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VERWALTUNGSGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

                                                                      Verkündet  am 4. September 2000
                                                                                        Bregulla Verwaltungsangestellter
                                                                                        als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
23 K 2315/98

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

1. des Herrn Bernd Bruns,
2. der Frau Annette Bruns, beide wohnhaft: Dagobertstraße 2
     40225 Düsseldorf,
                                                                                                                                  Kläger,

g e g e n

das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch das Ministerium für Frauen, Jugend, 
       Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen, 40190 Düsseldorf,
       GZ: 1 C 1  - 1439  - B 496,

                                                                                                                                  Beklagten,

w e g e n   Bestattungs- und Friedhofsrechts

hat die 23. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 4. September 2000

durch
Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Kaminski
Richterin am Verwaltungsgericht Sterzenbach
Richterin am Verwaltungsgericht Schatton
ehrenamtliche Richterin Ingrid Just
ehrenamtlichen Richter Fritz Mund

für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

T a t b e s t a n d :

Die Kläger, ein Ehepaar,  wenden sich gegen die Bestimmung des § 9  des Gesetzes über die Feuerbestattung vom 15. Mai 1934 (FeuerbestG).

Der Kläger zu 1) wandte sich mir Schreiben vom 24. Januar 1998 an das Land Nordrhein-Westfalen, in dem er seinen Willen kundtat, dass nach seinem Tod seine aus der Feuerbestattung resultierenden Aschenreste seiner Ehefrau zur Aufbewahrung ausgehändigt werden sollten. Da dies nach dem geltenden Recht nicht möglich sei, wolle er das diesbezüg1iohe  landesgesetzliche Recht durch Gerichte überprüfen lassen. Er bat daher um einen rechtsmittelfähigen Bescheid.

Mit Schreiben vom 4. Februar 1998 wies das beklagte Land den Kläger zu 1) darauf hin, dass nach § 9 FeuerbestG die Ordnungsbehörde des  Einäscherungsortes in  besonderen Fällen Ausnahmen vom Bestattungszwang genehmigen könne.  Auf einen entsprechenden Antrag hin werde er von der Ordnungsbehörde des Einäscherungsortes einen Bescheid mit Rechtsmittelbelehrung erhalten.

Mit Schreiben vom 26. Februar 1998 beantragte der Kläger zu 1) und mit  Schreiben vom 17. April 1998 die Klägerin zu 2) beim Ordnungsamt der Stadt Düsseldorf jeweils eine Ausnahmegenehmigung vom Bestattungszwang unter Bezugnahme auf § 9 Abs. 3 FeuerbestG . Mit Bescheiden vom 11. Februar 1998 und 14. Mai 1998 lehnte der Oberstadtdirektor  der Stadt Düsseldorf die Erteilung der beantragten Ausnahmegenehmigungen ab. Die Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung nach § 9 Abs. 3 des FeuerbestG seien nur gegeben, wenn gemessen am Sinn und Zweck des Friedhofszwangs eine Einhaltung für die Betroffenen unzumutbar und unverhältnismäßig sei. Eine solche Ausnahmesituation sei bei den Klägern nicht erkennbar.

Gegen diese Bescheide legten die Kläger jeweils Widerspruch ein, den die Bezirksregierung Düsseldorf mit Widerspruchsbescheiden vom 24. August 1998 als unbegründet zurückwies.

Am 3. Juni 1998 meldete der Kläger zu 1) beim Oberstadtdirektor der Stadt Düsseldorf eine gewerbliche Tätigkeit an und zwar wie folgt: "Transport von Totenaschen sowie das Ausstreuen der Aschen oder die Beisetzung von Urnen auf Privatgrundstücken; Herstellung von Reliquien”. Inhalt dieser Tätigkeit sollte zum einen sein, Totenaschen in ausländischen Krematorien mir Vollmacht der Angehörigen in Empfang zu nehmen und  als Kurier zum gewünschten Ort zu transportieren und zum anderen die Aschen von im EG-Ausland kremierten Leichen im Auftrag der Angehörigen durch Vermischung mit anderen Komponenten und anschließender Verarbeitung zu festen homogenen Körpern zu gießen oder künstlerisch zu gestalten. Der Oberstadtdirektor der Stadt Düsseldorf bescheinigte gemäß § 15 Abs. 1 der Gewerbeordnung zunächst den Empfang der Anzeige. Durch Ordnungsverfügung von 29. Juni 1998 untersagte er die angezeigte Gewerbeausübung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden. Ein hiergegen gerichtetes Begehren des Klägers zu 1) auf einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht Düsseldorf  - 3 L 32 65/98 - hatte keinen Erfolg.

Der  Kläger zu 1) wies das beklagte Land mit Schreiben vom 13. Juni 1998 darauf hin, dass ihm vom Oberstadtdirektor der  Stadt Düsseldorf die Ausübung der o.g. Gewerbetätigkeit gestattet worden sei. Mit Schreiben vom 18. Juni 1998 teilte das Land daraufhin mit, dass nach § 9 FeuerbestG die Aschenreste jeder Leiche in einer Urnenhalle, einem Urnenhain, einer Urnengrabstätte oder in einem Grab beizusetzen seien. Dies gelte für alle Bestattungen in Nordrhein-Westfalen, auch für in den Niederlanden Kremierte, deren Totenaschen im Gebiet des Landes Nordrhein-Westfalen verbleibe. Ebenso gelte dies auch für Vermischungen der Totenasche mit anderen Stoffen zum Zwecke der Aufbewahrung der Totenasche. Weiterhin wies das Land in diesem Schreiben darauf hin, dass die Gewerbemeldestelle Düsseldorf einen Abdruck des Schreibens erhalte.

Die Kläger haben am 17. März 1998 die vorliegende Feststellungsklage erhoben.

Zur Begründung machen sie geltend:

Sie hätten das Recht, Art und Ort ihrer Bestattung selbst zu bestimmen. Dieses Recht sei Teil ihrer durch Art. 2 Grundgesetz (GG) geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit. Dem stehe nicht entgegen, dass Träger dieses Grundrechts nur die lebende Person sein könne, denn es gehe um ihr Recht, für die Zeit nach ihrem Tode hinsichtlich ihrer Bestattung Vorsorge treffen zu können. Die zu dieser Thematik ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts stammten aus den Jahren 1974 und 1979; seitdem hätten sich die vorherrschenden allgemeinen Welt- und Verkehrsanschauungen erheblich geändert, sodass die damals entscheidungserheblichen Gründe teilweise entfielen. Zudem werde der im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Sachverhalt von dieser höchstrichterlichen, über zwanzig Jahre alten Rechtsprechung nur punktuell tangiert und sei mit der damals entschiedenen Streitsache nicht vergleichbar. Anders als bei der Erdbestattung von Leichen bedürfe es für die Aufbewahrung menschlicher Asche innerhalb einer Urne im grundgesetzlich besonders geschützten Bereich der Wohnung oder für eine Beisetzung im eigenen Garten keiner zwingenden staatlichen Regelung. Es stelle keine Verletzung der Pietät oder der menschlichen Würde dar, wenn die Urne auf einem Ehrenplatz in der Wohnung oder im Garten stehe. Vielmehr könne die Nähe zur Restsubstanz des Verstorbenen mit ihrem reliquienhaften Charakter Hilfe bei der Trauerbewältigung liefern. Es seien auch keine negativen Auswirkungen auf die ,,Gefühlswelt” vieler Bürger oder ,,psychische Belastungen eines nicht unerheblichen  Teils der Bevölkerung” zu erwarten, da sich die Empfindungen der Bevölkerung betreffend den Tod und Leichen in den letzten Jahren entscheidend geändert hätten. Ein eindrucksvoller Indikator hierfür sei der überwältigende Erfolg der Ausstellung  ,,Körperwelten”.

Durch § 9 FeuerbestG werde auch ihr Eigentumsrecht und das ihrer nächsten Angehörigen an der Urne und an der Asche, das durch Art. 14 GG geschützt sei, verletzt. Sie hätten das Recht, zu Lebzeiten zu bestimmen, daß ihr Eigentum nach ihrem Tod auf die von ihnen bestimmten Erben übergehe. Zu ihrem Eigentum gehörten ohne Zweifel primär auch ihre eigenen Körper. Daraus folge ihr Recht, für den Fall ihres Todes auch ihren dann entseelten Körper zu vererben. Durch die Vererbung der Leiche habe diese einen Eigentümer und werde zu einem Gegenstand des Rechtsverkehrs; sie verliere den besonderen Schutz vor einer ,,Störung der Totenruhe”. Der ,,Schutz der Totenruhe” und die ,,Pietät” stünden damit den von ihnen mit der Klage verfolgten Wünschen und Zielen nicht mehr entgegen. Werde dem Eigentümer der Asche durch eine Zwangsbeisetzung das Eigentum entzogen, handele es sich dabei um eine gesetzlich nicht begründete Zwangsenteignung.

Durch den Beisetzungszwang auf Friedhöfen würden die Urnen mit den Aschen zwangsweise einem unerwünschten Verrottungsprozess zugeführt mit der Folge einer Schädigung und schließlich sogar einem endgültigen Verlust ihrer Substanz. Anders als bei einer Erdbestattung einer Leiche sei dies aus überwiegenden öffentlichen Interessen nicht erforderlich. Vielmehr werde dadurch ihr Bestimmungsrecht und das Recht ihrer Angehörigen als Eigentümer, auf den Zeitpunkt der Verrottung  Einfluss zu nehmen, verletzt.

In anderen EG-Länden sei die Aushändigung der Urne an die Hinterbliebenen bereits seit langem selbstverständlich. Es gebe auch in Nordrhein-Westfalen keine straf- oder bußgeldbewehrte Rechtsnorm für den Fall, dass der Beisetzungszwang missachtet werde. Daher könnten Leichen legal in einen Nachbarstaat zur Kremierung überführt werden. Die dort an die Angehörigen ausgehändigte Asche könne dann von ihnen über die offene Grenze nach Hause transportiert und - ohne eine Sanktion befürchten zu müssen - dort aufbewahrt werden. Es bestehe aber Feststellungsbedarf, ob ein solches Ausweichen ins Ausland zwecks Kremierung und der damit verbundene erzwungene Aus- und Umweg für die Angehörigen nicht gegen die durch Art. 1 GG geschützte Menschenwürde verstoße. Zweifelhaft sei auch bereits, ob § 9 FeuerbestG überhaupt Rechtswirkungen auf den Umgang mit Asche haben könne, die durch Kremierung außerhalb der BRD erzeugt und dann in den Einflussbereich des beklagten Landes verbracht  worden sei. Denn aus der Entstehungsgeschichte des Feuerbestattungsgesetzes ergebe sich, dass ausschließlich die Verfahrensweise beim Umgang mit Leichen geregelt werden sollte, die im Reichsgebiet kremiert worden seien.

Aus der Entstehungsgeschichte des Feuerbestattungsgesetzes ergebe sich ein weiterer klagebegründender Aspekt: Sie selbst seien aus tiefster Überzeugung Antifaschisten. Diese Überzeugung sei durch Art. 4 GG geschützt und mache es für sie unzumutbar, dass über ihre Aschen auf der Rechtsgrundlage eines Gesetzes entschieden werde, das im Dritten Reich entstanden sei.

Das Bundesverwaltungsgericht sei in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1974 davon ausgegangen, dass ,,angesichts der Freiheitsgewährleistung des Art. 1 GG den individuellen Wünschen hinsichtlich Bestattungsart, -formen und -feierlichkeiten, Grabgestaltung, Grabpflege und Totengedenken auch auf öffentlichen Friedhöfen Rechnung getragen werden muss”. Die Friedhofsrealität sehe aber leider so aus, dass diese Freiheitsgewährleistung gegen Null tendiere, da es zahllose Beschränkungen und Bevormundungen gebe. So dürfe die Urne zu keiner Zeit, also auch nicht kurzzeitig, den Angehörigen ausgehändigt werden, etwa damit sie den Transport zur Beisetzungsstätte selbst vornehmen könnten.

Bei einer erzwungenen Urnenbeisetzung gegen ihren Willen oder den ihrer Tochter seien dazu auch noch völlig überzogene Zwangsgebühren zu entrichten, die offenbar willkürlich festgesetzt werden könnten. So seien beispielsweise in Düsseldorf Urnenwahlgrabstätten sogar teurer als Wahlgrabstätten für Erdbestattungen, obwohl bei ersteren erheblich weniger Fläche in Anspruch genommen werde.

Auf öffentlichen Zwangsfriedhöfen fürchteten sie auch um die Sicherheit der Totenasche. Durch die Zwangsbeisetzung werde dem überlebenden Kläger bzw. der überlebenden Klägerin das Grundrecht genommen, das für sie höchst wertvolle Eigentum adäquat vor Diebstahl und Schändung zu schützen. Die Aufbewahrung der Urne im unmittelbaren Einflussbereich des Eigentümers sei wesentlich sicherer als bei der Bestattung auf ,,besonders gewidmeten Flächen unter dem besonderen Schutz der Öffentlichkeit”

Auch die Bestrebungen des beklagten Landes, die Sicherheit der Rechtspflege zu gewährleisten, stehe ihrem Begehren nicht entgegen. Sie wollten ihre Aschen den u.U. behördlich für nötig erachteten Beweiserhebungen und  anderen gebotenen Untersuchungen staatlicher Organe keinesfalls entziehen. Dem Land sei es unbenommen und zumutbar, sich vor der Aushändigung der Aschen an Angehörige zu diesen Zwecken eine Probe der Substanzen zu sichern und in seinem Einflussbereich zu verwahren. Dazu seien allerdings die Aschenreste nicht in ihrer Vollständigkeit erforderlich. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen reiche hierzu die Substanzmenge von einem Gramm Asche aus. Bei den in Nordrhein-Westfalen genehmigungsfähigen Seebestattungen gingen die von den Behörden für unverzichtbar erklärten späteren Untersuchungsmöglichkeiten an Aschen auch für immer verloren.

§ 9 Abs. 3 des FeuerbestG sehe eine Ausnahme vom Friedhofszwang vor, wenn ein besonderer Fall vorliege. Nach ihren Recherchen habe es im Bereich des beklagten Landes bisher nur einen Fall einer Ausnahmegenehmigung gegeben und zwar bei einem prominenten Kölner Bürger. Für ,,Normalbürger” ohne Einfluss und Reichtum sei es unmöglich einen Ausnahmefall zu begründen, was einen Verstoß gegen Art. 3 GG darstelle. Selbst wenn ihren Anträgen auf eine Ausnahmegenehmigung stattgegeben worden wäre, hätte diese nur Geltung innerhalb der Grenzen der Stadt Düsseldorf. Dies hätte zur unverhältnismäßigen Konsequenz, dass sie künftig gehindert wären von ihrem Grundrecht auf Freizügigkeit (Art. 11 GG) Gebrauch zu machen. Denn ein Wohnortwechsel hätte faktisch zur Folge, dass sie bei der dann zuständigen Behörde erneut einen Antrag auf Ausnahmegenehmigung stellen müssten. § 9 Abs. 3 FeuerbestG sei daher auch deshalb rechtswidrig, weil eine Ausnahmegenehmigung nicht mit Wirkung für den gesamten Geltungsbereich des Gesetzes erteilt werden könne.

Zwischen ihnen und dem beklagten Land bestehe zweifelsohne ein Rechtsverhältnis i.S.v. § 43 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) , denn auch künftige Rechtsverhältnisse könnten Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Post mortem, also wenn das Rechtsverhältnis konkret bestehe, sei ihnen die Möglichkeit genommen, das Verwaltungsgericht noch um Rechtsschutz zu ersuchen.

Zudem sei der Kläger zu 1) Adressat eines offiziellen amtlichen Schreibens des beklagten Landes vom 4. Februar 1998; die in diesem Brief vorgetragene strittige Rechtsansicht sei ebenfalls Gegenstand der Klage, sodass auch durch diesen Schriftverkehr ein Rechtsverhältnis zum beklagten Land entstanden sei.

Die Kläger beantragen,

es wird festgestellt:

      1. Die Beklagte ist verpflichtet, unverzüglich nach Kremierung eines verstorbenen Klägers innerhalb ihrer Landesgrenzen, die behördliche Herausgabe folgender Sachen zu gewährleisten:

      A) Die im Todesfall des Klägers zu 1) aus der Verbrennung seiner Leiche resultierende Asche in einer Urne an die Klägerin zu 2) oder - für den Fall, dass diese dann bereits verstorben ist - an die eheliche Tochter der Kläger;

      B) die im Todesfall der Klägerin zu 2) aus der Verbrennung ihrer Leiche resultierende Asche in einer Urne an den Kläger zu 1) oder - für den Fall, dass dieser bereits verstorben ist - an die eheliche Tochter der Kläger;

      und zwar nur unter den einschränkenden Voraussetzungen, dass diese Aschen

        a)    die festgelegten Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung in der jeweils geltenden Fassung nicht überschreiten,

      und/oder

        b)    nicht im Rahmen eines anhängigen Ermittlungsverfahrens der Sicherstellung nach § 94 Satz 1  StPO als Beweismittel unterliegen;

      II. die Beklagte ist nicht berechtigt, durch Gesetz zu bestimmen, dass die Urnen der Kläger - gegen ihren Willen und den ihrer Tochter - auf einem kirchlichen oder kommunalen Friedhof beigesetzt werden müssen;

      III. Totenasche kann - entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten - persönliches Eigentum eines erbenden Angehörigen werden;

      IV. das Bestattungsrecht des beklagten Landes ist offenbar auch verfassungswidrig, soweit es den Klägern unzulässig verwehrt, dass die Aschenreste des zuerst verstorbenen Klägers dem/der Hinterbliebenen zum eigenhändigen Transport zur Beisetzungsstätte auf einem Friedhof überlassen werden.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es trägt hierzu vor:

Die Klage sei bereits unzulässig, weil die Kläger ihr Begehren mit einer Leistungsklage gegen die zuständige Stadt Düsseldorf verfolgen könnten.

Das beklagte Ministerium sei keine Ordnungsbehörde und könne deshalb die nach § 9 Abs. 3 FeuerbestG begehrte Befreiung nicht erteilen. Deshalb habe es mit Schreiben vom 4. Februar 1998 die Kläger an die Ordnungsbehörde des Einäscherungsortes verwiesen mit dem Hinweis, diese Behörde werde ihrer Entscheidung einen Rechtsmittelbescheid beifügen.

Die von den Klägern gewünschte Rechtsnormenänderung unterliege der politischen Entscheidung des Gesetzgebers und sei nicht einklagbar.

§ 9 FeuerbestG diene dem Schutz der Totenruhe und gelte für alle auf dem Gebiet des Landes Bestatteten. Es komme nicht darauf an, ob sie außerhalb des Landes eingeäschert worden seien. Eine Einäscherung im Ausland könne nicht zur Folge haben, dass die anschließende Bestattung in Nordrhein-Westfalen nach ausländischen Vorschriften durchzuführen sei. Auch die Vermischung mit Material der vom Kläger beabsichtigten Gedenkzeichen diene der Aschenaufbewahrung und befreie nicht von der Friedhofspflicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten Landes und des Oberbürgermeisters der Stadt Düsseldorf Bezug genommen.
 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist unzulässig.

Die Kläger können von dem beklagten Land die von ihnen begehrten Feststellungen nicht verlangen.

Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage u. a. die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage) . Unter einem Rechtsverhältnis in diesem Sinne sind die aus einem konkreten Sachverhalt auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Rechtsnorm sich ergebenden rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache zu verstehen,

      vgl. BVerwG, Urteil vom 3.6.1962, BVerwG VII C 78.61, BverwGE 14, 235.

Hinsichtlich des Klageantrages zu 1. fehlt es an einem solchen Rechtsverhältnis der Kläger gerade zum beklagten Land.

Die begehrte Herausgabe der Asche an den jeweils Überlebenden richtet sich nach § 9 FeuerbestG. Dieses Gesetz gibt dem beklagten Land keinerlei Zuständigkeiten, sondern sieht in § 9 Abs. 3, soweit es um eine Ausnahme von Bestattungszwang geht, ein Vorgehen der Ordnungsbehörde des Einäscherungsortes vor. Wenn das Gesetz aber kein behördliches Vorgehen des beklagten Landes vorsieht, mithin eine vom Land zu treffende hoheitliche Regelung überhaupt nicht in Betracht kommt, fehlt es insoweit an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis der Kläger zum beklagten Land,

    vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 7.5.1991 - 9 S 2482/90 -, NJW 1991, 2365; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO , Stand Januar 2000, § 43 Rn. 10.

Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.v. § 43 VwGO ergibt sich - entgegen der Ansicht der Kläger - auch nicht aus dem Schreiben des beklagten Landes vom 4. Februar 1998. Denn darin verweist das Land die Kläger gerade an die zuständige Behörde des Einäscherungsortes und auf die Möglichkeit, von dieser einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erhalten.

Der Klageantrag zu II. ist schon nach seinem Wortlaut nicht auf die Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses im oben genannten Sinne gerichtet, sondern die Kläger begehren hiermit die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage. Klagebegehren, die im Ergebnis darauf hinauslaufen, die Rechtmäßigkeit einer Norm zum eigentlichen Gegenstand eines Verwaltungsstreitverfahrens zu machen, sind aber, soweit es sich nicht um Verfahren nach § 47 VwGO handelt, unzulässig. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Klage zwar mit der Ungültigkeit einer zu Grunde liegenden Norm begründet wird, die begehrte Feststellung aber ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen Kläger und Beklagtem betrifft,

      vgl. BVerwG, Urteil vom 9. 12. 1982,  5 C 103/81,  NJW 1983 2208, 2209.

Legt man den Klageantrag zu II. daher zu Gunsten der Kläger dahingehend aus, dass diese gegenüber dem Land die Feststellung begehren, dass ihre Urnen nach ihrem Tod nicht auf einem kirchlichen oder kommunalen Friedhof beigesetzt werden müssen, so handelt es sich der Sache nach um eine Befreiung vom Bestattungszwang nach § 9 Abs. 3 FeuerbestG. Da das beklagte Land zur Erteilung dieser Ausnahmegenehmigung nicht berechtigt ist, fehlt es insoweit, wie oben ausgeführt, an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis zwischen den Klägern und den beklagten Land.

Mit dem Klageantrag zu III. begehren die Kläger allein die Klärung einer abstrakten zivilrechtlichen Rechtsfrage. Aus den o.g. Gründen kann dies aber nicht Gegenstand einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO sein.

Bei Auslegung des Antrags dahingehend, dass die Kläger die Feststellung begehren, ihre Totenasche werde persönliches Eigentum des erbenden Angehörigen und müsse diesem daher im Sinne ihres Antrags zu 1. ausgehändigt werden, fehlt es mangels entsprechender Verwaltungskompetenz des Landes wiederum an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis gerade zum beklagten Land.

Mit dem Klageantrag zu IV. begehren die Kläger die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Bestattungsrechts des beklagten Landes, soweit es ihnen den eigenhändigen Transport von Totenasche zum Beisetzungsort verwehrt. Auch hierbei handelt es sich um einen außerhalb von § 47 VwGO  unzulässigen Antrag auf abstrakte Normenkontrolle.

Sollte es sich hierbei um einen Antrag auf Feststellung handeln, dass die Aschenreste des zuerst verstorbenen Klägers bzw. der Klägerin dem bzw. der Hinterbliebenen zum eigenhändigen Transport zur Beisetzungsstätte ausgehändigt werden dürfen, so geht es der Sache nach um eine Ausnahme von der Vorschrift des § 10 Abs. 3 der Verordnung zur Durchführung des Feuerbestattungsgesetzes  i.V.m. § 10 FeuerbestG. Hiernach ist die Aushändigung der Aschenreste an die Angehörigen oder Beauftragte - auch zum Zwecke des Transports - vorbehaltlich der Ausnahme im § 9 Abs. 3 FeuerbestG nicht zulässig. Wie bereits oben ausgeführt, ist für die Erteilung einer solchen Ausnahme die Ordnungsbehörde des Einäscherungsortes zuständig. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.v. § 43 VwGO zum beklagten Land besteht auch insoweit nicht.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beantragt werden. Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster.

Die Berufung ist nur zuzulassen,

1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land   
    Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten
    Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser 
    Abweichung  beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht
    wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf  (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 23 08 60, 40105 Düsseldorf) zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen.

Bei der Antragstellung muss sich jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen (§ 67 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 VwGO). Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 1 Sätze 4 bis 7 VwGO wird hingewiesen.

Die Antragsschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden.

Kaminski                                           Sterzenbach                                                 Schatton

 

B e s c h l u s s
 

Der Streitwert wird auf 8.000,00 DM festgesetzt.

G r ü n d e :

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 Gerichtskostengesetz (GKG)

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.

Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 100,- DM nicht übersteigt.

Die Beschwerdeschrift soll möglichst dreifach eingereicht werden.

Kaminski                                                Sterzenbach                                            Schatton

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Die Verwaltungsrundschau veröffentlichte im Juli 2000 ein rechtlich gut begründetes
Plädoyer für die Aufhebung des Friedhofszwangs bei Feuerbestattungen. Autor ist der namhafte Fachjurist des Bestattungswesens, Dr. jur. Tade Spranger, wissen- schaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bonn. Spranger veröffentlichte bereits seine Dissertation über das restriktive deutsche Friedhofsrecht, die in Fachkreisen und in  den Medien - beispielsweise auch im SPIEGEL - große Beachtung fand.
Spranger stützt mit seinen rechtlich gut fundierten Argumenten zur Aufhebung des Friedhofszwangs bei Feuerbestattungen wesentliche Teile der hier veröffentlichten Klage.


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