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Sind viele Friedhofssatzungen verfassungswidrig?

Eine Rezension von Christoph Sattler

Bereits der Titel der Dissertation des Bonner Juristen Tade Matthias Spranger deutet die Richtung an: Um "Beschränkungen" des kommunalen Satzungsgebers beim Erlaß von Vorschriften zur Grabgestaltung geht es.

Spranger (Jahrgang 1971) ist ein gründlicher Denker und schlägt die Friedhofsbüro- kraten mit ihren eigenen (juristischen) Waffen, wenn er ihnen in weiten Teilen die Verfassungswidrigkeit geltender kommunaler Friedhofssatzungen nachweist. Spranger versteht dabei die Grundrechte in erster Linie als Freiheitsrechte des Bürgers gegenüber dem Staat, was auch von der sog. "herrschenden (juristischen) Meinung" anerkannt wird. Seine Dissertation entspricht dem Denken einer jüngeren Generation, die sich immer weniger staatlich bevormunden lassen will, wo dies nicht aus zwingenden sachlichen Gründen unumgänglich ist.

Vom Friedhofsrecht werden wir alle einmal betroffen sein bzw. unsere Hinterbliebenen. Schon jetzt existieren rund 28.000 kommunale Friedhöfe mit knapp 30 Millionen Gräbern. Sprangers Abhandlung betrifft die Rechtssituation auf kommunalen und kirchlichen Monopolfriedhöfen. Die Alternative: Selbst einen Friedhof beantragen. Doch der ist genehmigungspflichtig, wie fast alles in Deutschland. Es wäre interessant zu wissen, wie viele Anträge gestellt wurden und mit welchem Ergebnis.

Jeder wird einsehen, daß eine staatliche Regelungsbefugnis auf Friedhöfen bestehen muß, wenn es um Fragen der Hygiene oder der Sicherheit (z. B. Standfestigkeit von Grabsteinen) geht. Aber ist es nicht befremdlich, wenn der kommunale Satzungsgeber den Friedhofsnutzern seine ästhetischen Vorstellungen aufzwingen will? Das findet keine Stütze im Grundgesetz, an dem letztlich alle staatlichen Normen zu messen sind, auch Friedhofssatzungen.

Hier sollen nur einige Beispiele "bürokratischer Regelungswut" ("Spiegel") heraus- gegriffen werden: Welche sachliche Rechtfertigung gibt es für das "Politurverbot" oder das "Verbot schwarzer oder weißer Grabsteine" (S. 168 ff.)? Oder das "Verbot von Lichtbildern" auf Grabsteinen (S. 174 f.)? Die Untersagung von Grababdeckplatten (S. 175 ff.) dürfte auch nur in jenen Fällen gerechtfertigt sein, in denen eine Beeinträch- tigung des natürlichen Verwesungsprozesses zu befürchten ist. Und was soll das "Verbot der Kombination verschiedenartiger Materialien" (S. 178 ff.)? All dies ist nach Spranger Willkür und damit unzulässig. Auch dürfte die Untersagung besonders hoher Grabdenkmäler (S. 182 ff.) ausschließlich mit Sicherheitserwägungen begründet werden; der "Versuch einer posthumen Nivellierung sozialer Unterschiede" ist dabei verboten (S. 286).

Wer einmal über den Pariser Friedhof Père Lachaise gegangen ist, der weiß, wie künstlerischer Ausdruck und Individualität über den Tod hinaus dargestellt werden können, ohne daß sich der "gebildete Durchschnittsmensch" (S. 69 ff., an dieser Kunstfigur will die überwiegende Rechtsliteratur messen, was auf dem Friedhof "würdelos" sein soll und was nicht) daran zu stören braucht. Oder man denke an die Lichtbilder, die in südlichen Ländern ganz selbstverständlich auf Grabsteine gehören - alles Verstöße gegen die "Würde"? Sie sagen soviel mehr aus als das genormte deutsche Einerlei z. B. in Gestalt der "Fernseher", wie die 08/15-Grabsteine im Branchenjargon heißen.

Im Kern geht es um Selbstverwirklichung und -bestimmung über den Tod hinaus: Durch den Verstorbenen, wenn er (was zuzunehmen scheint) Begräbnisritual und Grabstätte und deren Ausgestaltung zu Lebzeiten selbst auswählt, oder um Toteneh- rung, so wie sie die jeweiligen Angehörigen für sich und ihren Verstorbenen wünschen. Dagegen steht besagte "bürokratische Regelungswut", das "kleinkarier- teste Bestattungsrecht der Welt" (Bernd Bruns, Betreiber der Internet-Site www.postmortal.de).

Konstruktiv sind Sprangers eigene Lösungsvorschläge (S. 271 ff.) und die 34 Thesen, die die wichtigsten Ergebnisse seiner umfangreichen Arbeit zusammenfassen. Unver- blümt fordert er die Einführung einer "Drei-Felder-Wirtschaft", also die Bereitstellung einer dritten Abteilung auf dem Friedhof, auf der keinerlei Gestaltungsvorschriften gelten sollen (S. 274 ff.). Gleichzeitig verlangt er selbstverständlich die Beseitigung der Rechtswidrigkeiten beim bisher gepflogenen Zwei-Felder-System. Spranger rechnet vor, daß angeblicher "Platzmangel", der von den Kommunen gern vorgeschoben wird, kein stichhaltiges Argument gegen eine Drei-Felder-Wirtschaft ist. Auch das zweite Gegenargument - Ausstrahlung der optischen Wirkung eines dritten Feldes auf die Grabfelder mit Vorschriften - trägt nicht, da mit einfachsten Mitteln (Bepflanzung) eine optische Abschirmung bewirkt werden kann.

Mehr Liberalität bei der Grabgestaltung hätte übrigens auch positive Auswirkungen auf die beteiligten Wirtschaftszweige, die ihren Kunden mehr und individuellere Leistungen anbieten könnten. Es steht zu befürchten, daß sich trotz der plausiblen Argumentations- führung Sprangers an den herrschenden Zuständen wenig ändern wird oder erst, wenn eine andere Generation von Entscheidungsträgern ans Ruder kommt. Das wäre typisch für Deutschland, wo vorgefertigte Standpunkte ausgetauscht werden, nicht Argumente. Denen, die mit Genormtem für ihre Verstorbenen zufrieden sind, würde weder durch die Beseitigung der gegenwärtigen Rechtswidrigkeiten bei der Zwei-Felder-Wirtschaft noch durch die Einführung einer Drei-Felder-Wirtschaft etwas genommen: Sie könnten ihre "Fernseher" auch weiterhin haben.

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Tade Matthias Spranger
 
Die Beschränkungen des kommunalen Satzungsgebers beim Erlaß von Vorschriften zur Grabgestaltung
 
378 S., 124 DM, ISBN 3-428-09397-6,
Dunkler & Humblot

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