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      Grenzen der Zulässigkeit von Einschränkungen der Grabgestaltung in Friedhofssatzung
(hier: Verbot einer Vollabdeckung aus Stein auf einer Grabstätte)

GG Art. 2 I; HessFriedhofsG §§ 1, 3 1, 4 I

1. Der Schutzbereich des Grundrechts der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 1 GG) umfaßt das Recht, eine zur Nutzung überlassene Grabstätte nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Bestimmungen einer Friedhofssatzung, die diese Gestaltungsfreiheit einschränken, sind grundsätzlich nur zulässig, wenn und soweit sie sich im Rahmen der dem kommunalen Friedhofsträger vom Landesgesetzgeber übertragenen Regelungsbefugnis halten und die Gestaltungsbefugnis der Nutzungsberechtigten nicht unverhältnismäßig einschränken. Sind sie zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen und würdigen Bestattung nicht erforderlich, sind sie also vom Friedhofszweck 31 HessFriedhofsG) nicht mehr gedeckt, sondern dienen sie der zwangsweisen Durchsetzung bestimmter Gestaltungsvorstellungen des Friedhofsträgers, sind sie jedenfalls dann ungültig, wenn im Gemeindegebiet andere Friedhöfe oder Friedhofsteile ohne besondere Gestaltungsvorschriften nicht vorhanden sind.

2. § 26 III 1 der Friedhofssatzung der Landeshauptstadt Wiesbaden ist ungültig, da das ausnahmslos für alle öffentlichen Friedhöfe geltende Verbot von Vollabdeckungen aus Stein und anderen wasserundurchlässigen Werkstoffen nach den tatsächlichen Verhältnissen nicht erforderlich ist, um eine ordnungsgemäße Bestattung sicherzustellen.

3. Soweit durch die Vollabdeckung von Grabstätten der Leichenverwesungsprozeß tatsächlich verzögert werden sollte, ist der Friedhofsträger gehalten, die Wiederbelegungsfristen zu verlängern (§ 711 HessFriedhofsG).

VGH Kassel, Urt. v.22. 11. 1988 — 11 UE218/84

 

Zum Sachverhalt: Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob ein Friedhofsträger befugt ist, die vollständige Abdeckung einer Grabstätte mit einer Steinplatte generell nicht zuzulassen. Die Kl. ist Nutzungsberechtigte einer Reihengrabstätte des Südfriedhofs der bekl. Stadt Wiesbaden. 1982 beantragte die Kl. die Erteilung der Genehmigung für die Anbringung einer die Grabstätte in vollem Umfang abdeckenden Steinplatte. Die Bekl. lehnte den Antrag mit der Begründung ab, auf Grund der neugefaßten Bestimmung des § 26 III 1 der Friedhofssatzung vom 15. 6. 1982 dürften Gräber nur noch bis zu 40% ihrer Fläche mit liegenden Grabmalen oder Steinplatten abgedeckt werden. Zwar könne die Friedhofsverwaltung gem. § 26 VIII der Friedhofssatzung weiterhin bis zum 31. 3 1983 Ausnahmen zulassen, wenn die beantragte Abdeckung den Anforderungen der Friedhofssatzung vom 15. 7. 1965 entspreche und für ein Grab bestimmt sei, das sich im Zeitpunkt des lnkrafttretens der neugefaßten Friedhofssatzung in bereits belegten Friedhofsabteilen befinde. Im Falle der Kl. lägen indessen die Voraussetzungen dieser Übergangsregelung nicht vor, da das betreffende Reihengräberabteil neu angelegt worden sei und noch keine Abdeckplatten aufweise.Nach erfolglosem Widerspruch wies das VG die Klage ab. Die Berufung der Kl. hatte demgegenüber Erfolg.

Aus den Gründen: ... Die ablehnende Entscheidung der Bekl. schränkt das Grundrecht der Kl. auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 I GG) in unzulässiger Weise ein. Vom Schutzbereich dieses Grundrechts wird das Recht umfaßt, eine zur Nutzung überlassene Grabstätte nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Ihm ist angesichts des bestehenden Friedhofszwangs, d. h. der Pflicht, Verstorbene auf öffentlichen Friedhöfen zu bestatten (vgl. § 4 1 HessFriedhofsG), besonderes Gewicht beizumessen. Wird die Freiheit des Einzelnen in bezug auf die Gestaltung von Grabstätten eingeschränkt, bildet daher nach allgemeiner Meinung Art. 2 I GG den Prüfungsmaßstab (vgl. BVerwGE 17, 119 [120] = NJW 1964, 831; VGH Kassel, Urt. v. 17. 9. 1984 — 11 UE 671/84, S. 10 des Umdrucks; VGH Mannheim, DÖV 1988, 474 [475] m. w. Nachw.; Gaedke, Hdb. des Friedhofs- und BestattungsR, 5. Aufl., S. 62).

Die Bestimmung des § 26 III 1 der Ortssatzung über das Friedhofs- und Bestattungswesen der Landeshauptstadt Wiesbaden (Friedhofssatzung) vom 15. 6. 1982 — FriedhofsO —, die abweichend vom bisherigen Rechtszustand anordnet, daß Gräber nur bis zu 40 v. H. ihrer Fläche mit liegenden Grabmalen und Einfassungen oder anderen luft- und wasserundurchlässigen Werkstoffen abgedeckt werden dürfen, vermag der Gestaltungsfreiheit der Nutzungsberechtigten keine Grenzen zu setzen, da sie nicht zur

verfassungsmäßigen Ordnung i. S. des Art. 2 I GG gehört. Diese Satzungsbestimmung ist ungültig. Auf sie gestützte Maßnahmen, wie die hier in Rede stehende Entscheidung der Bekl., sind daher rechtswidrig. Das ausnahmslos für alle Friedhöfe der Bekl. geltende Verbot von Vollabdeckungen ist mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Hiermit hat die Bekl. die ihr vom Gesetzgeber eingeräumte Regelungsbefugnis überschritten. Zugleich beschränkt das Verbot in unzulässiger, weil unverhältnismäßiger Weise die durch Art. 2 I GG verfassungsrechtlich gewährleistete Gestaltungsfreiheit der Nutzungsberechtigten.

Nach § 111 HessFriedhofsG sind die Gemeinden verpflichtet, Friedhöfe anzulegen, zu unterhalten und zu erweitern, wenn hierfür ein öffentliches Bedürfnis besteht, und die Benutzung der Friedhöfe ,,nach Maßgabe dieses Gesetzes” durch Satzungen zu regeln. Inhalt und Umfang der den kommunalen Friedhofsträgern übertragenen Regelungsbefugnis sind vom Gesetzgeber durch die Festlegung des Friedhofszwecks in § 3 1 HessFriedhofsG in normativ verbindlicher Weise vorgegeben. Hiernach dienen Friedhöfe der Bestattung sowie der Pflege der Gräber im Andenken an die Verstorbenen. Die Regelungsbefugnis des Friedhofsträgers erstreckt sich mithin auf den Erlaß derjenigen Vorschriften, die erforderlich sind, um eine angemessene und geordnete Leichenbestattung sowie eine dem Gedanken an die Verstorbenen entsprechende würdige Gestaltung der Grabstätten zu gewährleisten. Dies bedeutet zugleich, daß der Satzungsgeber nur in diesem Rahmen befugt ist, das Grundrecht der Nutzungsberechtigten auf eine ihren eigenen und den Vorstellungen des Verstorbenen entsprechende Grabgestaltung zu beschränken. Zu weitergehenden, insbesondere zur Erreichung der vorgenannten Friedhofszwecke nicht erforderlichen, sondern bestimmten gestalterischen oder ästhetischen Vorstellungen dienenden Einschränkungen der Grundrechtsausübung ist er mangels entsprechender Ermächtigung grundsätzlich nicht befugt (vgl. Gaedke, S. 63, 158ff. m. w. Nachw.). Soll eine Friedhofsanlage geschaffen werden, für die über den Friedhofszweck hinausgehende, die Gestaltungsfreiheit der Nutzungsberechtigten einschränkende Bestimmungen für die Grabgestaltung gelten sollen, muß der Friedhofsträger auf anderen Friedhöfen oder Friedhofsteilen des Gemeindegebiets die Möglichkeit schaffen, daß die Nutzungsberechtigten eine ihren eigenen und den Vorstellungen des Verstorbenen entsprechende Grabgestaltung wählen können, ohne an besondere, zur Erreichung des Friedhofszwecks nicht erforderliche Gestaltungsbestimmungen gebunden zu sein (allg. M., vgl. BVerwG 17, 119 [121] = NJW 1964, 831; BVerwG, NVwZ 1987, 679; J/GH Kassel, Urt. v. 17. 9. 1984, 5. 11; OIG Koblenz, Urt. v. 19. 10. 1982, Umdr. S. 6; VGH Mannheim, DÖV 1988, 474 [475] m. w. Nachw.; Bay VeJGH, BayVBl 1981, 207 [208]; Gaedke, S. 172ff.). Demgemäß sehen die Mustersatzungen des Deutschen Städtetages vom 9. 3. 1966 (i. d. F. vom 13. 6. 1983) und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (Stand: April 1978) in §§ 19 bis 21 für Friedhöfe die Einrichtung von Abteilungen mit und Abteilungen ohne besondere Gestaltungsvorschriften sowie ein entsprechendes Wahlrecht der Nutzungsberechtigten vor. Die Bekl. hat abweichend von den vorgenannten Mustersatzungen und der Praxis zahlreicher Städte und Gemeinden den Nutzungsberechtigten ihrer Friedhöfe eine derartige Wahlmöglichkeit nicht eingeräumt. Unstreitig sind auf keinem der kommunalen Friedhöfe der Landeshauptstadt Wiesbaden Abteilungen ohne besondere Gestaltungsbestimmungen eingerichtet. Demgemäß vermögen nur diejenigen Bestimmungen ihrer Friedhofsordnung die Gestaltungsfreiheit der Nutzungsberechtigten zulässigerweise zu begrenzen, die erforderlich sind, um die in § 3 HessFriedhofsG bezeichneten Zwecke zu erreichen.

Bei Anwendung dieses Beurteilungsmaßstabs auf die umstrittene Satzungsbestimmung ergibt sich, daß das Verbot von Vollabdeckungen weder zur Wahrung der Würde des Friedhofs noch zur Sicherstellung einer geordneten Leichenbestattung erforderlich ist. Die Auffassung des Senats beruht auf folgenden Erwägungen:

Die Ermächtigung des Friedhofsträgers, die zur Wahrung der Würde des Friedhofs gebotenen und die Gestaltungsfreiheit der Nutzungsberechtigten nicht übermäßig einschränkenden Regelungen zu treffen, schließt zwar die Befugnis ein, von dem Friedhof solche Gestaltungsformen fernzuhalten, die nach allgemeiner Anschauung der Würde des Ortes abträglich oder sonstwie geeignet sind, Ärgernis zu erregen oder die Benutzer in ihren Empfindungen ernsthaft zu stören (vgl. BVerwGE 17, 119 [121] = NJW 1964, 831; OVG Koblenz, Urt. v. 19. 10. 1982, S. 5f. des Umdr.; Gaedke, S. 64, 159f. [169ff.]). Dabei ist nicht auf Vorstellungen einzelner oder die der Friedhofsverwaltung, sondern auf den sog. ,,gebildeten Durchschnittsmenschen” abzustellen (s. hierzu Gaedke, S. 169f.). Anhaltspunkte dafür, daß Vollabdeckungen aus Stein als solche die Würde des Friedhofs verletzen könnten, sind weder von der Bekl. vorgetragen worden noch sonstwie ersichtlich (vgl. auch Gaedke, S. 172). Selbst wenn es zutreffen sollte, daß die Mehrheit der Bevölkerung eine gärtnerische Gestaltung von Friedhöfen befürwortet, unterliegen abweichende Gestaltungswünsche dem Schutz des Art. 2 I GG, sofern sie nicht zu einer Verunstaltung der Grabstätte führen und andere Friedhofsbenutzer in ihrer Andacht stören. Da es sich mithin bei § 26 III 1 FriedhofsO um eine zur Wahrung der Würde des Friedhofs nicht erforderliche besondere Gestaltungsbestimmung handelte, wäre sie nur dann mit Art. 2 I GG vereinbar, wenn die Bekl. in einer anderen Abteilung desselben oder eines anderen Friedhofs in zumutbarer Weise die Möglichkeit eingeräumt hätte, Grabstätten mit Steinplatten voll abzudecken (vgl. BVerwGE 17, 119 [121] NJW 1964, 831; VGH Mannheim, DOV 1988, 474 [475]; BayVerfGH, BayVB1 1981, 207 [208]). Dies ist indessen — wie oben dargelegt — nicht der Fall.

Das von der Bekl. angeordnete generelle Verbot von Vollabdeckungen ist nach Auffassung des Senats aber auch nicht erforderlich, um eine geordnete Leichenbestattung auf den Friedhöfen der Bekl. sicherzustellen, wie es von ihr zur Rechtfertigung dieser neuen Regelung vorgetragen wird. Sie beruft sich insoweit darauf, Vollabdeckungen verlangsamten den Verwesungsprozcß, so daß damit gerechnet werden müsse, daß er nicht innerhalb der in § 1111 FriedhofsO festgelegten Wiederbelegungsfristen abgeschlossen wäre. Dies wiederum habe zur Folge, daß ein zusätzlicher Bedarf an Friedhofsflächen entstehen würde. Die Anlegung neuer oder die Erweiterung vorhandener Friedhöfe sei jedoch außerordentlich schwierig und mit erheblichen finanziellen Aufwendungen verbunden. Die von der Bekl. vorgetragenen Gründe vermögen den Senat nicht zu überzeugen.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Argumentation der Bekl. in Widerspruch zu geltendem Recht steht: Nach § 7 II HessFriedhofsG sind die Ruhefristen unter Berücksichtigung der Vcrwesungsdauer festzusetzen. Der Gesetzgeber hat mithin entschieden, daß die Verwesungsdauer als konstante und die Ruhefristen als variable Größe zu behandeln sind. Stellt sich heraus, daß die geltenden Ruhefristen nicht ausreichen, um eine vollständige Verwesung sicherzustellen, ist der Friedhofsträger verpflichtet, die Ruhefristen entsprechend zu verlängern und gegebenenfalls die vorhandenen Friedhofsflächen zu erweitern (§ 1 II HessFriedhofsG).

Des weiteren hat die Bekl. in bezug auf ihre Behauptung, bei Zulassung von Vollabdeckungen müßten die Ruhefristen verlängert werden, so daß zusätzlicher Flächenbedarf entstehe, nicht einmal ihrer Darlegungspflicht genügt. Erst recht hat sie nicht vor Änderung der Friedhofssatzung — wie es geboten gewesen wäre (vgl. OVG Miinster, Dt. Friedhofskultur 1978, 208f.; Gaedke, S. 172) — durch Einholung eines hydrogeologischen Gutachtens die Auswirkungen von Vollabdeckungen auf den Verwesungsprozeß unter Berücksichtigung der Bodenbeschaffenheit der einzelnen Friedhöfe feststellen lassen. Das von ihr angeordnete Verbot beruht vielmehr auf nicht durch Tatsachen belegten Mutmaßungen (Wird dargelegt.)

Bei dieser Sachlage besteht für den Senat kein Anlaß zu weiterer Sachaufklärung. Insbesondere besteht kein Grund dazu, den Vermutungen der Bekl. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzugehen, zumal die Frage einer eventuellen Verlängerung der Verwesungsdauer für den Ausgang des Verfahrens unerheblich ist. Denn selbst wenn sich die Verwesungsdauer tatsächlich infolge der Abdeckung mit Steinplatten verlängern würde, wäre hiermit noch nicht geklärt, ob dies zu einer Verlängerung der bestehenden Ruhefristen und letztlich zu einer Überbelegung sämtlicher Friedhöfe der Bekl. fuhren würde. Zunächst ist die Bekl. — wie bereits dargelegt — gesetzlich zur Bereitstellung ausreichender Friedhofsflächen nach Maßgabe der Belegung und der Verwesungszeiten verpflichtet. Darüber hinaus hat sie nicht durch Tatsachen belegt, daß die Verwesungsdauer bei Erdgrabstätten die in § 1111 FriedhofsO festgelegten Ruhefristen in vollem Umfang in Anspruch nimmt. Ihr unspezifizierter Hinweis auf das gelegentliche Auffinden von Leichenresten nach Ablauf der Ruhefristen genügt insoweit nicht. Außerdem hat die Bekl. den substantiierten Vortrag der Kl. unwidersprochen gelassen, es stünden genügend unbelegte Friedhofsflächen zur Verfügung, um selbst bei geringfügiger Verlängerung der Ruhefristen eine geordnete Leichenbestattung zu gewährleisten. Bei dieser Sachlage ist das von der Bekl. angeordnete generelle Verbot von Vollabdeckungen nicht erforderlich, um eine geordnete Leichenbestattung im Gemeindegebiet sicherzustellen.

Zu Unrecht beruft sich die Bekl. zur Rechtfertigung ihrer Satzungsänderung auf das Urteil des OVG Münster, Dt. Friedhofskultur 1978, 208. Im Unterschied zum vorliegenden Fall hatte der dortige Friedhofsträger vor der Änderung der Friedhofssatzung durch Einholung eines breit angelegten geologischen Gutachtens klären lassen, daß auf Grund der besonderen Bodenbeschaffenheit der dortigen Friedhöfe sich die Verwesungsdauer bei voll abgedeckten Gräbern verlängern würde und die geltenden Ruhefristen nicht mehr ausreichten. Ein derartiges Gutachten hat die Bekl. im vorliegenden Fall indessen nicht eingeholt. § 26 III 1 FriedhofsO ist daher wegen Fehlens der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage ungültig. Somit fehlt es an einer Rechtsgrundlage für die Versagung der Genehmigung des Antrags der Kl. Da im übrigen die Voraussetzungen des § 23 FriedhofsO vorliegen, ist die Bekl. verpflichtet, dem Antrag der Kl. stattzugeben.

Abschließend weist der Senat darauf hin, daß der Bekl. die Möglichkeit bleibt, künftig Abteilungen mit und solche ohne besondere Gestaltungsvorschriften einzurichten und bei ersteren die Voll- abdeckung von Grabstätten mit Steinplatten zu untersagen. Damit kann sie die bei ihr ausweislich des Inhalts des von ihr vorgelegten Verwaltungsvorgangs ,,Grababdeckung Satzungsänderung 1974” durchaus vorhandenen gestalterischen Vorstellungen auf einigen Friedhöfen insgesamt und im übrigen auf einzelnen Friedhofsteilen zur Geltung bringen, ohne den Nutzungsberechtigten die Möglichkeit zu nehmen, ihre Grabstätten nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Außerdem wird auf diese Weise der Tatsache Rechnung getragen, daß es Menschen gibt, die — wie im vorliegenden Fall die Kl. — im Hinblick auf ihr Alter, ihren auswärtigen Wohnsitz und ihre finanzielle Situation nicht in der Lage sind, eine gärtnerische Grabpflege selbst oder durch einen Gärtnereibetrieb sicherzustellen, selbst wenn sie dies einer (pflegeleichten) Steinabdeckung vorziehen würden.

Im übrigen hält der Senat zur Vermeidung künftiger Rechtsstreitigkeiten den Hinweis für geboten, daß die Bekl. die Senatsentscheidung zum Anlaß nehmen sollte, ihre Friedhofssatzung zu novellieren. Abgesehen von Ungereimtheiten, wie z. B. der Anwendbarkeit des Vollabdeckungsverbots auf Grüfte und Urnengräber, dürfte eine Vielzahl der in den §§ 23 bis 32 FriedhofsO enthaltenen gestalterischen Bestimmungen weder zur Wahrung der Würde des Friedhofs noch zur Sicherstellung einer geordneten Bestattung, einschließlich des Aspekts der Gefahrenabwehr, erforderlich sein, soweit sie überhaupt diesen Zielen zu dienen bestimmt sind.

(Mitgeteilt von der Veröffentlichungskommission des VGH Kassel)

 

Anm. d. Schriftltg.: Zur Zulässigkeit grundrechtsbeschränkender Regelungen in Friedhofssatzungen kommunaler Friedhöfe vgl. auch VGH Kassel, NVwZ 1988, 847; H. Weber, NVwZ 1987, 641; zu kirchlichen Friedhöfen ders., ZevKR 33 (1988), 15ff.
 

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