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Bestatter in Deutschland

Tagung in Stuttgart geriet zum Spiegelbild der desolaten “Deutschland AG”:

Die gefährdete Zukunft deutscher Friedhöfe im Spannungsfeld kommerzieller Gruppeninteressen, kundenfeindlicher Bevormundung und aufgezwungener anachronistischer Kultur.

Allein die Interessen und Bedürfnisse der trauernden Menschen haben auf den Friedhöfen keinen Stellenwert.

Ein kommentierender Bericht von Bernd Bruns

 

Stuttgart, Oktober 2002 - Mit einem enttäuschenden Resümee endete jetzt die “kritische Tagung zur bestattungsrechtlichen und gebührenpolitischen Situation” auf bundesdeutschen Friedhöfen. Die löbliche Absicht der engagierten Veranstalter scheiterte an der mangelnden Konsensfähigkeit der Friedhofsverwalter, der Repräsentanten von Steinmetzen, Bestattern und Friedhofsgärtnern mit ihren hemmungslosen Gruppenegoismen. Eine symptomatische Mentalität in unserer unbeweglichen innovationsunfähigen Deutschland AG. “Ich fürchte”, so ein prominenter Teilnehmer am Ende der Tagung, “die Herren haben immer noch nicht den Ernst der Situation auf ihren Friedhöfen erkannt”.

Tatsächlich sind die auf den Friedhöfen Beschäftigten und vor allem ihre Funktionäre durch ein starrsinniges Beharrungsvermögen am

Hermann Weber, Aeternitas: Redlicher Moderator zwischen den konträren Interessen der Tagungsteilnehmer.

gesellschaftlich nicht mehr akzeptabelen Althergebrachten gekennzeichnet. Doch nichts wird in absehbarer Zeit auf deutschen Friedhöfen bleiben wie es seit Generationen gang und gäbe war. Längst ist die Kostensituation auf den “Letzten Ruhestätten” für die betroffene Bevölkerung aus dem Ruder gelaufen. So kommt es zum allseits beklagten aber noch bezahlbaren Trend zu anonymen Urnenbeisetzungen. Parallel zu dieser Entwicklung verschieben sich die Koordinaten des gesellschaftlichen Wertesystems auf den Friedhöfen dramatisch. Auch die bisweilen unerträgliche Bevormundung der Bürger durch arrogante und selbstherrliche kommunale wie kirchliche Friedhofsbürokraten wird immer weniger hingenommen. Für jede Aufstellung eines Grabsteins ist in unserer reglementierten Republik ein aufwendiges und überflüssiges administratives Genehmigungsverfahren erforderlich: Solche amtlichen Absurditäten haben natürlich ihren Preis.

Die Bereitschaft in der Bevölkerung, sich von wirtschaftlich interessierten Seiten weiterhin eine verstaubte und anachronistische “Friedhofskultur” aufzwingen zu lassen, schwindet rapide. Kurz: die heutigen Friedhofsstrukturen sind gesellschaftlich überholt und in weiten Teilen nicht mehr konsensfähig. Es droht eine Flucht der Bürger vor den Friedhöfen, zumal jetzt erstmalig im rot-grünen Nordrhein-Westfalen - gemeinsam mit den Liberalen in der Opposition - in einem Gesetz der seit Generationen geltende und gleichwohl menschenverachtende Friedhofszwang für Totenaschen aufgehoben werden soll. Die Länder Baden-Württemberg und Niedersachsen werden wohl alsbald folgen. Letztlich fällt der Friedhofzwang absehbar bundesweit. Damit droht ein historischer Umbruch in der Friedhofskultur, wie er wohl nur einmal im Jahrhundert vorkommt. “Es reizt den Wissenschaftler”, wie der Leiter des Kasseler Museums für Sepulkralkultur,

Prof. Dr. Reiner Sörries, Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal (AFD): Eine exellente Analyse der aktuellen Friedhofsmisere und deutliche Kritik an der Position der Funktionäre zum Friedhofszwang.

Professor Reiner Sörries im Gespräch mit postmortal.de erklärte, “an einem solchen historischen Einschnitt als Beobachter teilzunehmen”.

Noch hoffen die Verbandsfunktionäre der Friedhofsverwalter, Steinmetze und Friedhofsgärtner allerdings solche bürgerfreundlichen Pläne der Politik durch einen unredlichen Lobbyismus mit fadenscheinigen Argumenten verhindern zu können. Das Klammern am Status quo ist das platte Programm der Verantwortlichen im Umfeld des Todes. Statt offensiv auf die Wünsche und Bedürfnisse der “Friedhofskunden” einzugehen und die Akzeptanz der Friedhöfe zu fördern, setzen die Funktionäre weiterhin auf die tradierte Bevormundung der Bürger - allein um ihre Pfründe zu sichern. Doch das geht wohl nicht mehr lange so weiter.

Immer öfter blicken die Deutschen derweil mit Neid und Bewunderung auf die vielfältigen Freiheiten auf den Friedhöfen und  in den kundenfreundlichen Krematorien in ihren europäischen Nachbarländern, etwa den liberalen Niederlanden. Immer mehr Menschen weigern sich hier zu Lande, die aufgezwungenen teilweise abstrusen und kleinkarierten Sachzwänge deutscher Friedhofsträger zu akzeptieren. Schon werden wöchentlich alleine im niederländischen Krematorium Slangenburg - auch durch die Berichterstattung in postmortal.de - die Aschen von durchschnittlich zehn deutschen Verstorbenen an ihre Angehörigen ausgehändigt oder gar per Post zu ihnen nach Hause geschickt. Tendenz stark steigend. Dort werden sie dann - an den gegenwärtigen deutschen Gesetzen vorbei - daheim aufbewahrt oder im eigenen Garten beigesetzt, wie es die Verstorbenen, in Übereinstimmung mit den Bedürfnissen ihrer Angehörigen, wünschten. Die Nähe zur Restsubstanz geliebter Verstorbener, so ist bei Experten unbestritten, hat für viele bei der Trauerbewältigung geradezu therapeutische Wirkung.

Prof. Dr. Gerhard Richter: Neue zeitgemäße Perspek- tiven für die Friedhöfe

Auch sind viele altersschwache Angehörige nicht mehr in der Lage, den Ort der Trauer und des Gedenkens auf einem Friedhof aufzusuchen. Zudem paßt die Aschenurne problemlos in jeden Umzugskarton, was in einer mobilen Gesellschaft im “globalen Dorf” immer wichtiger wird. Kaum ist noch jemand bereit, zum Besuch eines Grabes unter Umständen hunderte von Kilometern anzureisen. Solchen soziologischen Entwicklungen und Wandlungen im gesellschaftlichen Wertesystem begegnen die für die Friedhöfe Verantwortlichen regelmäßig mit symptomatischer Verdrängung und penetranter Ignoranz.

Vor solchen ernsten wie aktuellen Hintergründen machte die zweitägige Veranstaltung im Stuttgarter Haus der Wirtschaft sicher auch Sinn. Das Treffen der im Umfeld des Todes Agierenden wurde vorbildlich organisiert und vorbereitet von der seriösen Verbraucherorganisation “Aeternitas e.V.” aus Königswinter und der renommierten “Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal” (AFD) aus Kassel. Zwei höchst spannende Themenkomplexe standen auf der Tagesordnung: Die drohende Aufhebung des

Rechtsanwalt Georg Lampen, Bund der Steuerzahler: Praxis der Friedhofsfinanzierung oft rechtlich unzulässig.

Friedhofszwangs für Aschen und ihre Auswirkungen für die Friedhofsträger - zudem  die desolate Kosten- und Gebührensituation auf den deutschen Friedhöfen. Ausführlich wurden auch die Perspektiven einer Privatisierung von Friedhöfen im Fachpublikum erörtert.

Kompetente Referenten boten viele hilfreiche Informationen für die Tagungsteilnehmer. Hier sind insbesondere die Ausführungen des Düsseldorfer Rechtsanwaltes Georg Lampen von Bund der Steuerzahler zu erwähnen, der in seinem Referat auf die rechtlich unzulässige und gleichwohl verbreitete Kostenkalkulation vieler Friedhofsträger hinwies. Besondere Erwähnung verdient hier sicher auch der Vortrag des renommierten Landschaftsarchitekten, Professor Gerhard Richter vom Institut für Freiraumplanung in Freising. Richter faszinierte durch seine kreativen Ideen zur Gestaltung von zeitgemäßen Friedhöfen, die sich beispielsweise auch als Lehrpfade nutzen lassen. Er vermochte für die Zukunft unserer Friedhöfe neue Perspektiven zu entwickeln und aufzuzeigen. Die Ausführungen des niederländischen Friedhofsverwalters im Ruhestand, Wim Vlaanderen, boten schließlich höchst interessante Einblicke in die vorbildliche wie liberale Bestattungs- und Friedhofskultur unserer niederländischen Nachbarn.

Dr. Rolf-Peter Lange (VDB): Immer hart und glaubwürdig am Thema, das die Menschen bewegt.

Auch das Bestattungsgewerbe hatte einen Referenten entsandt: den Vorsitzenden des Landesfachverbandes Baden-Württemberg, Christian Streidt. Mit seiner nicht nur rechtlich unhaltbaren Forderung, die Asche müsse staatlich zu gleichen Kosten an die Angehörigen zur privaten Aufbewahrung übergeben werden, die auch auf dem Friedhof bei der Anmietung eines Urnengrabes anfallen würden, fand Streidt allerdings nicht die wohl erwartete Zustimmung.

Mit seinen klugen wie engagierten Ausführungen profilierte sich der rührige Vertreter des Berliner Verbandes Deutscher Bestattungsunternehmen, Dr. Rolf-Peter Lange, auf der Veranstaltung einmal mehr als der glaubwürdige und kompetente Repräsentant der deutschen Bestatter - im Kontext zum abgehobenen Bestatterfunktionär Wolfgang Zocher, dem inzwischen auch in den eigenen Reihen umstrittenen Präsidenten des Düsseldorfer Bundes Deutscher Bestatter (BDB). Zocher setzt sich bekanntlich, zur Empörung der Bestatterkunden, für die weitere Vergewaltigung des letzten Willens vieler Verstorbener und den Wünschen ihrer trauernden Hinterbliebenen ein. Dem gegenüber fühlt sich Lange in vorbildlicher Weise auch den Bedürfnissen der Bestatterkundschaft verpflichtet. Dem gleichzeitigen Geschäftsführer der Ahorn-Grieneisen-Gruppe, einem großen Bestattungskonzern, ist es jetzt sogar gelungen auf einem evangelischen Friedhofs in Berlin die Beisetzung von Menschen und ihren geliebten Haustieren im gemeinsamen Grab zu realisieren. Eine zeitgemäße

Christian Streidt, (BDB): Keine Zustimmung für die von ihm gewünschte teure staatliche Über- lassung von Aschen an die Angehörigen
 
      Alle Fotos: Bernd Bruns

Bestattungskultur für die vielen vereinsamten Menschen der anonymen Großstadt, die soziale Kontakte am Ende nur noch mit ihren geliebten Haustieren haben. Das mag bedauern, wer will: die gesellschaftlichen Realitäten sind nun mal so. Eine Änderung ist nicht in Sicht. Da gerät die Initiative Langes, der sich stets an den Wünschen der Menschen orientiert, faktisch zum löblichen Akt der Humanität.

Immer wieder versuchte der Moderator Hermann Weber als redlicher Vertreter der Verbraucherinteressen in der Diskussion über den Friedhofszwang mögliche Konsenslinien zwischen den konträren Positionen der Tagungsteilnehmer auszuloten. Auch postmortal.de war im Vorfeld der Anhörung im Landtag NRW auf der Suche nach solchen Kompromissen nach Stuttgart gereist. Insofern eine vergebliche Bemühung, wie sich schnell herausstellte. Weber bekam keine Antwort auf die wiederholte Frage, unter welchen konkreten Voraussetzungen bei der Aushändigung der Asche an die Angehörigen eine Einigung zu erzielen sei. Letzlich scheiterte er gar mit seinem höchst bescheidenen Bemühen, auch nur ein Meinungsbild der Teilnehmer zum Friedhofszwang einzuholen, an dem nicht nachvollziehbaren Veto der Friedhofsgärtner. Dokumentiert wurde so eine hemmungs- und kompromißlose Ellenbogenmentalität zur Sicherung der eigenen Pfründe. Kundeninteressen blieben einmal mehr ohne Stellenwert. Die desolate unbewegliche Deutschland AG läßt grüßen.
Aber der ethisch verwerfliche Kurs der Verbandsfunktionäre wird sich am Ende nicht auszahlen: Das jedenfalls ist schon jetzt ganz gewiß.

Das Zitat:
 
Schlimm ist aus meiner Sicht allerdings, dass die, die sich für private Friedhöfe stark machen, gleichzeitig den Friedhofzwang fortgeschrieben wissen wollen, das geht aus meiner Sicht nicht ganz zusammen.
Und dabei muss man eben dann fragen, ob es den Verfassern wirklich um einen würdigen Umgang mit der Totenasche und die Wahrung der Totenruhe oder um näher liegende privilegierte Einnahmegarantien geht?
Wenn sich
Friedhofsverwalter, Bestatter und Steinmetze als die dritten im Bunde der zitierten Stellungnahme so offenkundig ihrer wahren Eigeninteressen überführen lassen, dann ist es schlecht um die selbst ernannten Hüter der Friedhofskultur bestellt.
Die von Gewerbetreibenden und Friedhofsträgern beschworene und eingeklagte Kultur der Bestattung verdient dann diesen Namen nicht”.

                       Prof. Dr. Reiner Sörries, Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal (AFD), Kassel

Im Original: Sörries-Zitat.mp3

Der leicht gekürzte Vortrag.mp3 (5,35 MB)

Redaktioneller Hinweis:  Über aeternitas@t-online.de kann in Kürze eine ausführliche Dokumentation der Veranstaltung mit allen Referaten und Diskussionen erworben werden


Plädoyer zur Aufhebung des Friedhofszwangs bei Feuerbestattungen
 
Von 
Dr. jur.Tade Spranger, Uni Bonn


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