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  Bestattungsgesetz NRW (BestG NRW)
Die zweite Lesung im Landtag am 15.05.2003

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 Das parlamentarische Vorspiel der zweiten Lesung:

Die zweite Lesung und Verabschiedung des Bestattungsgesetzes stand ursprünglich auf Punkt 6. der Tagesordnung der 88. Sitzung des Landesparlaments am Donnerstag, 10. April 2003
 

Landtag Nordrhein-Westfalen
87. Sitzung  Mittwoch, 9. April 2003 - Auszug aus dem Protokoll

     Beginn: 10:05 Uhr

Vizepräsident Dr. Helmut Linssen: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 87. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Meine Damen und Herren, der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion der CDU hat mit Schreiben vom 9. April 2003 gebeten, vor Eintritt in die Tagesordnung den Tagesordnungspunkt 6 der morgigen Plenarsitzung  zweite Lesung der Gesetzentwürfe über das Friedhofs- und Bestattungswesen, Drucksachen 13/2728 und 13/300  von der Tagesordnung zu nehmen. Nach § 39 der Geschäftsordnung kann der Landtag vor Eintritt in die Tagesordnung beschließen, einzelne Tagesordnungspunkte abzusetzen.

Zur Begründung des Antrages erteile ich Herrn Stahl das Wort.

Helmut Stahl (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht üblich, am Beginn der Plenartage einen Antrag auf Änderung der Tagesordnung zu stellen. Wenn ich das namens der CDU-Fraktion heute dennoch tue, muss der Anlass bedeutsam sein.

    (Zurufe von der SPD)

Wir sind der Auffassung: Dieser Anlass ist bedeutsam.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich beantrage namens der CDU-Landtagsfraktion, den Tagesordnungspunkt 6 der morgigen Plenarsitzung von der Tagesordnung abzusetzen. Bei diesem Tagesordnungspunkt handelt es sich um das Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungswesen. Ich möchte dies  unseren Gepflogenheiten entsprechend  knapp und kurz begründen.

Die parlamentarische Beratung dieses Gesetzentwurfs wurde in der Schlussphase weder der Bedeutung dieses Gesetzes noch parlamentarischen Regeln gerecht.

    (Beifall bei der CDU)

Nach fünf Monaten Stillstand wurden die Kolleginnen und Kollegen des zuständigen Ausschusses in knappster Frist  nicht einmal ein halber Tag  mit substantiellen, materiellen Änderungen an dem Gesetzentwurf konfrontiert. Obwohl keine parlamentarisch verantwortbare Beratung von Punkten möglich war, was nach unserer Auffassung einem würdevollen Umgang mit den Toten widerspricht, hat die Mehrheit, haben Sie als Koalitionsfraktionen die Arbeit im Ausschuss abgeschlossen.

Folge dieses unsensiblen Verfahrens sind Formfehler. Mit Schreiben vom 4. April hat der Deutsche Städtetag Nordrhein-Westfalen darauf aufmerksam gemacht, dass er zu diesen substantiellen Änderungen im Gesetzentwurf nicht gehört wurde. Wie er nehmen auch wir es nicht hin, dass keine Möglichkeit besteht, seitens der Kommunen und von unserer Seite, seitens der Kolleginnen und Kollegen, hier zu solchen Änderungen Stellung zu nehmen.

    (Beifall bei der CDU)

Nicht nur die CDU-Landtagsfraktion, sondern auch Kirchen und Kommunen lehnen beispielsweise privat betriebene Friedhöfe ab. Wir wollen die Totenruhe nicht privatem Belieben überantworten.

    (Beifall bei der CDU - Zurufe von den GRÜNEN)

Diese standen auch nicht im ursprünglichen Gesetzentwurf der Landesregierung. Sie wurden nachträglich und kurzfristig eingefügt.

      (Zurufe von den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Helmut Linssen: Herr Kollege, Ihre Redezeit läuft langsam ab.

Helmut Stahl (CDU): Ja.

Wir hatten gestern, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine äußerst intensive Aussprache in unserer Fraktion. Wir halten es für ein Gebot des Anstands, der Würde und der parlamentarischen Regeln: Geben Sie Kirchen, geben Sie Kommunen und geben Sie auch uns die Möglichkeit einer gründlichen Bratung dieses Gesetzentwurfs. Das sind Sie der Achtung des Lebens und der Würde der Toten schuldig.

    (Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Dr. Helmut Linssen: Vielen Dank, Herr Kollege Stahl.  Für die SPDFraktion spricht jetzt Frau Gödecke.

Carina Gödecke (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss zugeben: Es würde mich geradezu reizen, auf die Vorwürfe, Angriffe und die wenig demokratischen Gepflogenheiten, die hier vorgetragen und vorgeworfen worden bzw. deutlich geworden sind, einzugehen,

    (Widerspruch bei der CDU)

will das aber nicht tun. Ich finde es allerdings verwunderlich, dass das Begehren der CDU auf Absetzung des Tagesordnungspunktes 6 am morgigen Tag uns wirklich unmittelbar vor dem Beginn dieser Sitzung erreicht hat.

Ich bitte daher  und ich erspare mir deshalb jegliche weitere Begründung; ich mache das also etwas anders als der Kollege Stahl  im Namen meiner Fraktion sowie im Namen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen darum, dass wir die Sitzung für zehn Minuten unterbrechen, damit wir in den Fraktionen diesen Sachverhalt, aber auch die Vorwürfe, besprechen können. In zehn Minuten wären wir dann wieder hier.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Helmut Linssen: Vielen Dank, Frau Kollegin Gödecke.  Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Frau ThomannStahl.

Marianne Thomann-Stahl (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Wir sind uns alle darüber im Klaren, dass diese Absetzung von der Tagesordnung natürlich u. a. darauf zurückzuführen ist, dass Sie mit dem Ergebnis nicht zufrieden sind.

    (Beifall bei der SPD)

Wir von der FDP sind auch nicht zufrieden. Ich habe deshalb die Bitte, dass Sie noch einmal darüber nachdenken, hier eine dritte Lesung zu beantragen. Die FDP wird aber trotzdem  wenn Sie darauf bestehen  Ihrem Begehren zustimmen, weil wir der Auffassung sind, dass dann, wenn eine Fraktion noch nachhaltigen Beratungsbedarf hat, wir uns dieser Bitte nicht verschließen sollten.  Danke.

    (Beifall bei FDP und CDU)

Vizepräsident Dr. Helmut Linssen: Vielen Dank, Frau ThomannStahl. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es gibt das Begehren der SPDFraktion sowie der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen auf Unterbrechung der Sitzung. Diesem Begehren pflegen wir normalerweise stattzugeben. Da ich sehe, dass Sie damit einverstanden sind, unterbreche ich nunmehr die Sitzung. Ich berufe das Plenum für 10:30 Uhr wieder ein.

    (Unterbrechung von 10:13 bis 10:30 Uhr)

Vizepräsident Dr. Helmut Linssen: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich eröffne das Plenum wieder um 10:30 Uhr, wie wir es verabredet hatten.

Wird das Wort gewünscht? - Bitte schön, Frau Gödecke.

Carina Gödecke (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns eben noch einmal - dieses " noch einmal " will ich betonen - vergewissert, dass weder der Gesetzentwurf ein Dreivierteljahr in irgendeinem Nirwana verschwunden war und auch nicht  geschlummert hat, sondern dass in dieser Zeit intensive Debatten sowohl im parlamentarischen als auch im fraktionellen Raum und über Fraktionsgrenzen hinweg geführt worden sind.

Wir akzeptieren, dass das der CDU nicht reicht, soweit es um den gestrigen Tag geht. Wir weisen aber den Vorwurf, das sei ein unparlamentarisches oder dem Parlamentarismus nicht würdiges Verfahren gewesen, aufs Schärfste zurück. Außerdem möchte ich mich im Namen meiner Fraktion gegen den Vorwurf verwahren, der uns sehr verärgert und empört hat, dass letztlich - jetzt kann ich es nur sinngemäß sagen - die Debatte im Ausschuss den Schlusspunkt unter eine Enwicklung gesetzt habe, die deutlich mache, dass wir - gemeint war meine Fraktion - mit Toten unwürdig umgehen. Das ist in keinster Weise der Fall.

    (Beifall bei der SPD)

Dieser Vorwurf kann hier nicht im Raum stehen bleiben. Kollege Stahl, ich will es bewusst nicht an dieser Stelle werten, sondern denke, dass wir bei anderer Gelegenheit über diesen Auftritt, der im Namen Ihrer Fraktion vorgeführt wurde, noch einmal reden sollten.

Wir hatten verabredet - auch dessen haben wir uns eben noch einmal vergewissert -, dass gerade das Bestattungsgesetz in Nordrhein-Westfalen kein Thema sein soll und sein darf - an der Stelle will ich an die Anfänge der Diskussion um dieses Thema erinnern -, das einer einfachen parteipolitischen Rhetorik und den dementsprechenden Ritualen zum Opfer fällt.

Deshalb möchte ich jetzt auch vor der Öffentlichkeit noch einmal ganz deutlich sagen: Es wäre sicherlich ein würdiger Umgang mit diesem Thema gewesen, hätten Sie uns nach der Ausschusssitzung oder noch heute Vormittag um 9 Uhr das Signal gegeben. Dann hätte man sich die Sitzungsunterbrechung und all das, was jetzt passiert ist, ersparen können. Das wären demokratische und parlamentarische Gepflogenheiten gewesen, die zum Thema gepasst hätten.

    (Beifall bei SPD und GRÜNEN)

Gleichwohl sind wir damit einverstanden, den Tagesordnungspunkt morgen abzusetzen. - Danke.

Vizepräsident Dr. Helmut Linssen: Vielen Dank, Frau Gödecke. - Herr Remmel, bitte schön.

Johannes Remmel (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte - erstens - das unübliche Verfahren zurückweisen, plenar über Tagesordnungen zu diskutieren. Die besagte Ausschusssitzung hat vor einer Woche stattgefunden. Insofern wäre genügend Zeit gewesen, uns anzusprechen und darauf hinzuweisen, dass Sie noch Beratungsbedarf haben.

    (Beifall bei SPD und GRÜNEN)

Insofern interpretiere ich Ihr heutiges Verhalten dahin gehend, dass Sie das Thema einer breiteren öffentlichen Debatte unterziehen wollen.

Wir haben - zweitens - immer erklärt, dass sich dieses Thema nicht dazu eignet, einen parteipolitischen Streit zu entfachen. Wir wollen insbesondere auf die religiösen Gefühle und die kulturellen Traditionen Rücksicht nehmen. Das muss sich im neuen Gesetz widerspiegeln. Wenn Sie an der Stelle Beratungsbedarf haben, sind wir gerne dazu bereit, Ihnen diesen zu lassen. Deshalb bitte ich darum, dass wir Ihrem Antrag nachkommen und das Thema von der morgigen Tagesordnung absetzen, aber bitten, was das Verfahren angeht, darum, in Zukunft fairer miteinander umgehen. - Vielen Dank.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Helmut Linssen: Vielen Dank, Herr Remmel. - Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Wir kommen damit zur Abstimmung.

Wer dafür ist, den Tagesordnungspunkt 6 in der morgigen Plenarsitzung abzusetzen, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist diesem Begehren der CDU-Fraktion einstimmig zugestimmt worden.

 

Landtag Nordrhein-Westfalen
90. Sitzung  Donnerstag, 15. Mai 2003 - Auszug aus dem Protokoll

Zweite Lesung des Bestattungsgesetzes

Die Debatte kann auch als Mp3-Datei vom Server geladen werden.
Die redaktionell leicht überarbeitete Dokumentation (Kürzung von Pausen und Verzicht auf Beifallsbekundungen) hat allerdings eine Größe von 25,2 MB (26.430.140 Bytes).
http://www.postmortal.de/mp3/BestG-NRW-ZweiteLesung.mp3

Gesetzentwurf  der Landesregierung
Drucksache 13/2728

Änderungsantrag der Fraktion der FDP
Drucksache 13/3765 - Neudruck

Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 
Drucksache 13/3768

Änderungsantrag der Fraktion der CDU
Drucksache 13/3909

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 
Drucksache 13/3764

In Verbindung damit:

Gesetz zur Liberalisierung der Feuerbestattung

Gesetzentwurf der Fraktion der FDP
Drucksache 13/300

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit,  Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten  der Vertriebenen und Flüchtlinge
Drucksache 13/3748

 

Ergebnis

Präsident Ulrich Schmidt: Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 90. Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen in dieser Wahlperiode. Mein Gruß gilt Ihnen allen, auch den Gästen auf der Zuschauertribüne und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Ich rufe auf:

Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungswesen (Bestattungsgesetz - BestG NRW)

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 13/2728

Änderungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 13/3765 - Neudruck

Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 13/3768

Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 13/3909

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 13/3764

In Verbindung damit:

Gesetz zur Liberalisierung der Feuerbestattung

Gesetzentwurf  der Fraktion der FDP Drucksache 13/300

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten
der Vertriebenen und Flüchtlinge Drucksache 13/3748

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat eine dritte Lesung des vorliegenden Gesetzentwurfs beantragt. Nach § 81 der Geschäftsordnung findet eine dritte Lesung statt, wenn eine Fraktion dies beantragt. Dieser Antrag muss vor Schluss der Beratung der zweiten Lesung schriftlich beim Präsidenten eingereicht worden sein. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, sodass wir heute über den Gesetzentwurf in zweiter Lesung abstimmen und ihn zu einem späteren Zeitpunkt in dritter Lesung verabschieden.

Der Ihnen vorliegende Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 13/3764 wird damit bis nach Verabschiedung des Gesetzentwurfs in dritter Lesung zurückgestellt.

Nach § 81 Abs. 2 Geschäftsordnung kann der Landtag zur Vorbereitung der dritten Lesung die Überweisung des Gesetzentwurfs an einen oder mehrere Ausschüsse beschließen. Die CDU-Fraktion hat Rücküberweisung an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge als dem federführenden Ausschuss sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik beantragt. Hierüber haben wir nach der zweiten Lesung, also gleich, zu entscheiden.

Ich eröffne die Beratung und erteile für die SPD-Fraktion Kollegen Vöge das Wort.

Horst Vöge - SPD:
Für mich ist die Selbstbestim- mung, auch die Selbstbestim- mung über das, was nach mei- nem Tod mit mir stattfindet, ein hohes Gut. Und das lasse ich mir von niemandem absprechen”

Horst Vöge (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Als der Gesetzentwurf zum Bestattungsgesetz im Juni letzten Jahres das Parlament in erster Lesung passierte, war die Debatte durchaus eine recht nüchterne Auseinandersetzung. Wir erlebten nach der Sommerpause - insbesondere nach der Anhörung - eine öffentliche Diskussion, die fast Kulturkampfcharakter hatte. Schuld war nach meiner Ansicht insbesondere die CDU, die mit entsprechenden Äußerungen in der Presse die Stimmung anheizte.

    (Beifall von Dr. Jürgen Rüttgers [CDU])

Ich denke hierbei insbesondere an zwei Bemerkungen der CDU, die von technischer Anleitung zur Menschenkörperbeseitigung und von kostengünstiger Beseitigung der Biomasse Leichnam sprach.

    (Beifall von Dr. Jürgen Rüttgers [CDU])

Das sind Wortspiele, die aus meiner Sicht wenig Respekt vor der Würde der Toten haben. Es sind Wortspiele, die in dieser Auseinandersetzung keine Rolle spielen sollten. Doch die CDU hat nach meinem Eindruck den Kulturkampf - wie ich es formuliere - ein bisschen angeheizt.

Um was geht es eigentlich? - Es geht ganz nüchtern um eine Zusammenführung unterschiedlicher Gesetze, die schon lange existieren. Die letzte größere Gesetzesänderung fand 1934 statt, und zwar bezüglich der Feuerbestattung. Seit langem schon war es nötig, die unterschiedlichen Gesetze und Verordnungen zusammenzuführen und sie auf einen neueren Stand zu bringen, der auch den entsprechenden gesellschaftlichen Prozess seit der letzten größeren Änderung berücksichtigt.

Wir haben festgestellt, dass es in diesem Bereich international wie auch innerhalb der Bundesrepublik Deutschland sehr unterschiedliche Regelungen gibt. Alles das, was hier bekämpft wird, ist woanders möglich, auch in Ländern, die sehr stark in einer christlichen Religion verwurzelt sind wie Italien, Frankreich, Belgien, die Niederlande und viele andere.

Es geht in der Auseinandersetzung um die Frage des Umgangs mit den Toten, um unterschiedliche Bestattungsformen und unterschiedliche Formen der Trauer. Trauer unterliegt auch einem gesellschaftlichen Prozess. Der Hintergrund ist sehr unterschiedlich, und das haben wir bei der Anhörung durchaus bemerken können. Es fängt an bei der Totenwürde, geht über Fragen zu historischen Traditionen bis zu Fragen, wie ich mit Trauer umgehe.

Im Rahmen der Verbändeanhörung haben wir sehr unterschiedliche Stellungnahmen der Interessenvertreter bekommen, etwa von den Kirchen, die aus ihrer ethischen Haltung heraus, aus ihrer historischen Tradition, ob jüdisch oder christlich, argumentierten, bis hin zur Textilbranche. An der Stelle muss man auch festhalten, dass Bestattung ein sehr lukrativer Markt ist. Wir hatten in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2000 einen Umsatz von 13 Milliarden Euro zu verzeichnen. Das heißt: Nicht nur ethische und Traditionsgründe spielen eine Rolle, sondern hier sind - nicht nur, aber auch - wirtschaftliche Interessen von Belang.

Im Rahmen der kirchlichen Auseinandersetzung haben wir uns auch seitens der Partei sehr stark engagiert, haben unterschiedliche Ergebnisse erhalten und uns auch unterschiedlichen Vorwürfen ausgesetzt gesehen. Ich sage deshalb ausdrücklich auch aus der Erfahrung des Diskussionsprozesses mit den Kirchen, insbesondere mit der evangelischen Kirche: Ich will keine - ähnlich, wie ich keinen vormundschaftlichen Staat haben will - vormundschaftliche Kirche. Für mich ist die Selbstbestimmung, auch die Selbstbestimmung über das, was nach meinem Tod mit mir stattfindet, ein hohes Gut. Und das lasse ich mir von niemandem absprechen.

Den Kommunen geht es um die Gebührenhaushalte. Sie nehmen dabei keine einheitliche Haltung ein. Es gibt einerseits die Haltung des Städtetages, der das Gesetz strikt ablehnt, und es gibt die Haltung des Landkreistages und des Städte- und Gemeindebundes, die in diesen Reformprozess durchaus einstimmen und sagen: Wir haben bestimmte Änderungswünsche, die wir gerne berücksichtigt sehen wollen, aber insgesamt sind wir der Meinung, dass Landesregierung und Koalitionsfraktionen auf dem richtigen Weg sind. – Das muss man festhalten, hier gibt es nur die Gegenposition des Städtetages.

Weiter gibt es die Position der Bürger, die mehr Freiraum auch in diesen Fragen haben wollen. Und es gibt die Position der CDU. Die CDU hat bundesweit zwei Positionen. Das ist einmal die Position dort, wo sie Macht haben oder an der Macht beteiligt sind wie in Bayern, Hessen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Bremen und im Saarland. Dort beschließen sie genau diese oder ähnliche Gesetze, wie wir sie in Nordrhein-Westfalen vorschlagen. Darin kommen Vielfalt, Privatisierung, auch Privatisierung der Krematorien vor usw. Das beschließen sie alles und haben keine Probleme damit. Nur hier im Land, in dem Sie absolut machtlos sind und nach meiner Ansicht machtlos bleiben sollten, führen Sie eine Diskussion, die zu einer gnadenlosen Verzerrung der Realität führt.

Von daher glaube ich, dass der Widerstand der CDU und die Veränderungsprozesse, die Sie bewirken wollen, sehr offen darstellbar sind. Sie wollen mit populistischen Thesen eine Veränderung herbeiführen, die aus unserer Sicht sachlich nicht geboten ist.

Ich komme zu einzelnen Punkten.

In § 1 sprechen wir uns ausdrücklich dafür aus, dass Dritte beteiligt werden können. Es geht also um Privatisierung. Wir sagen: Bei Friedhöfen, Krematorien und Begräbniswäldern kann man das tun. Wenn die Kommunen das wollen, dann sollen sie es auch tun.

Gerade die CDU beklagt den ihrer Meinung nach kleinlichen Umgang mit kommunalen Interessen ausdrücklich. Wir sagen: Wir schreiben Privatisierung nicht vor, wir setzen einen Rahmen. In diesem sollen sie selbstständig handeln. Wir können nicht sagen, wie die Beschaffenheit des Bodens ist, wie die Interessen in Bad Salzuflen oder in Duisburg sind. Unser Land ist so groß, dass wir sagen: Unter Beachtung der Friedhofsordnung kann das vor Ort selbstständig entschieden werden. Wir sagen nicht: "Ihr müsst", wir sagen: Ihr könnt. - So viel Eigeninteresse und so viel Selbstständigkeit können wir den Kommunen doch zubilligen. Ich glaube, so sehen es zumindest auch die beiden anderen Spitzenverbände, die sagen: Das wollen wir.

Auch bei der Aufhebung der Sargpflicht gibt es in unserem Land unterschiedliche Interessen. Bezogen auf den Anteil der islamischen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung sieht die Situation z. B. in Viersen ganz anders aus als in Duisburg, Essen oder Dortmund. Da muss man vor Ort eine Regelung finden, darf sie nicht von oben treffen. Vor Ort muss eine selbstständige Entscheidung über die Aufhebung der Sargpflicht möglich sein. Wir sagen nicht: Ihr müsst die Sargpflicht aufheben. - Wir sagen: Vor Ort könnt ihr selbstständig entscheiden. - Wir halten das für eine gute Regelung.

In der Diskussion insbesondere mit den Kirchen wurde uns gesagt: Menschenskind, ihr habt gesagt, dass ihr auf die Kirchen zugeht. - Was ist da wichtig? Das sind zwei Punkte.

Zunächst geht es darum - davon ist die FDP sicherlich nicht begeistert -, dass wir den Passus unter der Schlagzeile "Urne nach Hause" nicht aufnehmen; wir wollen ihn verändern. Aus Sicht der Kirchen ist das ein wichtiger Schritt. Wir halten ihn sogar für einen großen Schritt. Aus meiner persönlichen Sicht würde ich den Bürgern gerne den Freiraum lassen, darüber selbst zu entscheiden. Aber es gibt nicht nur ethische Gründe dagegen. Von den Kommunen hören wir, dass wir eventuell einen bürokratischen Moloch zu schaffen haben, weil wir die Totenwürde garantieren müssen. Wir wollen keine kommunalen Urnenbeauftragten. Von daher streichen wir diesen Passus. Wir sagen allerdings, dass die Aushändigung der Totenasche für Sonderformen möglich sein muss; diese Regelung war schon im Feuerbestattungsgesetz vorhanden.

Daneben haben wir über Frühgeburten diskutiert. Dazu haben wir neue Regelungen definiert. Ich glaube, dass wir uns hier auch im Konsens befinden.

Die Frage der Sozialbestattung hat bei uns durchaus eine wichtige Rolle gespielt, weil auch wir nicht wollen, dass jemand, der kein Geld hat und von daher unter die Bestattungspflicht der Kommunen fällt  Stichwort: Sozialbestattung -, sozusagen entsorgt wird. Das können wir den Kommunen aber nicht aufzwingen. Es gibt dazu eine Regelung in § 15 Bundessozialhilfegesetz. Wir appellieren in einem Antrag an die Kommunen aber, für eine würdige Bestattung zu sorgen.

Die FDP hat die zweite Leichenschau beantragt. Wir glauben, dass die zweite Leichenschau nicht nötig ist. Bei einer Gesamtanzahl von 190.000 Verstorbenen - das ist die Zahl aus dem letzten Jahr - müssten wir zusätzlich 150.000 zweite Leichenschauen durchführen. Das würde zusätzliche Kosten in Höhe von 4,5 bis 16 Millionen € verursachen. Das wollen wir weder den Kommunen noch den Hinterbliebenen auferlegen. Die Erfahrung mit der zweiten Leichenschau zeigt auch, dass dabei keine großartigen, wichtigen Hinweise auf entsprechende Verbrechen gefunden werden.

(Vorsitz: Vizepräsident Jan Söffing)

Aus unserer Sicht stellt das Bestattungsgesetz eine Brücke zwischen Tradition und Gegenwart dar. Wir werden uns auf dieser Brücke bewegen.

Wir halten das Gesetz mit seinen Veränderungen für gut. Wir halten es nicht für ein Zwangsgesetz. Es bietet einen Rahmen für eine würdige Bestattung und die Möglichkeit, öffentlich zu trauern. Darum haben wir auch für andere Begräbnisformen den öffentlichen Zugang vorgeschrieben. Wie gesagt: Aufgrund der Veränderungen halten wir dieses Gesetz für ein gutes Gesetz und wir bleiben dabei. - Danke sehr.

    (Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Jan Söffing: Vielen Dank, Herr Vöge. - Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Post das Wort.

Norbert Post - CDU:
Urnen mit der Asche Verstorbe- ner müssen auch weiterhin beigesetzt werden. Das Ver- streuen von Asche wird abge- lehnt, ebenso die Beisetzung oder Ausstreuung in privaten Wäldchen.”

Norbert Post (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich das Gesetz zunächst in einen gesellschaftlichen Zusammenhang stellen.

"Friedhöfe" - das ist ein sinnträchtiger Name. Frieden wünschen wir nicht nur unseren Verstorbenen. Er sollte von ihren Ruhestätten auch auf uns ausstrahlen. Unsere eigene Vergänglichkeit wird angemahnt, die Oberflächlichkeit von Streitereien und Disharmonien wird verdeutlicht. Friedhöfe sind Orte des Gedenkens und Denkens.

Wenn ein uns vertrauter Mensch beerdigt wird, wird immer auch ein Teil unseres menschlichen Erlebens und Seins bestattet. Wenn wir den Friedhof dann wieder verlassen, so tun wir dies, um wieder ins Leben zu gehen, ein Leben, für das uns nur eine überschaubare Zeit bleibt. Diese Zeit haben wir verantwortlich zu nutzen. Daran erinnern uns auch die Gräber; sie sollten es wenigstens. Denn auch sie stellen Fragen nach dem Dasein, nach dem Sinn, nach dem Ziel des Lebens. Diesen Fragen weichen wir in der heutigen Zeit natürlich unheimlich gern  und oft viel zu schnell  aus.

Ausweichen können wir aber nicht dem eigenen Leben und auch nicht dem Tod, denn Gräber sind Orte, an denen der Mensch seine Ohnmacht und auch seine Hilflosigkeit gegenüber der Endgültigkeit des Todes schmerzhaft erfährt. Dort kann das Bedürfnis nach Trost und Ermutigung zum Leben wachsen. Der Trauernde bedarf der Sinn stiftenden Antwort auf viele Fragen, die der Verlust eines geliebten oder geachteten Menschen oder auch die dauerhafte Konfrontation mit dem eigenen Sterbenmüssen aufwerfen. Er bekommt auch Hoffnung in der Relativierung der Probleme des eigenen Lebens. Wir wissen alle, dass Menschen Anlässe, Zeichen, aber auch Orte benötigen, um zur Besinnung und zum Nachdenken zu kommen.

Bei der Diskussion des Bestattungsgesetzes dürfen Friedhöfe also nicht nur als Stätten der Bestattung, sondern auch als Orte der Begegnung mit dem Ende des Verstorbenen, aber auch mit dem eigenen Ende betrachtet werden. Es muss also auch weiterhin ein konkreter Ort für Trauer erhalten bleiben. Es muss eine konkrete Begräbnisstätte, ein Grab, erhalten bleiben.

Nun sind der Staat und die öffentlichen Institutionen Walter der öffentlichen Daseinsfürsorge. Deshalb müssen die  und die allein  Träger von Friedhöfen bleiben.

    (Beifall bei der CDU)

Der Beschluss der Regierungskoalition gibt dies nicht mehr sauber her. Ebenso wurde in der Diskussion klar, dass es zwischen den Regierungsparteien und der CDU-Fraktion offensichtlich einen gravierenden Unterschied in der Wertung der Artikel des Grundgesetzes gibt.

Sie, Herr Vöge, haben es eben noch einmal bestätigt. Sie sehen die freie Selbstbestimmung und damit die Individualität des Menschen vor der Menschenwürde.

    (Horst Vöge [SPD]: Das ist Blödsinn!)

Während wir der Meinung sind, dass sich der Mensch nicht selber seiner Würde entheben kann, setzen Sie die Selbstbestimmung  das haben Sie eben selbst gesagt  an die erste Stelle. Das ist nicht ganz verständlich. Wir wissen alle, dass Art. 1 die Grundlage dessen ist, was das Grundgesetz uns als Grundwerte mitgibt.

Ich zitiere - Herr Präsident, mir Ihrer Genehmigung - Herrn Jäger aus der SPD-Fraktion vom 09.11.2000 hier im Hause:

"Der Friedhofszwang für Urnen verletzt kein Grundrecht, da das Recht Ausnahmen zulässt. Im Übrigen haben die Gerichte deutlich bestätigt, dass Gesichtspunkten wie dem Schutz der Totenruhe und dem sittlichen Empfinden der Vorzug zu geben ist vor dem Wunsch der freien Beisetzungsart."

Wie stimmt das denn jetzt mit der Diskussion in Ihrer Fraktion überein? Dazu müssen Sie mir noch etwas erzählen.

    (Horst Vöge [SPD]: Geben Sie mir zwei Minuten! Dann sage ich es Ihnen!)

Haben Sie, meine Damen und Herren, das vergessen? Ich denke, nicht. Oder Sie haben Ihre Meinung geändert.

Ja, ich halte es für bedenklich und mit den Grundsätzen der Rücksicht auf das sittliche Empfinden sowie des Vorrangs der Menschenwürde für nicht vereinbar, wenn die Asche von Verstorbenen selbst nach deren verbriefter Willenserklärung ausgestreut werden soll. Dies ist mit unserem Begriff von einem würdigen Umgang mit Toten nicht vereinbar.

    (Horst Vöge [SPD]: Warum ist es dann im Saarland möglich?)

Sie werden sehr schnell zur Einsicht kommen, wenn Sie den Toten nicht mehr nur als aus sich existierendes Individuum betrachten, sondern ihn in seiner sozialen Umgebung sehen. Der Mensch kann sich auch dieser Verbindung nicht entheben.

Damit man ausstreuen kann, soll nun die Möglichkeit zu einem faktisch privaten Bestattungsbereich gegeben werden.

    (Horst Vöge [SPD]: In Hessen ist es auch möglich!)

Dazu ein Zitat aus einer Presseerklärung Ihrer SPD-Fraktion vom Herbst vorigen Jahres:

"Der Gesetzentwurf sieht keine Privatfriedhöfe vor. Friedhofsträger können nach wie vor nur Kommunen und Kirchen sein. Sie können bei der Erfüllung ihrer Aufgaben auf Dritte zurückgreifen."

Meine Damen und Herren, Sie haben eben noch einmal gesagt, dass Sie private Friedhöfe wollen. Dabei geht es um das Zurückgreifen auf Private, nicht um Privatisierung. Sie haben es in Ihrer Presseerklärung ausdrücklich gesagt.

    (Beifall bei der CDU)

Die Folge der jetzigen Fassung dieser Denk- oder Gesetzesvorgabe ist auch eine Marktöffnung der Bestattungsmodalitäten und damit der öffentlichen Daseinsfürsorge. Das ist der an Werten gemessene und rechtlich falsche Weg. Ich wage mir nicht vorzustellen, wie der Markt mit einem solchen Bereich bei wirtschaftlichen Problemen umzugehen gedenkt. Wie ist es da mit der Totenwürde? Auch ist nicht abzusehen, wie sich dies auf die Vorhaltepflicht kommunaler Friedhöfe und deren Gebühren auswirkt. Meine Damen und Herren, da haben Sie Antworten nicht gegeben, die Sie gleich hätten mitliefern müssen.

    (Horst Vöge [SPD]: Entscheidungen vor Ort!)

- Dann brauchen wir aber ein solches Gesetz nicht, Herr Vöge. Dann lassen Sie doch die Finger davon.

    (Horst Vöge [SPD]: Wir brauchen den Rahmen!)

Das ist der Weg zur Betrachtung des Menschen als rein selbstbestimmtes Individuum und zur Vernachlässigung der Verantwortung des Menschen als soziale Natur. Keiner lebt nur sich selbst. Keiner ist aus sich selbst entstanden. Keiner hat das Recht, nur sich selbst zu sehen. Sie setzen dieses Selbstbestimmungsrecht an die erste Stelle.

    (Beifall bei der CDU)

Schlimm ist allerdings auch: Sie eröffnen mit dieser Art der Bestattung die Möglichkeit zur möglichst billigen Sozialbestattung - ohne Trauerfeier. Das ist nicht sozial und einigermaßen unfair.

    (Erneut Zuruf von Horst Vöge [SPD])

- Sie können sich doch melden, Herr Vöge. Das ist doch gar kein Problem.

Die Aushändigung der Asche an Hinterbliebene ist nicht hinnehmbar, weil ein Verbleib der Asche kaum kontrollierbar ist. Ich weiß nicht, wie Sie das in der Praxis umsetzen wollen. Um der Aufgabe des Gesetzgebers unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten gerecht zu werden, müssten Sie da noch eine Regelung nachschieben.

Ich wage gar nicht zu fragen, wie in einigen Fällen der Transport von Urnen oder Leichen ablaufen soll.

Totenwürde wird in Ihrem Beschluss auch jetzt noch nicht definiert, nicht einmal anwendungsorientiert. Es fehlt also, wie Sie sich das in der praktischen Umsetzung vorstellen.

Lassen Sie mich kurz auf die Aufhebung des grundsätzlichen Sargzwangs eingehen, den Sie eben angesprochen haben. Durch die Offenhaltung dieses Bereiches wenden Sie sich eigentlich vom Grundsätzlichen zur Ausnahme. Sie bestimmen die Ausnahme zur Regel und die Regel zur Ausnahme. Das ist eine treffliche Werteverschiebung.

Zur Umsetzung, zum Transport der Leichen, zu den näheren technischen Umständen einer solchen Bestattung sagen Sie auch nichts.

Vizepräsident Jan Söffing: Herr Post, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Vöge?

Norbert Post (CDU): Ja.

Vizepräsident Jan Söffing: Bitte.

Horst Vöge (SPD): Herr Kollege, kennen Sie das Schreiben vom Landkreistag und vom Städte- und Gemeindebund vom 6. Mai zu diesem Problem? Die schreiben da:

"Ungeachtet dessen erlauben wir uns ergänzend den Hinweis, dass wir die ausdrückliche Aufnahme der Sargpflicht in den Wortlaut des Bestattungsgesetzes - wie von der CDU-Fraktion im Landtag beantragt - nicht für notwendig halten, …"

Das heißt, die Kommunen halten das selber für nicht notwendig.

Norbert Post (CDU): Herr Vöge, Sie tun das, was Sie in den ganzen Beratungen des Gesetzentwurfes gemacht haben: Sie nehmen einen kleinen Ausschnitt aus den Stellungnahmen, die uns zugegangen sind, und geben den Pars pro Toto. Und das ist falsch.

    (Beifall bei der CDU)

Denn wir haben auch die Stellungnahme des Städtetages, der genau das Gegenteil sagt.

Sie schieben die Verantwortung auf die Kommunen. Die haben die Probleme vor Ort. Sagen Sie mir doch einmal, wieso Sie überhaupt ein Gesetz wollen, wenn Sie doch nichts regeln? Das haben Sie nicht geschafft.

    (Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren der Regierungskoalition, Sie haben mit diesem Gesetzentwurf für meine Begriffe Werte aufgegeben, die für sehr viele Menschen unverzichtbar sind. Sie lassen private Friedhöfe zu, obwohl Sie öffentlich etwas anderes erklärt haben.

Ein besonderes Zeichen Ihrer Einstellung zu einem solch sensiblen Gesetz aber war die Vorgehensweise, wie wir sie im Ausschuss erlebt haben. Obwohl Sie zehn Monate Zeit hatten, wurden dem zuständigen Ausschuss erst einen halben Tag vor der abschließenden Beratung Ihre doch grundlegenden Änderungen  z. B. die Privatisierungsmöglichkeiten  vorgelegt, wurde die Diskussion binnen einer Stunde durchgezogen und somit ad absurdum geführt. Eine wirkliche Auseinandersetzung haben Sie gar nicht erst zugelassen.

    (Beifall bei der CDU)

Dies zeigt, dass Sie möglicherweise in Ihrer eigenen Fraktion mit den Werteverschiebungen, die Sie in diesem Gesetzentwurf vorschlagen, nicht ganz klar gekommen sind.

    (Zuruf von der CDU: Sehr richtig!  Edgar Moron [SPD]: Machen Sie sich da keine Sorgen!)

- Ach, Herr Moron, um Sie mache ich mir da keine Sorgen.

    (Edgar Moron [SPD]: Das freut mich zu hören!)

Ich mache mir eher Sorgen um den Einzelnen in Ihrer Fraktion. Denn wir haben eben ein paar Zitate gehört, in denen sich Einzelne anders geäußert haben. Und das darf ich doch sicherlich zur Kenntnis nehmen.

Der Gesetzentwurf zeigt auch handwerkliche Unzulänglichkeiten. Er ist nicht sauber geregelt und enthält Lücken. Daher fordern wir mindestens: Künftig müssen Bestattungen in der Regel in einem Sarg vorgenommen werden. Ausnahmen sollen für bestimmte Religionsgemeinschaften möglich sein.

Urnen mit der Asche Verstorbener müssen auch weiterhin beigesetzt werden. Das Verstreuen von Asche wird abgelehnt,

    (Beifall bei der CDU)

ebenso die Beisetzung oder Ausstreuung in privaten Wäldchen. Ich will den Begriff des "Franchisers", den Sie da unterstützen, nicht anwenden.

Auch künftig dürfen nur Kommunen und öffentlich-rechtlich anerkannte Religionsgemeinschaften Träger von Friedhöfen sein. Allein sie gewährleisten eine angemessene Totenruhe und geben den Angehörigen und Freunden die Möglichkeit, jederzeit am Grab ihres Verstorbenen zu trauern, und zwar an einem Grab und nicht irgendwo in der Botanik.

    (Beifall bei der CDU)

Es muss ein Nachweis über den Verbleib einer Urne bei Aushändigung an Private erfolgen. Das ist nicht geregelt.

Und: Es muss Mindestanforderungen an die Beisetzungs- und Bestattungsart bei so genannten Sozialbegräbnissen geben. Dem kommen Sie mit Ihrem Entschließungsantrag aber wirklich in keiner Weise nach.

Wir beantragen daher eine dritte Lesung und die Überweisung an den Ausschuss.  Danke.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Jan Söffing: Vielen Dank, Herr Post.  Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Dr. Romberg das Wort.

Dr. Stefan Romberg - FDP: wir “Wir sind mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Ministerin Fischer hatte ursprünglich einen guten, reformfreudigen Gesetzentwurf eingebracht.”

Dr. Stefan Romberg (FDP): Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Nicht jeder Gesetzentwurf wird durch langjährige Beratungen besser. Ganz im Gegenteil: Häufig werden mutige Reformideen totdiskutiert, Lobbyistendruck wird nachgegeben. Ein bestes Beispiel hierfür ist das heute zu beratende Bestattungsgesetz.

Seit der Einbringung unseres Gesetzentwurfs zur Liberalisierung der Feuerbestattung sind über zweieinhalb Jahre vergangen  Zeit genug für Beratungen, Gespräche, Anhörungen und abschließende Meinungsbildung. Daher können wir die Anliegen der CDU nach weiteren Beratungen nicht ganz nachvollziehen.

Die Vorschläge in Ihrem Änderungsantrag sind ebenfalls keine neuen Forderungen. Man könnte denken, Sie wollten ein Gesetz verzögern, mit dem Sie nicht zufrieden sind. Da biete ich Ihnen unsere Solidarität an, liebe Kollegen der CDU: Auch wir sind mit dem Ergebnis nicht zufrieden.

Ministerin Fischer hatte ursprünglich einen guten, reformfreudigen Gesetzentwurf eingebracht.

Im Laufe der Zeit wurde sie von den Grünen, von den Kirchen und schließlich auch aus den eigenen Reihen zurückgepfiffen. Was jetzt herausgekommen ist, ist in manchen Punkten deutlich bürokratischer und restriktiver. Wirklich schade!

Positive Punkte sind der Wegfall des Sargzwanges und die Möglichkeit zur Errichtung von Aschestreufeldern und Friedfeldern. Diese Neuerungen werden unsere Bestattungskultur nicht grundlegend ändern, wie einige befürchten.

Was den zukünftigen Umgang mit Urnen betrifft, wird sich leider gar nichts ändern. Die bürokratischen Hürden im Änderungsantrag von Rot-Grün sind so hoch, dass sie von trauernden Angehörigen schwerlich bewältigt werden können. Sie machen auch wenig Sinn. Bodenrechtliche Unbedenklichkeit wird da gefordert. Verehrte Kollegen von Rot-Grün: Ist Ihnen eigentlich klar, was Sie trauernden Menschen damit antun? Sollen Angehörige ein bodenrechtliches Gutachten vorlegen? Bis das erstellt wird, findet keine Beisetzung statt. Was macht dem Boden denn die Bedenken? Das bisschen Asche, das nach der Verbrennung übrig bleibt? Streichen Sie diesen Unsinn aus dem Gesetzentwurf, bevor sich unsere europäischen Nachbarn darüber lustig machen. Typisch deutscher Regelungsbedarf! Daran geht dieses Land zugrunde. Dies ist wahrlich kein würdiger Umgang mit Toten.

So einen Umgang kann man unserer Ansicht nach auch schwerlich nur staatlich regeln. Hier geht es um Vermittlung von Werten, und das geschieht in den Familien. Wenn der würdevolle Umgang mit Toten dort nicht erlernt wird, kann man nicht als Ersatz eine staatliche Regelung fordern. In kaum einem Land in Europa gibt es im Bestattungsbereich solch einen Regelungswust. Wird denn in den anderen Ländern schlechter mit den Verstorbenen umgegangen? Sicher nicht. Geben Sie dem letzten Willen der Menschen in Nordrhein-Westfalen mehr Achtung. Entmündigen Sie die Menschen in diesem sehr sensiblen Bereich nicht.

Ein weiterer unzureichender Punkt im vorliegenden Entwurf ist die Kriminalitätsbekämpfung. Gerade die gut ausgeführte Leichenschau ist ein sehr wichtiges Mittel zur Entdeckung von Straftaten. Leider ist die Qualität der Leichenschau oft mangelhaft. Die Ursachen sind zahlreich: unzureichende Erfahrungen von Ärzten beim Durchführen einer Leichenschau, ihre häufig wirtschaftliche Abhängigkeit von den Angehörigen, die nicht selten extremen Druck auf Ärzte ausüben, und auch der Druck von Polizeibehörden auf Ärzte, nicht zu viele unklare Todesursachen zu diagnostizieren.

Auch kann es nicht richtig sein, dass der behandelnde Arzt gleichzeitig die Todesursache bescheinigt. Wo ist denn da die Kontrolle, liebe Kollegen? Manche erinnern sich an den Hausarzt in England, der in seiner Laufbahn über hundert seiner Patienten tötete. Auch das wäre bei uns nicht aufgefallen. Auch eine fehlerhafte Behandlung fällt selten auf. Soll der Arzt etwa selber zugeben, dass ihm vielleicht ein tödlicher Fehler unterlaufen ist?

Rechtsmediziner gehen davon aus, dass jeder zweite Mord erst gar nicht entdeckt wird. Solche Zahlen sind eine Ohrfeige für jeden Rechtsstaat. Deshalb sehen wir hier dringenden Handlungsbedarf. Wir fordern eine unabhängige Leichenschau durch einen Profi. Nur so erreichen wir Rechtssicherheit in diesem Bereich.

Unsere Aufgabe ist es, Menschen vor Straftaten zu schützen. Wenn jedoch Straftaten nicht entdeckt und damit nicht geahndet werden, besteht kein ausreichender Schutz für die Menschen. Wie leicht ist es, einen alten Menschen, der zur Last fällt, zu töten. Da reicht eine Überdosis an Medikamenten, und es fällt keinem auf.

    (Barbara Steffens [GRÜNE]: Was ist das für ein Gesellschaftsbild?)

Der Opa war ja schon alt und lange krank.

Immer mehr Menschen versterben aufgrund mangelnder Pflege, aber es wird nicht entdeckt. Was ist mit den Scheintoten, die immer wieder entdeckt werden? Solche Missstände können wir nicht bestehen lassen. Sie werden auch vom Richterbund NRW angemahnt.

Rot-Grün lehnt eine unabhängige Leichenschau bisher aus Kostengründen ab, obwohl sie sich der Problematik bewusst ist. Wir sprechen die ganze Zeit über Totenwürde, hier sehe ich die Menschenwürde in Mitleidenschaft gezogen. Es geht um einen Kostenfaktor von rund 5 Millionen € im Jahr. Diesen Betrag für mehr Rechtssicherheit und Qualitätsverbesserung unseres Gesundheitssystems würden wir gern zur Verfügung stellen. Das sind originäre Aufgaben im Gegensatz zu vielen merkwürdigen Förderprogrammen von Rot-Grün in diesem Land.

Es ist für eine Regierung natürlich unbequem, wenn dadurch eine höhere Mordrate in den nordrhein-westfälischen Statistiken erscheint -  Morde, die aufgeklärt, verurteilt und auch bestraft werden müssen. Der Mangel bei Polizei und Justiz würde sich noch mehr bemerkbar machen, und Neueinstellungen dort würden Geld kosten.

Wir Freien Demokraten wollen die alten und pflegebedürftigen Menschen  besonders bei unserem Geschichtshintergrund  vor pflegerischen Missständen und Gewalt schützen. Diese sind nicht selten. Eine Studie des Rechtsmediziners Prof. Joachim Eidam an 17.000 Leichen kam zu dem Ergebnis, dass jeder siebte Untersuchte vor seinem Tod falsch gepflegt wurde. Bei 1 % - das sind immerhin 170 Verstorbene - waren die Verletzungen durch Wundliegen so gravierend, dass sie auch als Todesursache in Betracht kamen. Diese Studie wurde bei Leichen im Rahmen der zweiten Leichenschau zur Feuerbestattung durchgeführt, sonst wären auch diese erschreckenden Zahlen unentdeckt geblieben.

Die Zahl alter Menschen steigt weiter an. Noch größere Missstände sind zu befürchten.

Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, diese Problematik bis zur dritten Lesung noch einmal neu zu überdenken. Wir müssen hier handeln. - Danke sehr.

    (Beifall bei der FDP)

Vizepräsident Jan Söffing: Vielen Dank, Herr Dr. Romberg. - Für Bündnis 90/Grüne hat jetzt Frau Kollegin Steffens das Wort.

Barbara Steffens - GRÜNE:
Ich bin auch darüber entsetzt, Herr Romberg, dass Sie meinen, Ärzte und Ärztinnen in diesem Land würden für Mordfälle eine ‘normale’ Todesbescheinigung ausstellen. Ich bin darüber entsetzt und schäme mich dafür, dass so etwas hier in diesem Parlament vorgetragen wird.”

Barbara Steffens (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Romberg, ich bin über Ihren Redebeitrag, zumindest über die letzten Bemerkungen  auch vor dem Hintergrund, dass ich von Ihnen viele seltsame Äußerungen zu diesem Thema erwartet habe , entsetzt. Ich bin entsetzt, dass Sie pflegende Angehörige als potenzielle Mörder darstellen, dass Sie meinen, in Nordrhein-Westfalen würden Angehörige flächendeckend umgebracht. Ich bin auch darüber entsetzt, dass Sie meinen, Ärzte und Ärztinnen in diesem Land würden für Mordfälle eine "normale" Todesbescheinigung ausstellen. Ich bin darüber entsetzt und schäme mich dafür, dass so etwas hier in diesem Parlament vorgetragen wird.

    (Beifall bei GRÜNEN, SPD und CDU)

Ich erwarte, dass Sie sich für Ihre Vorwürfe bei den Ärzten in diesem Land sowie bei den pflegenden Angehörigen entschuldigen; denn das ist nicht die Regel. Es mag Einzelfälle geben, in denen das vorkommt. Aber Ihre Äußerungen finde ich absolut empörend.

Ich möchte trotzdem auf das Bestattungsgesetz und auf die dazu in der Debatte vorgetragenen unterschiedlichen Positionen eingehen.

Herr Post, ich bin mit Ihnen einer Meinung - und, ich glaube, auch der überwiegende Teil der SPD-Fraktion , dass es bei Trauer Orte geben muss, an denen getrauert werden kann, und dass es für Menschen einen Rahmen geben muss, in dem sie trauern können.

Ich meine auch, dass die Orte, an denen getrauert werden kann, getrennt sein müssen vom Alltagsleben. Deswegen haben wir uns als Grüne vehement dafür eingesetzt, dass die Urnen nicht auf den Kaminsims gehören. Es muss einen anderen Ort der Trauer geben. Ich finde wichtig, dass das so in dem Gesetz umgesetzt wird.

Wo ich mit Ihnen nicht einer Meinung bin, ist, dass alles beim Alten bleiben muss, weil wir eine Trauerkultur hätten, die einen Wert an sich darstelle. Ich finde, dass es über die letzten Jahre, Jahrzehnte hinweg in der Trauerkultur einen Wandel gegeben hat und dass manches  verstehen Sie das bitte nicht als persönlichen Vorwurf  auch eine Frage der Generation ist. Die Generation meiner Eltern ist mit dieser Trauerkultur noch stark verwurzelt. Aber ich glaube, dass schon meine Generation Trauer und Orte der Trauer anders definiert, als Sie in Ihrem Redebeitrag und hier in Ihrem Änderungsantrag dargestellt haben.

Beispielsweise gilt für mich, dass ich nicht unbedingt ein Grab auf einem Friedhof als einen Ort empfinde, an dem ich gerne um Menschen, die mir nahe stehen, trauere. Mein Modell ist ein Wald, ein Grundstück, wo ich vielleicht mit Menschen zu Lebzeiten gewesen bin. Man kann ja die Friedwälder, die öffentlich zugänglich sein sollen, aufsuchen. Ich stelle mir einen Ort vor, der natürlich ist, nicht mit Grabsteinen und Grabpflege befrachtet ist und an dem meine Kinder nicht Blumen pflanzen und Unkraut jäten müssen, sondern Trauer als einen Prozess erleben können, bei dem sie Erinnerungen Revue passieren lassen können. So stelle ich mir eher einen Ort der Trauer vor. Deswegen finde ich es wichtig, dass wir in Nordrhein-Westfalen die Gratwanderung zwischen Bewahren von Werten und Öffnen hin zu neuen Werten gehen, die nicht deswegen schlechter sind, weil sie aus einer anderen Tradition, aus einer anderen Sozialisation heraus entstanden sind.

Ich meine, dass Sie in Ihrem Redebeitrag viel überzogen haben und möchte das an einem Punkt deutlich machen. Sie sagen, es sei fatal; wir hätten die Selbstbestimmung vor die Menschenwürde gesetzt. Ich finde, dass Selbstbestimmung sehr viel mit Menschenwürde zu tun hat. Nur wenn ein Mensch für sich selbst bestimmen kann, ist das auch Würde und ein würdiger Umgang. Ich glaube, dass man in einem bestimmten Rahmen  hier gebe ich Ihnen Recht  diese Selbstbestimmung zulassen muss.

    (Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Für mich ist Selbstbestimmung und Menschenwürde kein Gegensatz, sondern es sind zwei Bereiche, die sich ergänzen und ineinander greifen, die gleichwertig sind. Von daher kann ich Ihnen auch nicht zustimmen, dass es eine Frage der Menschenwürde ist, ob man in einem Sarg oder in einem Tuch bestattet wird oder ob man verstreut wird. Das ist eine Definition, die ich nicht teile, die meines Erachtens auch nicht dem christlichen Glauben entspricht und die nicht 1 : 1 in dieser Gesellschaft zu finden ist. Ich glaube, dass hier verschiedene Bereiche miteinander vermengt werden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

Die Totenwürde, die Menschenwürde muss in dieser Gesellschaft auch im Zusammenhang mit Hospiz, mit Sterbebegleitung statt Sterbehilfe diskutiert werden, aber nicht im Zusammenhang damit, ob die Kommunen Menschen anderer religiöser Herkunft wie Muslime die Möglichkeit eröffnen, im Tuch bestattet zu werden, ohne mit großem bürokratischen Aufwand nachweisen zu müssen, dass sie Muslime sind. Die Regel muss vielmehr sein, dass alle Formen nebeneinander zulässig sind.

Ich möchte nun konkret auf zwei Punkte eingehen, die Sie in Ihrem Änderungsantrag angesprochen haben. Sie bauen in der Frage, was mit den Menschen ist, die Sozialhilfe beziehen, einen Gegensatz auf, der so nicht zulässig ist. Wenn ich mir das Abgeordnetenverzeichnis Ihrer Fraktion ansehe, dann stelle ich fest, dass in Ihrer Fraktion sehr viele eine juristische Ausbildung haben. Sie sollten einmal in Ihrer Fraktion bei einem solchen Thema mit Ihren Juristen die Frage diskutieren, was rechtlich überhaupt möglich ist: Was kann man in ein Landesgesetz hineinschreiben, wenn es ein Bundesrecht gibt, das bestimmte Dinge definiert?

    (Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir ganz klar in dieses Gesetz hineingeschrieben, dass für Menschen, die Sozialhilfe beziehen, nur diese oder jene Bestattungsform rechtlich möglich ist. Das geht aber nicht, Herr Post, weil Bundesrecht in dem Fall Landesrecht bricht. Wir können nicht mit dem Landesrecht eine weiter gehende Regelung vollziehen. Das ist rechtlich nicht zulässig. Sie können nicht von uns erwarten, dass wir sozusagen einen Rechtsbruch begehen. Ich wünsche mir, dass Sie mit den Juristen in Ihrer Fraktion dieses Rechtsproblem diskutieren. Wir haben es Ihnen ja schon im Ausschuss erklärt.

Darüber hinaus haben wir Ihnen bereits im Ausschuss erläutert, dass wir Friedhöfe nicht privatisieren wollen, sondern wir wollen den Kommunen die Möglichkeit eröffnen, sich Dritter zu bedienen. Das ist etwas anderes und steht in einem ganz anderen rechtlichen Rahmen. Machen Sie sich bitte juristisch schlau, anstatt weiterhin Punkte aufzugreifen und immer wieder etwas vorzutragen, was nicht wahr ist, denn dadurch wird es nicht wahrer.

Ich komme nun zum letzten Punkt, einem Punkt, der auch aus Sicht der Kirchen sehr problematisch ist. In § 15 wollen Sie die Ausnahmeregelungen streichen. Ich weiß nicht, ob Ihnen klar ist, wofür diese Ausnahmeregelungen so wichtig sind. Sie sind z. B. wichtig, damit die Kirchen, beispielsweise im Kölner Dom, ihre Würdenträger bestatten können. Wenn Sie diesen Absatz streichen, dann verwehren Sie den Kirchen diese Möglichkeiten. Das ist nicht in unserem Interesse und wohl auch nicht im Interesse der Kirchen. Deswegen auch hier mein Appell an Sie: Überdenken Sie Ihre Änderungsanträge!

Allein diese drei Punkte zeigen mir, dass die Beratung, die wir jetzt praktiziert haben, auch zwischen den Koalitionsfraktionen, mit einem gelegentlichen Innehalten und der Überlegung, ob das mit den Änderungen geht, richtig war. Es war richtig, dass wir uns für unsere Änderungsanträge Zeit gelassen haben. Sie wollen den Gesetzentwurf noch einmal an den Ausschuss überweisen. Wir können gerne im Ausschuss noch einmal darüber reden, aber es wird sich an dem grundlegenden Verständnis davon, was wir an Wandel in der Trauerkultur brauchen, sicherlich nichts ändern; wir haben insofern eine grundlegend andere Auffassung.

Ich finde es richtig, dass wir in Nordrhein-Westfalen daran festhalten, weil wir damit die Gratwanderung zwischen alten Trauerformen, Tradition und Moderne sehr gut vollziehen. Ich glaube, dass das ein hervorragendes Gesetz für dieses Land sein wird. - Danke.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

Vizepräsident Jan Söffing: Vielen Dank, Frau Steffens. - Für die Landesregierung hat jetzt Frau Ministerin Fischer das Wort.

Ministerin Birgit Fischer (SPD):
Die CDU hat die Beratung des Bestattungsgesetzes konsequent an ihren parteipolitischen Interes- sen ausgerichtet.Es entstand oft der Eindruck der Inszenierung eines gesellschaftlichen Kultur- kampfes. Sie haben den Unter- gang des Abendlandes an die Wand gemalt, wo der sachorien- tierte, dem Gemeinwohl verpflich- tete und vernünftige Diskurs ge- fordert gewesen wäre.”

Birgit Fischer, Ministerin für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir mit den parlamentarischen Beratungen begonnen haben, war mir durchaus bewusst, dass wir schwierige Diskussionen vor uns haben, die einfach ungewohnt sind. Zwangsläufig hatte ich mich im Vorfeld sehr detailliert mit dem Gesetzentwurf beschäftigt. Es war absehbar, dass dies keine normale Diskussion werden würde; denn ein Bestattungsgesetz befasst sich überwiegend mit Fragen, die sich den Alltagserfahrungen entziehen. Darunter sind unvermeidlich grundsätzliche Fragen des Menschseins, also Sinnfragen, die uns alle viel tiefer beschäftigen, im Innersten berühren, aufwühlen und umtreiben als manch andere Frage, die wir hier in diesem Parlament beraten.

Weil das so ist, habe ich gehofft, dass wir mit den Themen des Gesetzentwurfes offen und sachlich, ernsthaft, nachdenklich, im gegenseitigen Respekt und von politischen Ritualen losgelöst umgehen werden. Solche Beratungen hätten uns meines Erachtens sehr gut getan, auch mit Blick auf die anderen Länder, die unsere Beratungen und Debatten mit sehr großer Aufmerksamkeit verfolgen.

Gerade bei Themen wie den neuen Bestattungsformen geht es auch darum, den gesellschaftlichen Konsens neu auszuloten. Politik hat dabei meines Erachtens die Aufgabe, den rechtlichen Rahmen so festzulegen, dass Bürger und Bürgerinnen ihre Wünsche und Vorstellungen auch leben können.

Anfangs gab es auch von der CDU Signale, dass ein solcher sachgerechter und sensibler Umgang mit dem Bestattungsgesetz gelingen könnte. Leider sind diese Signale im Laufe der Beratungen sehr schnell verpufft. Tatsache ist: Die CDU hat die Beratung des Bestattungsgesetzes konsequent an ihren parteipolitischen Interessen ausgerichtet.

    (Edgar Moron [SPD]: So ist das!)

Es entstand oft der Eindruck der Inszenierung eines gesellschaftlichen Kulturkampfes. Sie haben den Untergang des Abendlandes an die Wand gemalt, wo der sachorientierte, dem Gemeinwohl verpflichtete und vernünftige Diskurs gefordert gewesen wäre.

    (Helmut Stahl [CDU]: Was Sie hier machen, ist nicht in Ordnung!)

Dabei haben Sie sich zu vollkommen abwegigen Äußerungen hinreißen lassen, die ich, ehrlich gesagt, auch heute noch empörend finde. "Menschenunwürdig" hat Herr Dr. Rüttgers den Gesetzentwurf genannt und gleich eine Klage vor dem Verfassungsgericht angekündigt, auf deren Begründung ich noch heute mit einigem Interesse warte. Als "technische Anleitung zur Menschenkörperbeseitigung", bei der es um eine "kostengünstige Beseitigung der Biomasse Leichnam" gehe, bezeichnete ihn Herr Henke. Frau von Dinther scheute sich nicht, Vergleiche zur TA Luft zu ziehen.

Bis heute stehen diese verbalen Missgriffe ohne ein Wort des Bedauerns im Raum. Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU, solche Vergleiche und Überzeichnungen sind meines Erachtens in der Tat Missgriffe. Dass man solche Worte wählt und so denkt, empört mich regelrecht und erschreckt mich gleichzeitig. Davor schaudert mir, ehrlich gesagt.

Ihr verkrampftes Bemühen um parteipolitische und individuelle Profilierung hat auch grundsätzliche Unterschiede zwischen Ihnen und uns aufgedeckt, die weit über das Bestattungsgesetz hinausgehen, nämlich grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen über das Verhältnis von Staat und Bürger sowie über die Vorstellung von menschlicher Freiheit und Mündigkeit. Ich bin davon überzeugt, dass Politik danach streben muss, den Menschen ein Stück mehr Freiheit zur Teilhabe und zur Selbstbestimmung zu schaffen. Meine Damen und Herren von der CDU, das ist ein ganz wesentliches Erbe und ein zentraler Auftrag unserer abendländischen Kultur. Sie dagegen wollen den Menschen vorschreiben, wie sie leben, was sie glauben und wie sie mit dem Sterben umzugehen haben.

    (Hermann-Josef Arentz [CDU]: Das ist aber dünn!)

Sie maßen sich an, über die Lebensmodelle und Wertevorstellungen der Menschen zu richten, ihnen die richtigen Werte zu zeigen und als Staat den angemessenen Umgang mit Tod und Trauer vorzugeben und zu reglementieren. Damit sprechen Sie den Menschen Recht, Fähigkeit und Willen ab, auf eigenen Wegen zu persönlichen Werten und Überzeugungen und zu Glauben zu finden. Stattdessen machen Sie sich zu ihrem Vormund, auch und gerade in den letzten Fragen des menschlichen Seins. Meine Damen und Herren von der CDU, das ist eine mehr als unangemessene Beeinträchtigung und Beschränkung von Freiheit und Verantwortung, für die Sie angeblich eintreten.

    (Beifall von Dr. Stefan Romberg [FDP])

Umso mehr freue ich mich, dass dieses von der Parlamentsmehrheit getragene Gesetz deutliche Zeichen für eine Bestattungskultur setzt, die dem Wunsch der Menschen nach mehr Selbstbestimmung Rechnung trägt und zugleich dem gesellschaftlichen und kulturellen Konsens verpflichtet bleibt. Abseits des parteipolitischen Tamtams der CDU haben die Beratungen eine Reihe weiterer Klärungen gebracht. Ich will nur einige Stichworte nennen.

Das künftige Bestattungsrecht für Tot- und Fehlgeburten, das von vielen dringlich gefordert wurde, ist nun präziser geregelt und kann damit in diesen belastenden Situationen eine zusätzliche Hilfe sein. Wenn Eltern dies wünschen, können sie ihre tot- und fehlgeborenen Kinder auf dem Friedhof bestatten. Äußern sich die Eltern zu dieser Frage nicht, müssen die jeweiligen Geburtseinrichtungen die tot- oder fehlgeborenen Kinder bestatten.

Bei der Beisetzung der Totenasche öffnet sich das Bestattungsgesetz behutsam den Wünschen nach neuen Formen der Bestattung. Künftig wird es möglich sein, die Asche auf einem besonderen Feld des Friedhofs oder außerhalb eines Friedhofs zu verstreuen. Voraussetzung dafür ist immer  das ist das Entscheidende  ein entsprechender letzter Wille des Verstorbenen.

Bei der Verstreuung oder Beisetzung außerhalb eines Friedhofs entscheiden die Behörden anhand weiterer klarer Maßstäbe: Es dürfen keine bodennutzungsrechtlichen Einwände bestehen; der Beisetzungsort darf nicht in einer Weise genutzt werden, die der Totenwürde widerspricht; der Ort muss öffentlich zugänglich sein.

Zudem wird die Ausnahmeregelung des Feuerbestattungsgesetzes beibehalten, die als Auffangregelung für Fälle mit besonderen Umständen dient.

Gegen diese neuen Bestattungsmöglichkeiten ist vor allem von Friedhofsträgern und Bestattungsgewerbe eingewandt worden, Hinterbliebene würden künftig danach trachten, Verstorbene  auch unter Missachtung ihrer Würde  möglichst billig beizusetzen.

Traditionelle Bestattungsformen würden in der Folge unbezahlbar teuer. Ich halte diese Einwände, ehrlich gesagt, nicht im Geringsten für stichhaltig.

Zum einen können nur die Verstorbenen selbst und nicht die Hinterbliebenen diese neuen Bestattungsweisen in ihrem letzten Willen veranlassen. Zum anderen gibt es keine Anzeichen, dass sich die große Mehrheit der Bevölkerung abrupt von traditionellen Bestattungen abwendet. Täte sie es aber, dürfte der Staat einer solchen Entwicklung wohl kaum unter Hinweis auf die Haushaltsinteressen der Friedhofsträger entgegentreten.

Das Gesetz wird es den Friedhofs- bzw. Krematoriumsträgern überlassen, ob und gegebenenfalls für welche Bestattungen sie einen Sargzwang begründen bzw. Ausnahmen zulassen. Eine landeseinheitliche Gesetzesregelung ist dafür weder nötig noch wäre sie klug. Die Entscheidung soll den örtlichen Verantwortlichen überlassen bleiben, die  da bin ich mir sicher 

    (Unruhe - Glocke)

damit verantwortungsbewusst umgehen werden.

Der für die Praxis wesentliche Punkt, die religionsbedingte Ausnahme, war und ist in der Diskussion nicht streitig.

Vizepräsident Jan Söffing: Frau Ministerin, darf ich Sie einmal unterbrechen. Ich möchte bitten, etwas mehr Ruhe im Plenum zu halten, damit Frau Ministerin sprechen kann.

Birgit Fischer, Ministerin für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie: Wer darüber hinaus eine grundsätzliche Abkehr von der christlich-abendländischen Kultur vermutet, täuscht sich schon unter historischen Aspekten. Denn vorherrschend ist die Sargnutzung bei uns erst seit etwa 200 bis 250 Jahren.

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich auf einen zweiten Themenkreis eingehen, der bei der parlamentarischen Beratung eine wesentliche Rolle gespielt hat: das Verhältnis von landesweiten Vorgaben und örtlichen Handlungsspielräumen. Die Landesregierung hat sich bei ihrem Gesetzentwurf auf die primären Staatsaufgaben konzentriert: den Gesundheitsschutz, die Aufklärung von Tötungsdelikten und den Schutz der Totenwürde.

Der Gesetzentwurf hat das landesweit geregelt, was landesweit geregelt werden muss. Er lässt damit aber Raum für die örtlichen Friedhofsträger und die zuständigen Behörden, um vor Ort passgenau Lösungen zu entwickeln.

Ich möchte dazu drei Stichpunkte nennen. Es ist dabei geblieben, dass sich Friedhofsträger bei der Erfüllung ihrer Aufgaben privater Dritter bedienen dürfen. Die Gesamtverantwortung der Träger wird dadurch nicht berührt. Sie vergeben lediglich partielle Arbeitsaufträge an Dritte.

Auf Vorschlag des Landkreistages und des Städte- und Gemeindebundes ist in den Beratungen auch eine Regelung für solche Friedhöfe gefunden worden, die in der Art der so genannten Friedwälder geführt werden. Das Gesetz wird den Friedhofsträgern zudem auch eine widerrufliche Übertragung ihrer Feuerbestattungsanlagen auf Dritte ermöglichen. Ich habe es immer wieder gesagt und sage es noch einmal: Das Gesetz öffnet hier Möglichkeiten, nicht mehr und nicht weniger. Keine Kommune und kein kirchlicher Friedhofsträger ist verpflichtet, sich Dritter zu bedienen, Begräbniswälder einzurichten oder Feuerbestattungsanlagen auf Dritte zu übertragen.

Ich finde es bis heute, vorsichtig gesagt, irritierend, dass diese zusätzlichen Gestaltungsspielräume ausgerechnet aus dem kommunalen Raum zum Teil kritisiert werden. Es wird jedoch zunehmend erkannt, dass die öffentliche Verantwortung dadurch tatsächlich nicht infrage gestellt ist.

Das gilt auch für die Einrichtung und den Betrieb von Begräbniswäldern. Die nun vorgesehene Regelung sichert den notwendigen gemeindlichen bzw. kirchlichen Einfluss. Sie gewährleistet die Beachtung der öffentlichen und privaten Interessen und die öffentliche Zugänglichkeit.

Durch die Eintragung ins Grundbuch wird zudem sichergestellt, dass die Totenruhe selbst dann nicht gestört wird, wenn der private Betreiber, aus welchen Gründen auch immer, ausfiele.

Meine Damen und Herren, als Ergebnis der Beratung wird das Bestattungsgesetz vor allem für Regelungen, die in besonderem Maße diskutiert worden sind, eine Überprüfung nach fünf Jahren vorschreiben. Ich halte dies gerade angesichts der schwierigen Abwägungen, die in einzelnen Fragen erforderlich waren, und den gesellschaftlichen Entwicklungen, denen auch künftig Rechnung zu tragen ist, für eine sehr kluge Regelung.

Das Verfahren stellt sicher, dass die praktischen Konsequenzen dieses Gesetzes beobachtet und ausgewertet werden, und es hält die Möglichkeit offen, zu einem späteren Zeitpunkt eine vorübergehende Aufbewahrung der Totenasche außerhalb eines Friedhofes zu erlauben, wie dies der Gesetzentwurf ursprünglich vorgesehen hatte und wie dies nicht wenige Menschen  jedenfalls mehr, als ich es zunächst selbst gedacht hätte  auch wünschen.

Zum Abschluss, meine Damen und Herren der CDU, möchte ich eines klarstellen: Alle, die an diesen Beratungen teilgenommen haben, haben mit Sicherheit das Ziel gehabt, die Totenwürde und die Wahrung der Totenruhe zu achten.

Meiner Meinung nach hatte und hat im Rahmen der Beratungen, auch heute in der Plenardebatte, niemand das Recht, bei Einzelnen von uns die Schätzung und Achtung von Werten in Abrede zu stellen. Es ist ehrabschneidend, wie Sie zum Teil diese Diskussionen geführt haben.

    (Beifall bei SPD, GRÜNEN und FDP)

Vizepräsident Jan Söffing: Vielen Dank, Frau Ministerin. - Für die FDP-Fraktion hat jetzt Frau Dr. Dreckmann das Wort.

Dr. Ute Dreckmann - FDP:
Es gibt auch die Fälle, dass Ärzte eigene Fehler nicht zugeben, auch vertuschen. Das ist menschlich. So etwas passiert. Diese Fehler können nur durch eine gründliche zweite Leichenschau aufgedeckt werden.”

Dr. Ute Dreckmann (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der öffentlichen Expertenanhörung zu diesem Gesetzentwurf haben uns die Rechtsmediziner, aber auch andere Mediziner eindringlich erklärt, wie wichtig eine zweite Leichenschau, eine gründliche Leichenschau ist, weil die Regel, so wie sie jetzt ist, dass der Arzt zu einem Verstorbenen gerufen wird und er relativ schnell den Tod bescheinigt, nicht ausreicht.

Eine ordentliche Leichenschau setzt voraus, dass der Arzt den Verstorbenen unbekleidet ansieht und in allen Körperöffnungen nachsieht. Eine solche Leichenschau ist in den meisten Fällen im privaten Umfeld und auch im Krankenhaus nicht die Regel. Wir haben uns intensiv überlegt, wie wir das ändern können, und sind der festen Überzeugung, dass nur eine zweite Leichenschau hier Abhilfe schaffen kann.

Es gibt  das ist keine böswillige Unterstellung von meinem Kollegen Stefan Romberg -

    (Unruhe - Glocke)

in diesem Land wirklich Fälle, in denen Angehörige auf einfache Weise einen zu Pflegenden töten. Das passiert. Es passiert nicht nur in Nordrhein-Westfalen. Es gibt auch die Fälle, dass Ärzte eigene Fehler nicht zugeben, auch vertuschen. Das ist menschlich. So etwas passiert. Diese Fehler können nur durch eine gründliche zweite Leichenschau aufgedeckt werden.

Nun zu den Kosten! Die zweite Leichenschau würde 50 Euro kosten. Dies kann man, wie wir finden, den Hinterbliebenen zumuten. Sie bezahlen diesen Beitrag ja auch heute schon bei der Feuerbestattung. Ich bitte also nachdrücklich, unserem Gesetzentwurf in dieser Hinsicht zuzustimmen.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass sich alle Fraktionen nach der Anhörung bei der ersten Sitzung im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales einig waren, dass in dieser Hinsicht etwas passieren muss, übrigens auch die Vertreterin des Ministeriums.

    (Beifall bei der FDP)

Vizepräsident Jan Söffing: Vielen Dank, Frau Dr. Dreckmann. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass wir jetzt zur Abstimmung kommen können, und zwar in mehreren Schritten.

Wir beginnen mit der Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der FDP Drucksache 13/300. Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge empfiehlt in Ziffer 1 seiner Beschlussempfehlung Drucksache 13/3748, den Gesetzentwurf der Fraktion der FDP abzulehnen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Beschlussempfehlung zugestimmt und der Gesetzentwurf der Fraktion der FDP mit den Stimmen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 13/2728, und zwar zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 13/3765 - Neudruck. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist dieser Änderungsantrag mit den Stimmen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 13/3768. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist dieser Änderungsantrag mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU und FDP angenommen.

Wir kommen als Nächstes zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 13/3909. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist dieser Änderungsantrag mit den Stimmen von SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über Ziffer 2 der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge Drucksache 13/3748, den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 13/2728 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses anzunehmen. Wer dieser Empfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU und FDP angenommen und der Gesetzentwurf in zweiter Lesung einschließlich der vorhin beschlossenen Änderungen angenommen.

Wir kommen nunmehr zu der beantragten Rücküberweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge - federführend - sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Wer dieser Rücküberweisung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist die Rücküberweisung einstimmig beschlossen. Die dritte Lesung wird stattfinden, sobald der federführende Ausschuss hierzu eine Beschlussempfehlung vorgelegt hat.

Dieser Tagesordnungspunkt ist damit für heute erledigt.

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