| Kritische Bemerkungen zum ZDF-Portrait der Bestatterin Anita M. Totenwäsche im TV Von Mirjam HelmusHinweis der Redaktion postmortal.de:
Die Autorin ist selbst engagierte Bestatterin im renommierten Mülheimer Institut Fohrmann Beiträge dieser Art sind für unsere Branche Pflichtprogramm und wie so oft saß ich doch sehr erstaunt vor demTV-Gerät. Diese sogenannten Bestatter(innen) aus Leidenschaft, die sich allenthalben so wunderbar
medienwirksam profilieren und ihren Beruf ach so lieben und für eben diesen Beruf aus Berufung auf alles verzichten, machen mich immer sehr betroffen! Frau Märtin, verzichtet für ihren Beruf, nach eigenem Bekunden, auf fast alles, was das Leben ausmacht: auf Freunde, auf Liebe, auf Freizeit - auf`s Leben? Angeblich ist sie einsam, wird nicht mehr von Nachbarn und Freunden gegrüßt und auch ihre Familie reagierte mit Abstand auf ihre Berufswahl. Von ihrer eigenen Mutter wurde ihr Beruf als
"Leichenfledderei" angesehen. Nicht einmal eine Wohnung konnte sie privat bekommen, wenn ihr Beruf bekannt war. Bestatter, die sich derart inszenieren, sind mir nun schon mehrfach in den Medien begegnet. Einer wußte jüngst in einer ARD-Reportage zu berichten, daß man ihm nicht mehr die Hand schütteln würde, seitdem er als Bestatter tätig sei, er Freunde verloren habe, die nicht damit klarkämen, daß er Umgang mit Toten habe. Aus eigener Erfahrung - ich bin regelrecht in diesen
Beruf hineingeboren worden - kann ich solche Klischees nicht bestätigen. Auf Parties ist man zwar so manches Mal der Aha-Effekt und versetzt die Leute in Erstaunen, wenn der Beruf bekannt wird - aber nie negativ. Im Gegenteil! Ich werde oft auf meinen Beruf angesprochen. Die Menschen stellen immer viele Fragen. Als Outlaw sehe ich mich garantiert nicht! Natürlich ist es in unserer Gesellschaft schwierig, wenn es darum geht, daß der Handwerker an Reparaturen und der Arzt am Leid der
Kranken verdienen dürfen; wir als Bestatter jedoch stehen regelmäßig im Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik, selbst wenn wir für unsere Leistungen angemessene Preise in Rechnung stellen. Trotzdem grüßen mich meine Nachbarn und schütteln mir ohne Scheu die Hand. Und Freizeit hat man bei uns auch - nur planbar ist sie nicht. Doch Dank ISDN und Anrufweiterschaltung auf´s Handy kann jeder Bestatter Freizeit haben, bis, ja bis zum nächsten Sterbefall. Und gerade in einem Einmann-, sorry in
einem Einfraubetrieb, wie in dem von Frau Märtin kommt zumeist nicht Sterbefall an Sterbefall. Wäre dem so, dann wäre sie garantiert kein Einpersonenbetrieb, der gerade anfängt eine Kraft anzulernen. Was mich und meinen Mann irritierte war ihr Umgang mit der Hygiene. Ein salbungsvolles und gottergebenes Lächeln und wassergetränkte Waschläppchen ersetzen augenscheinlich nicht die tatsächlich nötigen Waschungen an Körper und Haar und können dann auch wirklich nur als symbolische
Visualisierung in der Sendung gemeint sein. Und ob man in den Kühlräumen der Pathologien und im Umgang mit Verstorbenen wirklich so oft auf Handschuhe verzichten kann ist sehr fraglich, da nicht jeder an uninfektiösen Erkrankungen verstirbt. Leider ist in diesem Bericht nichts über die fachlichen Qualifikationen von Frau Märtin gesagt worden, denn da bedürfte es vielleicht noch der einen oder anderen Schulung in hygienischer Grundversorgung von Verstorbenen. Ich meine damit nicht die Thanatologie, denn auch zu diesem Thema sind die Auffassungen in der Branche kontrovers. Ich meine damit, daß die gezeigten Waschläppchen - auch wenn sie noch so liebevoll geführt werden - bei eingestuhlten Verstorbenen, obduzierten Leichen und Unfalltoten nicht sehr effektiv sind. Bei dieser Bewertung ist natürlich zu berücksichtigen,
daß die zur öffentlichen Ausstrahlung gedrehten Bilder, nicht allzu realistisch sein können - schon allein um die Persönlichkeitsrechte der gezeigten Toten nicht unrechtmäßig zu tangieren. Diese Rechte wirken bekanntlich auch postmortal nach. Das haben selbst die Angehörigen zu berücksichtigen, die - selten genug - die Drehgenehmigung erteilten. Daher kann die gebotene behutsame visuelle Umsetzung des sensibelen Themas durch die Autorin der ZDF-Sendung, Mechthild Gaßner, auch nicht negativ
beurteilt werden.
Aufbahrungen sind immer eine Sache, die je nach persönlicher Auffassung, befürwortet oder abgelehnt werden. Einiges, was Frau Märtin sagte, kann ich nur nachdrücklich unterstützen. Auch wir finden die Zeit des intensiven Abschiednehmens wichtig. Schon vor einigen Jahren haben wir in unseren Haus Abschiedsräume geschaffen, die den Angehörigen den Abschied in angenehmer Atmosphäre ermöglichen. Zu jeder Zeit - und solange sie das möchten. Wir sind auch offen für so fast
jede Art der Trauer und Trauerbewältigung. Wir nehmen uns Zeit für die Menschen, die zu uns kommen und bemühen uns niemanden mit seinem Leid allein zu lassen. Es spielt in unserem Haus keine Rolle, welche Geldbörse zur Verfügung steht und auch nicht, daß wir einen unkalkulierbaren Job haben. Denn: niemand stirbt nach Termin!
Ich bin wirklich sehr gerne Bestatterin, aber obwohl bei uns auch an Sonntagen die Angehörigen zur Abschiednahme kommen, wir auch so manchen Heiligabend oder so
manche Sylvesterfeier schon unterbrochen haben, so mußten wir weder auf Freunde, noch auf Liebe, auf Freizeit oder gar einen Händedruck verzichten, wie die Sendung klischeehaft vermittelte. Und mit dieser Bewertung sind wir unter den Bestattern garantiert nicht alleine! |