| Auszug aus dem ersten Referate bei den Verhandlungen der Königlichen Wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen vom 30. Oktober und 1. November 1890, betreffend Begräbnisplatze B.Wenn auch die wissenschaftlichen Forschungen und die allgemeinen Erfahrungen übereinstimmend erweisen, daß von Begräbnisplätzen nur in seltenen Ausnahmefällen, wenn grobe Mängel in der Beschaffenheit der Plätze obwalten, gesundheitsschädliche Einflüsse ausgehen können, so muß doch die Verhinderung auch solcher seltenen Ausnahmen als wichtige Aufgabe der
öffentlichen Gesundheitspflege aufgefaßt werden. Dieselbe ist mit verhältnismäßig einfachen und geringen Mitteln zu erfüllen; es ist dazu nötig, daß bei der Auswahl und Herrichtung sowie dem Betriebe der Plätze gewisse Regeln beobachtet werden, wozu nur ein gewöhnliches Maß von Umsicht und Sorgfalt gehört. Wie schon aus der eben gegebenen Darstellung ersichtlich, fehlt es an derartigen allgemein gültigen Regeln und werden in den für verschiedene Bezirke erlassenen
Bestimmungen hygienisch wichtige Punkte gar nicht berücksichtigt oder derartig geregelt, daß der Zweck nicht oder noch häufiger nur unter unnötiger Beschränkung und Belastung der zur Anlage bzw. Unterhaltung des Platzes Verpflichteten erreicht wird. Vornehmlich bei der Anlage macht sich letzteres in vielen Gegenden wegen der dichten Besetzung des Landes mit Wohnstätten, dem Anwachsen der größeren Städte, der Wertsteigerung des Bodens immer drückender fühlbar, zumal die
fortgeschrittene Technik in der Beschaffung guten Trinkwassers und in der Trockenlegung des Bodens auch die Benutzung eines an sich nicht vollkommen geeigneten Grundstückes zu Begräbniszwecken in vielen Fällen, in denen dies sonst auch den heutigen Anschauungen über die Einwirkungen der Begräbnisplätze entsprechend nicht angängig gewesen wäre, unbedenklich macht. Die Lückenhaftigkeit der hygienischen Bestimmungen aber erschwert den Behörden, welche für das Begräbniswesen zu sorgen,
insbesondere die Projekte zur Neuanlage oder Erweiterung von Begräbnisplätzen und die Entwürfe zu Begräbnisordnungen zu prüfen und zu genehmigen oder zurückzuweisen sowie die Ausführung derselben zu beaufsichtigen haben, die zweckmäßige Wahrnehmung der Interessen der Gesundheitspflege. Bei den vorgängigen Feststellungen werden wesentliche Verhältnisse übergangen, nötige Erhebungen mangelhaft ausgeführt, die Ergebnisse unvollkommen dargestellt, und die Beurteilung der Vorlagen geschieht
außerhalb der Zentralinstanz nach ungleichen Anschauungen. Letztere ist aber bei der Beurteilung der von politischen Gemeinden ausgehenden Vorlagen gewöhnlich nicht beteiligt, und schon hieraus ergibt sich das Bedürfnis, den entscheidenden Behörden für die Prüfung und insbesondere auch für die zu erhebenden Mindestanforderungen zur Vermeidung der von den Begräbnisplätzen zu besorgenden üblen Folgen gewisse Grundsätze zu geben, welche ihnen auch für die weniger gewöhnlichen Fälle einen
möglichst sicheren Anhalt gewähren. Bodenverhältnisse Nach den Erörterungen unter A wird die Unschädlichkeit eines Begräbnisplatzes hauptsächlich durch diejenigen Eigenschaften bedingt, welche die trockene Verwesung begünstigen, nämlich durch Trockenheit und eine gewisse Porosität des Bodens, welche den ausgiebigen Zutritt des atmosphärischen Sauerstoffes zu den Leichen gestattet, zugleich aber auch dem Boden starke Filtrationskraft gibt, und zwar in einer
genügenden Tiefe bis zu bzw. Mächtigkeit unterhalb derjenigen Schicht, in welcher die Särge zu stehen kommen. Die Tiefe genügt, wenn sie ein Empordrängen des Fäulnisgeruches sowie eine Verschleppung von giftigen Leichenzersetzungsprodukten oder Spaltpilzen durch Insekten hindert. Die Mächtigkeit genügt, wenn sie zur vollkommenen Zurückhaltung aller geformten Bestandteile aus den von den Leichen ausgehenden Flüssigkeiten ausreicht; sie ist je nach der Weite der Bodenporen verschieden zu
bemessen und soll bei mittlerer Porosität, wie sie Sand und Grand bis zu einer Korngröße von 2 mm Durchmesser besitzt, etwa 0,5 m, bei weiteren Hohlräumen aber, wie sie gröberer Grand, Kies, Geröll ohne dichte Zwischenfüllung enthält, mehr betragen, während bei dichterer Fügung wie bei Beimischung von Ton zum Sande (sandigem Lehm, lehmigem Sand) noch eine etwas weniger als 0,5 m dicke Schicht unter der Grabsohle als zur Filtration hinreichend angenommen werden darf. Bei porenarmem Boden, wie
fettem Lehm, Ton, ist ein Versickern schädlicher Flüssigkeiten nicht, dagegen sind, wenn diese Bodenart die Decke über den Särgen bildet, die nachteiligen Wirkungen weiter Hohlräume zu besorgen, welche bei nicht sorgfältiger Zufüllung des Grabes sich leicht bilden, einerseits den Fäulnisgeruch an die Oberfläche und andererseits Tagewasser zur Leiche dringen lassen, ohne daß letzteres einen Abfluß fände, so daß in solchem Boden trotz seiner natürlichen Trockenheit die Fäulnis sich lange halten
und Fettwachsbildung eintreten kann. Daher soll bei derartigem Boden die Tiefe bis zur Sarghöhe, welche bei mittlerer Porosität mit 0,9 m ausreichend bemessen ist, größer sein und die gehörige Auflockerung der ausgeworfenen Erdschollen vor der Zufüllung des Grabes besonders streng vorgeschrieben werden. Auf die Ungleichartigkeit des Bodens eines und desselben Platzes ist zu achten; wenn dieselbe in mehreren, obschon nur kleineren Partien festgestellt ist, wie z. B. bei
Kies- und Sandadern im Lehm, welche wie Wasserabzugskanäle wirken können, so ist der Boden, wie wenn er die ungünstigeren Eigenschaften durchweg besäße, zu behandeln. Annähernde Trockenheit muß sich auch nach starken meteorischen Niederschlägen bald wieder herstellen können, wozu erforderlich ist, daß nicht eine undurchlässige Schicht, wie fetter Lehm, Ton, festes Gestein, so nahe unter der Grabsohle liegt, daß sie weitere Versickerung derjenigen Niederschlaggewässer,
welche noch die Verwesungszone passieren, hindert und dadurch die Leichenfäulnis begünstigt oder, falls die Oberfläche der undurchlässigen Schicht nach einer Wasserentnahmestelle zu abfällt, die letztere gefährdet. Hinsichtlich des ersten Nachteils sind insbesondere auch subterrene Mulden, denen nicht immer auch gleiche Formen der Erdoberfläche entsprechen, über denen vielmehr häufig ebene Flächen liegen, zu beachten. Feuchter Boden, namentlich solcher, in welchem das
Grundwasser bis in die Verwesungszone hinauf reicht oder auch nur zeitweise aufsteigen kann, soll als der Verwesung nicht günstig tunlichst vermieden werden; ist die Nässe so stark, daß sie den Boden luftlos macht, daß der Sarg in Grundwasser zu stehen kommen würde, so ist er ganz zu verwerfen. Ebenso ist ein Platz als ungeeignet zu erachten, dessen Boden Quellen im Gräberterrain enthält oder welcher Überschwemmungen ausgesetzt ist, durch welche Fäulnisprodukte fortgeführt werden können. Auch
durch ungewöhnlich heftige meteorische Niederschläge ist letzteres möglich, wenn der Platz an einem steilen Abhänge liegt, und ist daher eine solche Lage ebenfalls zu vermeiden. Entfernung von Wohngebäuden und Ortschaften Entspricht der Platz den vorstehenden Anordnungen, so ist im übrigen die Lage desselben zu seiner Umgebung in hygienischer Beziehung nebensächlich insofern, den ordnungsgemäßen Betrieb vorausgesetzt, eine Verunreinigung der Luft in seiner Nähe oder das
Wasser naher Brunnen nicht zu befürchten steht, und die Entfernung von 35 m, welche die Düsseldorfer Regierung zwischen anzulegendem Platz und geschlossener Ortschaft im allgemeinen einzuhalten verordnet und mit welcher sich bereits das Décret sur les sèspultures vom 23. Prairial XII begnügt hat, für mehr als ausreichend zu erachten. Selbst eine noch geringere wird aus hygienischen Gründen nicht beanstandet werden dürfen, wenn der Platz höher als die nächsten Wohnhäuser gelegen
oder von denselben durch eine dichte Baumbepflanzung oder Mauer geschieden ist, derart, daß auch die etwaigen geringen übelriechenden Ausdünstungen aus frischen Gräbern die Wohnräume nicht treffen können und die Bewegung etwa in Betracht zu ziehenden Grundwassers in einer von den letzteren abgewendeten Richtung statthat. Die Rücksichten, welche gegen die Anlage von Begräbnisplätzen in der Nähe größerer Wohnhauskomplexe, wie ganzer Ortschaften, sprechen, liegen in den
weitaus meisten Fällen nicht auf hygienischem Gebiet, sondern beruhen auf Interessen des Verkehrs und der baulichen Ausdehnung der Ortschaften, auf dem Ruhebedürfnis der leidtragenden Besucher der Friedhöfe, der psychischen Abneigung vieler Menschen gegen alle an den Tod erinnernden Vorgänge und auf ästhetischen Momenten. Lage des Platzes Die Himmelsrichtung, in welcher der Platz zur nächsten Ortschaft liegt, ist ohne erhebliche Bedeutung. Herrschen überhaupt
Winde aus der Richtung eines projektierten Platzes nach der Ortschaft entschieden vor und ist der Platz so gelegen, daß die von ihm abströmende Luft nicht durch Baumanlagen, vermöge der Höhenlage oder anderer Umstände von den Wohnungen abgehalten wird, so mag statt eines solchen Platzes, wenn es angeht, ein anderer von gleich günstiger Bodenbeschaffenheit in günstigerer Lage gewählt werden, ein erhebliches hygienisches Interesse hieran waltet aber nicht ob, vorausgesetzt, daß für gehörige
Zufüllung der Gräber und zweckmäßige Situierung und Einrichtung etwaiger Grüfte gesorgt wird. Wegeverhältnisse Es ist ferner bei der Wahl des Platzes darauf zu achten, daß von den zugehörigen Ortschaften zu ihm nicht zu weite oder schwierige Wege führen, welche seinen Besuch übermäßig anstrengend und für die Gesundheit schwacher oder kränklicher Personen unzuträglich machen; ferner darauf, daß die Wege fahrbar hergestellt werden können, damit das bedenkliche
Tragen der Särge tunlichst eingeschränkt werden kann. Wo mehrere Ortschaften an der Benutzung eines Platzes Anteil haben, ist die Lage möglichst so zu wählen, daß die Leichen nicht durch andere Ortschaften gebracht werden müssen, damit nicht mit solchen Gelegenheiten der Verschleppung von Infektionskrankheiten vornehmlich durch das Leichengefolge Vorschub geleistet wird. Schwierigkeiten entstehen für die Wahl, wenn kein Platz mit günstiger Bodenbeschaffenheit
zur Verfügung steht, wenn Trockenheit und Porosität ganz oder in dem zur trockenen Verwesung erforderlichen Grade in der nötigen Tiefen- und Flächenausdehnung fehlt, und noch mehr, wenn beide Mängel kombiniert erwachsen, Wasser anstatt Luft größere Hohlräume im Boden ausfüllt, in besonderem Maße, wenn das Wasser vermöge der Richtung und Stärke seiner Bewegung und wegen undichten Gefüges des unterirdischen Weges nicht oder schlecht filtriert eine Wasserentnahmestelle erreichen kann. Es gibt
aber nicht wenige Fälle, besonders in gebirgigen und in Niederungsgegenden, in denen ein Platz trotz derartig widriger Verhältnisse zu Begräbniszwecken genommen werden muß, weil ein günstigerer nicht vorhanden ist. Entfernung von Brunnen und Grundwasserverhältnisse Weitaus das wichtigste Interesse hat dabei die öffentliche Gesundheitspflege an dem Schutze der Wasserentnahmestellen vor Verunreinigung durch Leichenflüssigkeit. Derselbe ist gewöhnlich ohne große Schwierigkeiten
dadurch zu schaffen, daß für die Wasserentnahme lediglich Röhrenbrunnen benutzt werden, welche das Wasser aus einer tieferen Erdschicht an einer Stelle beziehen, die von der Verwesungszone durch eine genügend mächtige, wirksam filtrierende Zwischenschicht getrennt ist. Es genügt hierzu eine Mächtigkeit von wenigen Metern, welche sich nötigenfalls durch künstliche Umgebung der Brunnenbasis mit geeignetem Filtermaterial schaffen läßt. In anderen Fällen kann der Brunnen durch eine Wasserleitung
entbehrlich gemacht werden. Kesselbrunnen sind, da ihre Wandungen auf die Dauer nicht genügend dicht bleiben, um seitliche Einsickerung unreiner Flüssigkeiten zu verhindern, nicht zu dulden. Es kann ferner zur Genehmigung unbedenklicher Verhältnisse die Trockenlegung des Platzes durch Einleitung von Drains oder Herstellung von Gräben in Höhe der unteren Grenzebene der Verwesungszone benutzt werden, wenn Gelegenheit zu unschädlicher Ableitung der so vom Platze entzogenen
Wasser am besten zur Bewässerung eines anderen Grundstücks vorhanden ist. In einzelnen Fällen, in denen eine die Versickerung der Tagewässer aus der Verwesungszone hindernde undurchlässige Schicht nur eine geringe Mächtigkeit besitzt, ist Abhilfe auch dadurch möglich, daß diese Schicht nach Ausschachtung des Grabes von dessen Sohle aus an einigen Punkten durchbohrt wird. Endlich läßt sich eine trockene Verwesungszone nicht selten durch künstliche Erhöhung des Platzes herbeiführen, wenn
dazu ein Boden von geeignetem Gefüge zu beschaffen ist; da der neuaufgebrachte Boden allmählich zusammensinkt, so ist die Auffüllung zu wiederholen, bis die erforderliche Oberflächenhöhe dauernd erreicht ist. Die aus den weiten lufthaltigen Hohlräumen in dem über den Leichen lagernden Boden zu besorgenden Nachteile sind durch die Art des Betriebes zu vermeiden, indem die Gräber, insoweit das Grundwasser dies gestattet, tiefer angelegt, ferner mit besonderer Sorgfalt
zugefüllt und mit höheren und umfänglicheren Hügeln bedeckt werden. Ist der Boden zugleich schlecht durchlassend, so ist außerdem für schnelle Ableitung des Tagewassers von der Oberfläche des Platzes durch Ebnung desselben und dauernd gut zu erhaltende Abzugsrinnen zu sorgen, damit die Wässer möglichst wenig in die frisch angelegten, locker gefällten Gräber eindringen, bei dem Mangel an Gelegenheit zur Versickerung in denselben stagnieren und die feuchte Fäulnis begünstigen können.
Aber auch in allen Fällen, in denen die Bodenverhältnisse bei der Anlage durchaus geeignet sind, liegt die Regelung des Betriebes der Begräbnisplätze im hygienischen Interesse, denn bei unangemessenem Betriebe kann, wie bereits erwähnt, auch ein von Natur bestgeeigneter Platz untauglich und schädlich werden. Tiefe der Gräber Vor allem ist es von Wichtigkeit, daß die Tiefe der Gräber, und zwar durch Bestimmung der Entfernung zwischen dem höchsten
Punkte des eingestellten Sarges auf dem Niveau der Erdoberfläche festgesetzt wird. Bei günstiger Bodenbeschaffenheit ist dieselbe mit 0,9 m hinreichend bemessen, wenn über dem Grabe Erde aufgeworfen wird. Ist es unmöglich, diese Entfernung einzuhalten, wie etwa wegen hohen Grundwasserstandes oder felsigen Untergrundes, wenn eine allgemeine Aufhöhung des Platzes nicht stattgefunden hat, so ist der Grabhügel demgemäß höher und umfangreicher herzustellen. Für Kinderleichen eine geringere Tiefe
zuzulassen, erscheint nicht gerechtfertigt, da von denselben die gleichen Nachteile wie von den übrigen Leichen ausgehen können. Die Herstellung tieferer Gräber für Leichen und Personen, welche an einer Infektionskrankheit gelitten haben, gewährt, wenn die Füllung der Gräber nur eine ordnungsmäßige ist, keine Vorteile und macht die besondere Berücksichtigung der hierdurch möglicherweise veränderten Beziehungen zum Grundwasser erforderlich. Im übrigen ist es Hauptsache,
den Betrieb so einzurichten und durchzuführen, daß der Boden nicht verwesungsmüde wird. Belegung der Gräber, Massengräber Die Leichen dürfen nicht zu eng aneinander gelegt werden. In jedes Grab ist nur soviel Leichenmaterial zu bringen, als der Körpermasse eines Erwachsenen entspricht. Massengräber sind vom hygienischen Standpunkt aus verwerflich und in Friedenszeiten gar nicht, im Kriege nur als unabweisbare Notwendigkeit zu dulden. Bei ihrer Herstellung ist
womöglich durch Hinzufügung geeigneter Substanzen, wie Kalk, Holzkohle u. a., zu den Leichen eine unschädliche Bindung der Leichenfäulnisprodukte anzustreben und die Verbindung von Grundwasser und Brunnen sowie die Nahe von Wohnungen mit Umsicht zu vermeiden. Ferner ist zwischen je zwei Einzelgräbern eine Erdschicht zu belassen, welche genügt, um die von der Leiche seitwärts ausgehenden Zersetzungsstoffe aufzunehmen und zu verarbeiten. Bei günstiger Bodenbeschaffenheit genügt eine Dicke von
0,3 m; bei fettem Lehm oder Ton, bei welchem auf eine derartige Mitwirkung des Bodens verzichtet werden muß, und bei kalkhaltigem Boden, welcher vermöge chemischer Bindung von Zersetzungsprodukten den Eintritt und Ablauf der Verwesung besonders günstig beeinflußt, darf eine weniger mächtige Zwischenschicht als zulässig erachtet werden, während bei sehr losem Sande oder Kies technische Schwierigkeiten bei Anfertigung der Gräber eine größere Dicke erforderlich machen können. Die auf einzelnen
Begräbnisplätzen bestehende Unsitte, Sarg hart an Sarg zu setzen, und nur den zuletzt eingesenkten von dem für den nächsten bestimmten Raum durch Bretter abzuhalten, schafft Übelstände, ähnlich denen, wie sie von Massengräbern und Grüften ausgehen, und bedarf der Abstellung. Begräbnisturnus Ferner ist für jeden einzelnen Begräbnisplatz diejenige Zeit, vor deren Ablauf eine schon belegte Grabstelle nicht von neuem zum Begraben einer anderen Leiche benutzt werden darf,
festzusetzen. Die Frist, der Begräbnisturnus, soll mindestens gleich derjenigen Zeit sein, welche der Zerfall der Leiche eines Erwachsenen oder, wo verschiedene Abteilungen für mehrere Größen- oder Altersklassen eingerichtet sind, einer Person der entsprechenden Klasse bis auf einzelne geringfügige anorganische Knochenreste längstens dauert. Dieselbe kann bei der Einrichtung eines neuen Platzes nur annähernd aus der Bodenbeschaffenheit erschlossen werden, die definitive Feststellung
ist dagegen erst angängig, nachdem tatsächliche Wahrnehmungen in betreff des Ablaufs der Verwesung bei Wiedereröffnung von Gräbern auf diesem Platze gemacht worden sind. Zahlreiche Erhebungen, welche hierüber im Königreich Sachsen stattgefunden und auch anderweitige Bestätigung erhalten haben, lassen zwar im allgemeinen annehmen, daß die Verwesung der Leichen Erwachsener in Sandboden in 7, in Lehmboden in 9 Jahren, diejenige von Kinderleichen noch schneller bis zu
einem Lebensalter von 10 Jahren etwa in der Hälfte bis zu zwei Dritteln dieser Zeit sich vollzieht; aber es kommen von dieser Regel recht zahlreiche Ausnahmen vor, welche sich großenteils nicht voraussehen lassen. So sind in der Provinz Schleswig-Holstein (GenSanBr. 1880) bei den günstigen Bodenarten, im besten Sandboden, durch von den Kreisphysikern vorgenommene Ausgrabungen derartige Erfahrungen gemacht worden, daß man durchweg dahin gelangte, auf Grund derselben bei den günstigen
Bodenarten 25 Jahre, bei den ungünstigsten 40-50 Jahre als Verwesungsfristen festzustellen. Da bei Eintritt von Fettwachsbildung oder von Mumifikation der endliche Zerfall der Leichen sich nicht absehen läßt, so kann für einen Platz, auf welchem einer dieser Prozesse in mehreren Fällen beobachtet worden ist, ein Turnus überhaupt nicht aufgestellt werden. Bei der vorläufigen Annahme des Turnus, welche für die Berechnung der erforderlichen Größe
eines anzulegenden Begräbnisplatzes nicht entbehrt werden kann, dürfte es sich im allgemeinen empfehlen, die Verwesungsfrist etwa doppelt so lang anzunehmen, als nach den sächsischen Erfahrungen notwendig erscheint, um später nicht vor die Notwendigkeit gestellt zu sein, wiederum einen neuen Platz erwerben zu müssen. Eine solche Bemessung dürfte meistens auch den Pietätsrücksichten entsprechen. (Die Berechnung des Gräberterrains ist nicht sowohl von hygienischer, als auch von ökonomischer
Bedeutung. Wird der Platz nicht ausreichend groß beschafft, so können bei geordnetem Betrieb nicht Nachteile für das Gesundheitswesen eintreten, sondern sind solche für das Vermögen und andere Unzuträglichkeiten für denjenigen zu erwarten, welcher den Platz zur Beerdigung der Leichen bereitzustellen hat. Die Berechnung geschieht durch Multiplikation der Ziffer der Turnusjahre mit dem für jedes Grab und die ihm auf einer Längs- und einer Querseite anliegenden Zwischenstücke durchschnittlich
bestimmten Flächenraum und der Ziffer der im Jahre zu erwartenden Sterbefälle; die letztere ist unter Zugrundelegung der in einer längeren - etwa 10jährigen - Reihe der letzten Jahre festgestellten Ziffern der Todesfälle, welche in der bzw. den auf den Begräbnisplatz angewiesenen Gemeinden vorgekommen sind, und zwar, falls diese Reihe eine Progression darstellt, unter der Voraussetzung der Fortsetzung der letzteren, nicht aber nach dem aus der Vergangenheit gewonnenen Durchschnitt zu
berechnen. Numerierung der Grabstellen. Registerführung Um die vorzeitige Wiederbelegung eines Grabes, wie auch um die bei einer Öffnung desselben aus anderen Gründen so behufs Verlegung der Leiche oder zu gerichtlichen Zwecken möglichen Gefahren der Verbreitung einer Infektionskrankheit zu verhüten, bedarf es der auch von nichthygienischen Gesichtspunkten aus erforderlichen dauerhaften Bezeichnung jeder Grabstelle nebst einer entsprechenden,
zweckmäßig mit einem Grundplan versehenen Registerführung, aus welcher sich der Name, das Lebensalter, die Tage des Todes und der Beerdigung des Begrabenen sowie im Falle der Tod an einer Infektionskrankheit eingetreten ist, die Art der letzteren ergeben. Grüfte Besondere Fürsorge erheischen die Grüfte. Dieselben sind tunlichst einzuschränken und von der besonderen Genehmigung im Einzelfalle abhängig zu machen. Letztere erscheint nur zulässig, wenn die
Gruft allseitig, also auch nach oben hin, durch Mauerwerk dicht umschlossen und mit Einrichtungen versehen wird, welche die stete Erneuerung der Gruftluft ermöglichen, ohne den Abzug derselben in die Nähe von Wohnungen zu gestatten. Vor dem Betreten einer belegten Gruft ist vorsichtig festzustellen, ob sich in derselben Kohlensäure oder eine andere giftige Gasart in gesundheitsgefährlicher Konzentration angehäuft hat und evtl. dieselbe zu entfernen. Anpflanzung
Auf dem Begräbnisplatz empfiehlt es sich, Pflanzenwuchs tunlichst zu fördern, da derselbe zur Verarbeitung der Leichenzersetzungsprodukte beiträgt. Zu vermeiden sind Bäume, welche durch viel Schatten gehendes Laub die Sonne von den Gräbern übermäßig abhalten oder ihre Wurzeln weit austreiben und dadurch die Herstellung der Gräber erschweren; bei feuchtem Boden sind Bäume, welche viel Feuchtigkeit aufzusaugen vermögen, wie Erlen, vorzuziehen. Ausgrabungen
Handelt es sich um die Frage, ob ein geschlossener Begräbnisplatz zu baulichen oder anderen Zwecken umgegraben werden darf, so ist ebenso wie auch bei jeder Eröffnung eines Einzelgrabes vorher festzustellen: 1. ob nach der seit der letzten Beerdigung abgelaufenen Zeit anzunehmen ist, daß noch feuchte stinkende Fäulnis angetroffen werden wird und 2. ob der Tod der Verstorbenen an Infektionskrankheiten erfolgt ist, von deren Keimen der inzwischen erfolgte Untergang nicht mit
Bestimmtheit angenommen werden darf. Im bejahenden ersteren Fall hat die anderweitige Benutzung des Platzes einstweilen zu unterbleiben, da das Fäulnisstadium nur eine verhältnismäßig kurze Dauer hat, im bejahenden zweiten Falle hat die Bloßlegung und Translozierung der Leiche bzw. Leichenreste und das Umgraben des umgebenden Bodens unter Anwendung besonderer Vorsichtsmaßregeln zu geschehen; dieselben bestehen in Desinfektion der verdächtigen Objekte (Leichen, deren Umhüllung, umgebender
Boden) unter sachverständiger Aufsicht mit anerkannt wirksamen Mitteln (Schwefelkarbolsäure, Ätzkalklauge), Schutz der Arbeiter vor Insektenstich durch Gesichtsmaske, Stiefel und Handschuhe, Gebrauch von Respiratoren, Enthaltung vom Essen und Trinken, Fernhaltung aller nicht notwendig beteiligten Personen. Leichenhallen, Särge Außer zum Begraben der Leichen sollen die Begräbnisplätze zweckmäßig auch zur Aufbewahrung derselben vor der Beerdigung benutzt werden
können. Die baldige Entfernung der Leichen aus der Umgebung der Lebenden ist für die öffentliche Gesundheitspflege von großer Wichtigkeit nicht nur wegen der lästigen Luftverunreinigung durch den Leichengeruch, sondern noch mehr, wenn die verstorbene Person an einer ansteckenden Krankheit gelitten hat, wegen der Gefahr der Infektion durch die Leiche. Besonders erstrebenswert ist die Entfernung aus der Sterbewohnung, wenn dieselbe eine so beschränkte ist, daß die Leiche nicht in einem
abgesonderten Gelaß für sich verschlossen werden kann, und mit ihr zusammen in einem Raume lebende Personen sich aufhalten oder Nahrungsmittel lagern müssen, noch mehr, wo die Unsitte besteht, in einer solchen Sterbewohnung Besuche zu machen oder -zumal bei offenem Sarge - allerlei Feiern, Gesänge, Schmausereien und dergleichen abzuhalten. Die Fortführung der Leiche geschieht am zweckmäßigsten ohne Zwischenstation nach einem Orte, welcher der Stelle der definitiven Unterbringung der
Leiche naheliegt, das ist nach einer Leichenhalle auf dem Begräbnisplatz. Zur Überführung soll bereits der definitive Sarg benutzt werden. Derselbe soll aus einem Material bestehen, welches genügend fest ist, in der Erde aber nicht zu schwer zerfällt (Tannenholz), dicht gefugt und verschlossen sein. Schwächliche Personen und Kinder sollen, als den Einwirkungen übler Gerüche und ansteckender Krankheitskeime in besonderem Grade unterworfen, zum Tragen des Sarges nicht benutzt
werden. Die Leichenräume der Halle sollen zu verschließen, gut zu lüften, vor dem Zutritt von Insekten möglichst zu schützen, mit leicht zu reinigenden Fußböden und Wänden versehen, zu desinfizieren und kühl zu halten sein. Falls sie auch zur Aufbewahrung von Körpern, deren Tod noch einem Zweifel unterliegt, dienen sollen, müssen sie leicht erwärmt werden können und Einrichtungen besitzen, welche jedes sich äußernde Lebenszeichen einem zuverlässigen Aufseher
anzeigen. C. Notwendige Unterlagen für Anträge auf Genehmigung zur Anlegung von Friedhöfen Behufs Erfüllung der hygienischen Aufgaben der Aufsichtsbehörde bei der Prüfung von Projekten zur Anlage oder Erweiterung von Begräbnisplätzen und von Entwürfen zu Begräbnisordnungen bedarf es der anschaulichen objektiven Darstellung aller derjenigen in Vorstehendem erörterten Eigenschaften und Verhältnisse des in Aussicht genommenen Platzes und seiner Umgebung sowie der Angabe
der Vorschriften über alle diejenigen Bestandteile des Betriebes, von welchen die Verhütung von Gefahren für die Gesundheit oder von Nachteilen für das Wohlbefinden von Menschen abhängig ist, somit der Klarlegung aller Momente, aus denen die Art und der Verlauf des Leichenzerfalls und die Möglichkeit oder Unmöglichkeit des Eindringens des Fäulnisgeruchs oder schädlicher Zerfallsprodukte in die Atmosphäre oder in Wasserentnahmestellen zu erschließen ist.
Zur vollständigen Klarstellung gehören: 1. Eine mit Maßstab und Nordlinie versehene Zeichnung der Lage des Platzes und seiner Zugangswege nebst nahegelegenen Wohngebäuden oder sonstigen Aufenthaltsräumen (Schulen, gewerblichen Anlagen u. dgl.) und Wasserentnahmestellen (Brunnen, fließende oder stehende Gewässer). Es genügt, falls ein gleichmäßiger, trockener, lufthaltiger, aber nicht klüftiger oder grobscholliger Boden vorliegt, die Darstellung bis auf eine
Entfernung von 35 m von der Grenze des Platzes; andernfalls bedarf es weiterreichender Angaben. Stets ist auch die Entfernung des Platzes von der nächsten geschlossenen Ortschaft und die Richtung der voraussichtlichen weiteren Entwicklung derselben, sowie evtl. die Lage (Entfernung, Wegsamkeit) zu den übrigen auf den Begräbnisplatz angewiesenen Ortschaften anzugeben. 2. Hinsichtlich der in der Zeichnung zu 1 angegebenen Wasserentnahmestellen eine auf eine bestimmte,
einheitliche Ordinate bezogene Mitteilung über die Tiefe des höchsten Standes des Wasserspiegels in den Kesselbrunnen, fließenden und stehenden Gewässern bzw. der höchsten Öffnung für den Wassereintritt in den Röhrenbrunnen. 3. Eine Übersicht über die Niveau- und Untergrundverhältnisse des Platzes und seiner Umgebung bis zu den nächsten Wasserentnahmestellen, und zwar für verschiedene mindestens zwei senkrechte Bodendurchschnittsebenen, deren
Oberflächenlinien in der Zeichnung zu 1 einzutragen sind, und welchen die zu 2 angegebene Ordinate zugrunde gelegt sein muß. Aus dieser Übersicht müssen die etwaigen verschiedenen geologischen Bodenschichten und die Grundwasserstände bis zu einer Tiefe von mindestens 2,5 m ersichtlich sein. Die Ermittlungen haben an genügend zahlreichen, sachverständig ausgewählten Stellen des Platzes, welche auf der Zeichnung zu 1 markiert sein müssen, sachverständig mittels Erbohrung oder Ausschachtung
stattzufinden. Die Feststellung der Grundwasserverhältnisse hat wiederholt, und zwar zur Zeit herrschender Trockenheit und nach längerem Regen, wenn möglichst hohe Stände zu erwarten sind, zu geschehen und sich nicht nur auf die Höhe der Stände, sondern auch auf die Richtung und, wenn tunlich, auf die Schnelligkeit der Bewegung des Grundwassers zu erstrecken. Die Ergebnisse sind eingehend mitzuteilen.
4. Eine Beschreibung der Beschaffenheit des Bodens unter Beachtung etwaiger Ungleichmäßigkeiten nach den physikalischen Eigenschaften und der chemischen und geognostischen Zusammensetzung (Porosität mittlere und extreme Größe der kleinsten, einzelnen Erdteilchen [Körnchen bis Geröllstücke] , Durchlässigkeit, Filtrationskraft, Luftgehalt, Trockenheit Verhältnis der Feuchtigkeit zum Volumen ; Kiesel-, Tonerde, Kalksalze, Eisenverbindungen, Humussubstanzen u. dgl. unter
hinreichend genauer Angabe der Mengenverhältnisse; Schichtung und sonstiges inneres Gefüge [Risse, Spalten, Klüfte]). 5. Ein Grundriß des Platzes mit Angabe der etwaigen Entwässerungen sowie der etwa für Grüfte und eine Leichenhalle bestimmten Flächen. 5.a) Eventuell ein Bauplan der Leichenhalle nebst Erläuterung über Einrichtung der Eingänge und Fenster, deren Lage zur Umgebung, über Lüftungs- und evtl.
Erwärmungsvorrichtungen, Beschaffenheit der Fußböden und Wände, evtl. auch Verbindung der Leichenräume mit der Wohnung des Aufsehers. 6. In dem Entwurf der Begräbnisordnung: Bestimmungen darüber, daß in der Regel in jedem nur eine Leiche und in welchen Ausnahmefällen etwa in einem Grabe gleichzeitig mehrere Leichen beerdigt werden dürfen, ferner über die Tiefe der Gräber am besten durch Angabe der zwischen der höchsten Stelle des Sarges und der
Erdoberfläche einzuhaltenden Entfernung , über die Dicke der zwischen den Särgen zu belassenden Erdwände, die sorgfältige Zufüllung der Gräber, die Breite der Zwischenräume zwischen den Grabhügeln, die Dimensionen der letzteren, über die Art der Gräberbezeichnung und der Registerführung, evtl. über die Errichtung und Benutzung von Grüften und einer Leichenhalle, und provisorische über die erste Wiederbelegungsfrist der Gräber
nach Belieben Unterscheidung der Gräber für die Leichen Erwachsener und für Kinderleichen mit Angabe der Größen- oder Altersgrenzen der verschiedenen Kategorien. Die definitive Festsetzung des Begräbnisturnus ist bis nach Ablauf dieser ersten Frist vorzubehalten. |