahmegenehmigung den "besonderen Fall" fordert. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff wird vom Gesetzgeber seit jeher verwandt, um Ausnahmen vom Regelfall in komplexen Sachverhalten zu kennzeichnen. Seine Bedeutung in § 14 S. 2 FG kann nach Sinn und Zweck des Friedhofzwangs von der Verwaltung und den Gerichten ohne weiteres ermittelt werden, so daß in der Praxis mit ihm gearbeitet werden kann. Wenn allerdings ein "besonderer Fall" vorliegt, muß der Betroffene notwendigerweise einen Rechtsanspruch auf die Erlaubnis haben (vgl. BVerfGE 20, 150 [155] - NJW 166,1651). Für eine darüber hinausgehende Ermessensentscheidung der Behörde läßt Art. 2 I GG dann keinen Raum mehr.

II. Das BVerfG kann die auf der Anwendung verfassungsmäßiger Normen beruhenden gerichtlichen Entscheidungen nur beschränkt nachprüfen. Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind allein Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das BVerfG entzogen; nur bei einer Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht durch die Gerichte kann das BVerfG auf Verfassungsbeschwerde hin eingreifen (BVerfGE 18, 85 [92] = NJW 1964, 1715). Die Gerichte haben Bedeutung und Wirkungen der Grundrechte bei ihren Entscheidungen nicht verkannt. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, daß das OVG Hamburg und das BVerfG in der engen Verbundenheit des Bf.. zu seinem Grundstück keinen Grund gesehen haben, der eine Ausnahme vom allgemeinen Friedhofszwang nach § 14 FG gebietet. Der Bf. wird durch diese rechtliche Würdigung nicht in seinem Grundrecht aus Art. 3 I GG verletzt.

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