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Franz-Josef Wetz/Brigitte Tag (Hrsg.),
Schöne neue Körperwelten – Der Streit um die Ausstellung, Klett-Cotta, Stuttgart 2001, 362 Seiten, ISBN 3-608-94311-0, DM 25,-.

Rezension

Dr. jur. Tade Spranger
Uni Bonn

Die Auseinandersetzung um die Körper- welten-Ausstellung des Mediziners Gunther von Hagens verläuft äußerst kontrovers und quer durch alle gesellschaftlichen Schichten und Gruppen.

Während Kritiker die menschenrechts- widrige Zurschaustellung Verstorbener betonen, weisen Befürworter auf die Ästhetik der Ausstellung und die mit ihr einhergehende Hebung der Allgemein- bildung in medizinischen Fragen hin. In bislang mehreren tausend Artikeln in Zeitungen und (Fach-)Zeitschriften haben sich auch Philosophen und Theologen, Mediziner und Juristen zu Wort gemeldet. Dieses umfassende gesellschaftliche und wissenschaftliche Interesse legt es nahe, sich dem Faszinosum der Körperwelten im Wege eines interdisziplinären Ansatzes zu nähern. Franz Josef Wetz und Brigitte Tag ist es gelungen, die Beiträge kompetenter Vertreter der verschiedenen Disziplinen in einem Sammelband zu vereinen, der die weitere Diskussion mit Sicherheit nachhaltig beeinflussen wird. Die Ausstellung wird aus der Sicht der Anatomie (S. 21 ff.), der Philosophie (S. 85 ff.), der Rechtswissenschaft (S. 135 ff.), der Medizin (S. 171 ff.), der Theologie (S. 215 ff.), der Kunstwissenschaft (S. 267 ff.) sowie der Sozialwissenschaften (S. 279 ff.) erörtert. Unabhängig davon, ob die Geschichte der Anatomie überhaupt einen substantiellen Beitrag zur ethischen Rechtfertigung der Ausstellung leisten kann (Bauer, S. 177), ist es für den medizinhistorischen Laien jedenfalls überaus interessant zu erfahren, daß im Zeitalter des Barock öffentliche Sektionen in Anatomischen Theatern (Theatrum anatomicum) vorgenommen wurden (Bauer, S. 174). Gleiches gilt etwa für den Hinweis auf die mittlerweile parallel geführte Diskussion über die ethische Legitimität der Zurschaustellung von Mumien, Eis- oder Moorleichen in Museen. Das Beispiel eines ausgestopften schwarzafrikanischen Dieners, der lange Zeit in einem Wiener Museum ausgestellt worden war (Körtner, S. 248), läßt die Frage aufkommen, warum sich die Auseinandersetzung gerade an den Körperwelten entzündet hat. Die Ursache ist wohl darin zu erblicken, daß es sich bei den natürlichen Strukturmodellen (Bauer, S. 176) bzw. bei der Plastination um ein besonders leistungsfähiges ästhetisches Verfahren handelt (Brock, S. 274). Dem Wunsch vieler Menschen, zu wissen, wie “man von innen aussieht” (Kriz, S. 37) wird so am ehesten entsprochen - der Leser kann sich hier übrigens mit Hilfe von 20 farbigen Abbildungen selbst einen ersten Eindruck verschaffen. Nichtsdestotrotz sollte die Körperwelten-Ausstellung nicht als rein wissenschaftliche Veranstaltung interpretiert werden; natürlich dient sie – zu einem guten Teil – auch der Befriedigung eines verbreiteten Voyeurismus und der Erzeugung eines “wohligen Schauers”. Dieser Umstand alleine trägt aber sicherlich nicht die oftmals erhobene Forderung eines Ausstellungsverbotes.

Die Breite des durch die Beiträge abgedeckten Spektrums eröffnet in vielerlei Hinsicht neue Perspektiven, die dem ausschließlich auf seine eigene Fachmaterie fixierten Betrachter notgedrungen verschlossen bleiben. Wenn etwa die statistische Auswertung von gut 3.500 Eintragungen in den Gästebüchern der Ausstellung (Charlton/Burbaum/Staiblin/Zander, S. 328 ff.) einen gewissen Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen im Umgang mit Verstorbenen erkennen läßt, so stellt sich für den Juristen die Frage, ob ein solcher Bewußtseinswandel nicht auch den Gesetzgeber - der in Fragen des Friedhofsrechts gerne und häufig auf das “Durchschnittsempfinden” der Bevölkerung verweist - zum Umdenken zwingen muß. Gleiches gilt für die der Plastination mitunter beigemessene tiefere Bedeutung: Wird sie als alternative Bestattungsform verstanden (vgl. Charlton/Burbaum/Staiblin/Zander, S. 351), so entsteht unter Umständen ein Regelungsbedarf, dem - in welcher Weise auch immer - entsprochen werden sollte. Von besonderem Reiz ist schließlich auch die Erkenntnis, in welcher Weise sich die verschiedenen Disziplinen den überstrapazierten Begriff der Menschenwürde zu Nutze machen (vgl. etwa Wetz, S. 112 f.; Benda, S. 139 ff.; Tag, S. 155 f.; Bergdolt, S. 205 f.). Es ließen sich zahlreiche weitere Beispiele derartiger, durch die interdisziplinäre Darstellung bedingte Synergismen anführen, die die Problematik in ihrem ganzen Facettenreichtum präsentieren und so den Blick des Lesers für die Dimension des Themas schärfen: Es geht nicht nur um die Verfügung über einen Leichnam, oder die ordnungsrechtliche Zulässigkeit einer Wanderausstellung. Gegenstand des Streits ist das Humanum schlechthin. Auf dem Prüfstand stehen somit die fundamentalen Anschauungen darüber, was den Menschen ausmacht und wie weit seine Selbstbestimmung reichen darf – Fragen, die im Hinblick auf die jüngsten Auswüchse der Medien oder vor dem Hintergrund der Entwicklungen im gentechnologischen Bereich auch auf anderen Gebieten von zentraler Bedeutung sind. Die Auseinandersetzung um die Körperwelten-Ausstellung sollte im übrigen zum Anlaß genommen werden, den Umgang mit Toten generell zu überdenken. Es bleibt zu hoffen, daß das Kompendium von Franz Josef Wetz und Brigitte Tag dazu beiträgt, auch insoweit den Horizont zu erweitern. Insgesamt handelt es sich somit um eine überaus lehrreiche Auseinandersetzung nicht nur mit einer der umstrittensten Ausstellungen der letzten Jahre, sondern auch mit der zentralen Frage des gesellschaftlichen Umgangs mit dem Tod.


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