| Donnerstag, 19.11.1998
Die Asche unterm Apfelbaum
Jeder fünfte Deutsche würde sich auf dem eigenen Grundstück beerdigen lassen zumindest theoretisch. Die Deutschen sind konservativ, wenn es um Form und Ablauf ihrer eigenen Beerdigung geht, gleichzeitig wünscht sich ein nicht unwesentlicher Teil von ihnen größere Spielräume in der Begräbniskultur. Jeder fünfte würde beispielsweise die Möglichkeit begrüßen, auf dem eigenen Grundstück beerdigt zu werden. Das ist das
widersprüchliche Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach, die am Mittwoch im Kasseler Museum für Sepulkralkultur vorgestellt wurde: "Tod und Grabkultur 1998". Während man im liberalen Großbritannien beispielsweise die Asche eines Angehörigen im eigenen Garten ausstreuen kann, gibt es in der Bundesrepublik einen "Friedhofszwang", der solches verhindert. In der Schweiz bietet ein Poet für 1000 Franken die
Möglichkeit, auf seiner privaten Alm ewige Ruhe zu finden. In Holland schließlich können verstorbene Fußballfans im Grün des ehemaligen Ajax-Stadions aufgehen. Wer sich in Deutschland um eine zeitgemäße Grabkultur bemüht, stößt nach Meinung der Demoskopen schnell an Grenzen durch Gesetze, Verordnungen und Auflagen.
Im Rahmen der gesamtdeutschen Umfrage, die vom "Forum Grabkultur" in Auftrag gegeben worden war, fragten sie deshalb auch nach den
diesbezüglichen Wünschen von 2.177 Frauen und Männern. Von den 66 Prozent, die sich auf diese Fragestellung einließen, plädierten 27 Prozent dafür, daß man die Stadt, in die man beerdigt wird, frei wählen kann. Dies ist bisher in Deutschland nicht der Fall. Ein Fünftel fühlt sich von der Vorstellung angesprochen, auf eigenem Grund oder in freier Natur die letzte Ruhe zu finden. Die Möglichkeit, Gräber frei gestalten zu können, wünscht sich ein Viertel der Befragten.
Vermutlich nicht ganz im Sinne des Auftraggebers, der sich für neue Formen in der Grabmalkunst und Bestattung engagiert, sind die die Antworten auf die Frage nach den konkreten Vorstellungen von der eigenen Bestattung. "Es bleibt der große Rahmen der Konventionen" faßte Edgar Piel vom Allensbacher Institut zusammen. 36 Prozent der Befragten wünschen sich nach wie vor eine "normale Erdbestattung", 19 Prozent eine Feuerbestattung. "Ich möchte
ein kleines, bescheidenes Grab" dieser Aussage konnte ein gutes Fünftel zustimmen. Der Wunsch nach einer anonymen Bestattung schlug mit sieben Prozent zu Buche.
"It´s time say goodbye", das Lied zum letzten Kampf des Boxers Henry Maske war lange die Nummer Eins auf der "Hitliste" der am häufigsten gespielten Beerdigungs-Stücke. Trotzdem blieben Sonderwünsche relativ selten: 14 Prozent der Bevölkerung möchte die Musik, die beim eigenen
Begräbnis zu hören sein soll, selbst festlegen. Die meisten (89 Prozent), die an einer derartigen Zeremonie teilgenommen haben, sind allerdings davon angetan. Dort, wo sich junge Leute mit den Themen Sterben, Tod und Begräbnis beschäftigen, spielt der Wunsch nach Konventionen insgesamt eine "sehr viel geringere Rolle". Und zu dieser Auseinandersetzung sei jeder zweite Befragte unter Dreißig durchaus bereit. |