Startseite | postmortal-Blog | Umfrage zum Friedhofszwang

Besucher
seit Januar 2000

 Bestattungsgesetz NRW (BestG NRW)
Die zweite Lesung im Landtag am 15.05.2003

Untere Ebene:

Offentl.Anhörung
 
Katholische Kirche

Evangelische Kirche

Städtetag

Bestatter Fritz Roth

Verbraucherverband
Aeternitas

Bundesverband Bestatter

Thanatologen-Verband

Aktuelle Ebene:

Entwurf und Begründung der Landesregierung für
ein Bestattungsgesetz


Erste Lesung des
Bestattungsgesetzes NRW


Zweite Lesung des
Bestattungsgesetzes NRW


Dritte Lesung des
Bestattungsgesetzes NRW


FDP-Gesetzentwurf
zur Feuerbestattung


Landtagsdebatte zum
FDP Gesetzentwurf


StA Düsseldorf: “verbots-
widrig, nicht strafbar”


Historischer Text:
Königliche Deputation

Höhere Ebene 1:

Bestattungsrecht in:

Baden-Württemberg

Bayern

Berlin


Brandenburg

Bremen

Hamburg

Hessen

Mecklenb.-Vorpommern

Niedersachsen

Nordrhein-Westfalen

Rheinland Pfalz

Saarland

Sachsen

Sachsen-Anhalt

Schleswig-Holstein

Thüringen

Höhere Ebene 2:

Bestattungsrecht
Leitseite


Der Tod und die
Rechtsprechung


Der Tod im
juristischen Diskurs


Empfohlene
Rechtsliteratung


Klage gegen Land NRW wegen Friedhofzwang

Oberste Ebene

postmortal.de
Portal-Seite


Seite 1 - Editorial

Infos & Termine

Der Tod in Düsseldorf

Der Tod in Köln

DIE REDAKTION

Der Tod in der Literatur

Der Tod in der Diskussion

Tod in Recht & Ordnung

Bestattung & Beisetzung

Tod  Kultur - Geschichte

Tod in den Religionen

Tod in Poesie & Lyrik

Tod im Medienspiegel

Kontakte - Gästebuch Foren - Voten

PDF- MP3-Dateien

Impressum

Medieninformationen
Rechercheservice


Urnengalerie

Links: Tod im Internet

Bestatter in Deutschland

Landtag

 

Auszug aus dem Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

13/91

13.Wahlperiode

04.06.2003

7.    Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungswesen
       (Bestattungsgesetz - BestG NRW)

      
Dritte Lesung

Gesetzentwurf der Landesregierung
Drucksache 13/2728

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten 
der Vertriebenen und Flüchtlinge zur zweiten Lesung
Drucksache 13/3748
 

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten 
der Vertriebenen und Flüchtlinge zur dritten Lesung
Drucksache 13/3964
 

Änderungsantrag der Fraktion der FDP
Drucksache 13/3993
 

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 13/3764

 

Ergebnis

Präsident Ulrich Schmidt: Ich verweise auf den Änderungsantrag der FDP-Fraktion zur dritten Lesung Drucksache 13/3993 und auf den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 13/3764.

Ich eröffne die Beratung. Da der federführende Ausschuss erst unmittelbar vor der heutigen Plenarsitzung getagt hat und möglicherweise noch nicht alle Kolleginnen und Kollegen die Beschlussempfehlung haben lesen können, möchte ich den Vorsitzenden des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge, Herrn Champignon, bitten, uns kurz mündlich Bericht zu erstatten.

Bodo Champignon (SPD): Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge

Bodo Champignon (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der Landesregierung zum Bestattungsgesetz wurde durch das Plenum am 15. Mai 2003 in der Fassung nach der zweiten Lesung erneut zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge überwiesen. Mitberatend war wieder der Ausschuss für Kommunalpolitik.

Der federführende Ausschuss hat heute Morgen mit Genehmigung des Herrn Landtagspräsidenten eine außerplanmäßige Sitzung durchgeführt und eine Beschlussempfehlung zur dritten Lesung abgegeben.

Die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses zur dritten Lesung wurden inzwischen als
Drucksache 13/3964 verteilt. Da ich davon ausgehe, dass nicht alle von Ihnen diese Drucksache bereits vollständig gelesen haben, teile ich Ihnen hiermit mit, dass mein Ausschuss den Gesetzentwurf in der Fassung nach der zweiten Lesung unverändert zur Annahme empfiehlt. Diese Beschlussempfehlung wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP abgegeben.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ausdrücklich haben wir in die Beratung heute Morgen die letzte Zuschrift vom Katholischen Büro Nordrhein-Westfalen und vom Evangelischen Büro Nordrhein-Westfalen sowie die weiteren unterschiedlichen Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände in Nordrhein-Westfalen einbezogen. Es war bei Beantragung der dritten Lesung der Wunsch der CDU-Fraktion, im Fachausschuss auf der Grundlage dieser schriftlichen Stellungnahmen erneut zu beraten. Die Positionen der Fraktionen werden sicherlich die nach mir folgenden Rednerinnen und Redner darstellen.  Danke schön.

    (Beifall bei der SPD)

Präsident Ulrich Schmidt: Vielen Dank, Kollege Champignon, für die Berichterstattung aus dem Fachausschuss. - Das Wort hat der Abgeordnete Vöge von der SPD-Fraktion

Horst Vöge (SPD) zum Thema “Urne nach Hause": “Hier gab es insbesondere Kritik, z. B. aus den Kirchen, die gesagt haben, dass sie das aus ethischen Gründen nicht wollen. Weil die Vorschrift eventuell missbraucht werden könnte und Urnen auf Rummelplätzen, in Trödelläden oder  ein Beispiel aus den Niederlanden in Grachten entsorgt werden könnten”.

Horst Vöge (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich hoffe, zum letzten Mal über das Bestattungs- und Friedhofswesen in Nordrhein-Westfalen sprechen zu müssen. Ich hoffe, es gibt keinen Kulturkampf, wie wir ihn in den letzten Monaten erleben durften. Es ging manchmal weniger um die Sache und mehr, wie ich den Eindruck hatte, um einen Popanz, den in erster Linie die CDU-Fraktion aufgebaut hat.

Meine Damen und Herren, es geht bei diesem Gesetz in der Hauptsache um ein Rahmengesetz, mit dem wir den Kommunen sagen, sie könnten etwas verändern, müssten es aber nicht.

Den Kommunen wird bedeutet: Ihr könnt etwas an dem verändern, was sich in den letzten 200 Jahren bei uns herausgebildet hat. Man spricht in diesem Zusammenhang von Bestattungskultur. Wir sind der Meinung, es hat sich vieles in den letzten Jahrzehnten verändert, und dem müssen wir Rechnung tragen.

Die letzte wichtige Gesetzesregelung fand im Jahre 1934 statt. Seitdem hat sich nicht viel verändert. Wir sind deshalb der Meinung, dass wir den Kommunen und den Kirchen  beide sind in der Hauptsache Friedhofsträger  nichts vorschreiben, sondern dass wir einen Rahmen vorgeben sollten.

Wir sagen: Ihr könnt privatisieren, ihr müsst es nicht. Ihr könnt Teile privatisieren, ihr müsst es aber nicht. Vor Ort beschließt ihr, und vor Ort entscheidet ihr. Ich finde, das ist eine gute Regelung. Selten kommt ein Land den Kommunen so weit entgegen wie in diesem Fall, in dem sie die absolute Entscheidungsfreiheit darüber haben, was sie wollen.

Wir haben auch eine Regelung der so genannten Bestattungs- oder Friedfelder aufgenommen. Auf Bitten von zwei kommunalen Spitzenverbänden, Landkreistag und Städte- und Gemeindebund, haben wir dies in § 1 präzisiert, weil sie uns sagten: Bitte schreibt es konkreter hinein, damit Kommunen auch eine Handlungsanleitung haben. - Das haben wir getan. Die Kommunen sind – das behaupte ich - froh  zumindest hören wir es vom Städte- und Gemeindebund und vom Landkreistag , dass wir ihren Empfehlungen gefolgt sind.

Wir sagen nicht: "Ihr müsst einen Friedwald bauen, ihr müsst einen Friedwald privatisieren", sondern: "Das könnt ihr vor Ort selber entscheiden." Ich finde, das ist ein guter Weg. Wir sagen nicht: "Ihr müsst die Sargpflicht in jeder Kommune in Nordrhein-Westfalen und für jeden Friedhof in Nordrhein-Westfalen aufheben", sondern: "Vor Ort könnt ihr aufgrund der Bevölkerungsgegebenheiten, religiösen Traditionen bzw. manchmal auch Bodenbeschaffenheiten die Sargpflicht aufheben, ihr müsst es aber nicht." Ich finde, das ist ein guter Weg, bei dem wir ein hohes Maß von Freiwilligkeit unterstellen und die Entscheidung vor Ort belassen. Ich verstehe die Kritik deshalb nicht.

Wir haben einen Punkt verändert   das haben wir beim letzten Mal schon erwähnt , das ist die Frage unter der Schlagzeile "Urne nach Hause". Hier gab es insbesondere aus zwei Bereichen Kritik, z. B. aus den Kirchen, die gesagt haben, dass sie das aus ethischen Gründen nicht wollen. Weil die Vorschrift eventuell missbraucht werden könnte und Urnen auf Rummelplätzen, in Trödelläden oder  ein
Beispiel aus den Niederlanden  in Grachten entsorgt werden könnten, während die Kommunen die Pflicht haben, die Totenwürde bzw. die Totenruhe zu kontrollieren, haben wir gesagt: Das kann man nicht kontrollieren, das würde ein zu großer kommunaler Aufwand sein. Deshalb haben wir diesen Paragraphen herausgenommen.

Insgesamt halten wir es für ein gutes Gesetz. Es entspricht vielen neuen Strömungen bei uns. Es ist ein Gesetz mit einer hohen Freiwilligkeit. Bestimmte Passagen wie Friedwald werden auch von CDU-Regierungen  wie im Saarland im Februar dieses Jahres  vorgeschlagen. Zwar haben sie nicht die Privatisierung dabei, aber sie geben den Kommunen die Möglichkeit, so etwas zu machen. Mir ist es letztendlich gleich, ob es ein privater oder ein in öffentlicher Verantwortung befindlicher oder ein kommunaler Friedhof ist, der sich Friedwald oder Bestattungswald nennt. Den Menschen muss die Möglichkeit zu individuellen Formen der Bestattung gegeben werden. Das ist aus meiner Sicht der richtige Weg.  Danke sehr.

    (Beifall bei SPD und GRÜNEN)

Präsident Ulrich Schmidt: Ich danke dem Kollegen Vöge.  Das Wort hat der Abgeordnete Post, CDU-Fraktion.

Norbert Post (CDU): “Das Gesetz ist nicht nachhaltig und bestenfalls eine Willenserklärung der Regierungskoalitionen, anderen Bestattungsformen Rechnung zu tragen.”

Norbert Post (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn das Gesetz so, wie die Koalition es will, verabschiedet wird, werden wir wohl eine Menge von anschließenden Verordnungen und Satzungen bekommen. Denn die Kommunen und auch das Land werden Regelungen, die im Gesetz nicht getroffen sind, nachvollziehen müssen.

Das Gesetz ist nicht nachhaltig und bestenfalls eine Willenserklärung der Regierungskoalitionen, anderen Bestattungsformen Rechnung zu tragen. Sie verfolgen damit aber eine Änderung der Bestattungskultur unter dem Mantel zeitgemäßer Formen. Die Folge wird eine schleichende Änderung der Bestattungskultur an sich sein.

Sie führen an, die Interessen aller Menschen in unserem Land wahrnehmen zu wollen. Dazu stellen Sie dar, dass traditionelle Bestattungsformen eine Beschränkung von Freiheit darstellen. Wir dagegen fordern eine stärkere Verwurzelung der Menschen- und Totenwürde bei den Formen der Bestattung. Wir wollen Bestattungen auch weiterhin als öffentliche Daseinsvorsorge und nicht als Marktfreigabe für die Aktivitäten Privater.

Wir fordern Umsetzbarkeit des Bestattungsgesetzes durch die Kommunen und öffentlichen Träger. Die aber werden die Probleme der praktischen Umsetzung nicht hinbekommen. Wir werden eine Verteuerung erleben. Dabei wollen wir auch private Krematorien. Wir wollen auch private Dienstleistungen auf Friedhöfen und für Friedhöfe ohne Aufgabe der grundsätzlichen Bestattungskultur, aber mit Öffnung für eine vielfältiger werdende Gesellschaft mit klaren ordnungspolitischen Zuständigkeiten.

Sie haben den Gedanken der persönlichen Freiheit stark überhöht und sozusagen absolut gesetzt. Sie lassen Markt zu. Sie werden mit diesem Gesetz die Bestattung für die Menschen in der herkömmlichen Art und Weise teurer machen. Dadurch werden Menschen in unserem Land hin zu den neuen Bestattungsformen genötigt. Aber das stört Sie offensichtlich weniger.

Nebenbei: Dafür haben Sie z. B. mit der Anzeigenpflicht beim Transport zusätzliche Verwaltungsaufgaben ins Gesetz genommen.
Allerdings gehen Sie unter dem Zeichen größerer Freiheit einen Wandel der Kultur an.

Wir lehnen das Verstreuen von Asche besonders auf privaten Bestattungseinrichtungen ab.

    (Beifall bei der CDU)

Wir fordern Sie auf, den Verbleib der Urnen auch bei Aushändigung an Hinterbliebene klar feststellbar zu machen.

Wir fordern von Ihnen, dass Sie auf der Grundlage der Bestimmungen des BSHG Mindestanforderungen an Sozialbestattungen festschreiben.

Der Würde des Menschen entsprechend muss der Transport in dafür bestimmten Fahrzeugen festgelegt werden. Auch das ist nicht geschehen.

Ob Sie mit Ihrem Gesetz Ihren eigenen Anforderungen an größere Freiheit in der Umsetzung entsprechen, wird sich zeigen. Von mir wird es allerdings bezweifelt.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Edith Müller)

Durch immanent im Gesetz erzeugte Zwänge, Bestattungen preisgünstig zu machen und in die eigene Entscheidung zu stellen, und durch die angeblich auf die Kommunen übertragene Entscheidungsfreiheit entsteht ein Druck, möglichst wirtschaftlich zu bestatten, bei dem die Würde des Toten auf der Strecke bleiben könnte. Das können wir nicht mitmachen.

Die Bestattungskultur im Land wird uneinheitlicher denn je und für den Staat unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten auch unüberschaubarer. Viele Fragen der Umsetzbarkeit bleiben offen: Wie soll die Bestattung ohne Sarg ablaufen? Wie sollen Aufbewahrung und Transport stattfinden, wenn die früheste Bestattungsmöglichkeit nach 48 Stunden besteht? Wie soll das Verfahren beim Verstreuen laufen? Verbrennung muss ja in brennbaren Behältnissen stattfinden. Wie soll der Transport der Asche eventuell ohne Urne ablaufen? Das sind alles Fragen, die nicht beantwortet wurden. Deshalb habe ich eingangs gesagt, dass Sie noch einen Wust von Verordnungen nachschieben müssen.

Sie haben uns in der letzten Plenardebatte vorgeworfen, hier quasi einen Kulturkampf heraufzubeschwören. Aber auch dabei sollten Sie sich vielleicht genauer informieren. Der ging nämlich 1872 auch von der Regierung aus.  Danke schön.

    (Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Edith Müller: Vielen Dank, Herr Post.  Für die Fraktion der FDP hat Herr Dr. Romberg das Wort.

Dr. Stefan Romberg (FDP): “Wir wollen die Libera- lisierung der Feuerbestattung. Wir wollen die Mög- lichkeit eröffnen, dass Menschen die Urne mit nach Hause nehmen dürfen, wenn es im Testament ge- wünscht wird. Deshalb haben wir auch heute noch einmal im Plenum zur dritten Lesung den Änderungsantrag eingebracht”.

Dr. Stefan Romberg (FDP): Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Heute ist es hell genug. Heute brauchen wir keine Lampe. Wir haben nicht November, sondern fast schon Hochsommer.

Es ist über zweieinhalb Jahre her, dass wir als Freie Demokraten diesen Gesetzentwurf zur Liberalisierung der Feuerbestattung eingebracht haben. Wir können mit ein bisschen Stolz behaupten, dass nicht nur Nordrhein-Westfalen in diesen zweieinhalb Jahren ziemlich intensiv über neue und alternative Bestattungsformen nachgedacht hat, sondern mittlerweile auch Gesamtdeutschland. In vielen Landtagen entstehen im Moment Initiativen, das dort gültige Bestattungsgesetz zu überdenken, neu zu strukturieren. Diese Debatte wird von vielen Menschen mit sehr viel Emotionen und hohem Interesse verfolgt.

Nach zweieinhalb Jahren ist das Ergebnis eher enttäuschend: eine rot-grüne Reform, wie wir sie auch aus anderen Bereichen kennen und wie sie in den letzten Tagen viel diskutiert worden ist. Es kommt zum Schluss nichts Gutes dabei heraus. Das sind die Menschen irgendwann leid.

Zu den wirklichen Neuerungen gehören der Verzicht auf den Sargzwang, die Erlaubnis, die Totenasche auf Aschefeldern zu verstreuen, und das Bestattungsrecht für Tot- und Fehlgeburten.

Dazu sagt unsere Gesundheitsministerin: Das ist ein richtungweisendes Bestattungsgesetz. Es folgt der gesellschaftlichen Entwicklung hin zu mehr Öffentlichkeit und zu selbstverantwortlichen Entscheidungen der Menschen.

Aber nein, dieses Gesetz stärkt die Eigenverantwortung der Menschen nicht. Denn wenn Sie den Menschen Eigenverantwortung zutrauen würden, dann hätten Sie unserem Gesetzentwurf zugestimmt, eine Liberalisierung der Feuerbestattung zuzulassen  entsprechend den Wünschen im Testament des Verstorbenen.

    (Beifall bei der FDP)

Letztendlich werden Menschen im Rahmen ihres Todes entmündigt. Vorher ist das Selbstbestimmungsrecht der Menschen ein sehr hohes Rechtsgut. Mit dem Tod erlischt das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Das muss sich ändern.

Wir befürchten, dass Leichentourismus zunehmen wird. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ der letzten Tage steht: Die Asche der Toten im Handstaubsauger.  Das ist eine Umgehung der Gesetzgebung hier in Nordrhein-Westfalen. Ich finde unsere Gesetzgebung, die dazu führt, dass Menschen zu solchen Untaten schreiten müssen, ziemlich schändlich.

Wir sind nun einmal nicht mehr solitär in Europa. Im gesamten europäischen Umland ist das Bestattungsgesetz nicht so restriktiv wie hier, nicht so bürokratisch.

Wenn ich die Meinung der Christdemokraten höre, die Kultur der Bestattung würde völlig untergehen, dann bitte ich Sie, z. B. einmal Länder wie Frankreich, Spanien, Italien zu bereisen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dort mit den Toten so schlecht umgegangen wird.

Wir wollen die Liberalisierung der Feuerbestattung. Wir wollen die Möglichkeit eröffnen, dass Menschen die Urne mit nach Hause nehmen dürfen, wenn es im Testament gewünscht wird. Deshalb haben wir auch heute noch einmal im Plenum zur dritten Lesung den Änderungsantrag eingebracht.

Unser zweites wichtiges Anliegen, das auch in den Ausschussberatungen nicht angenommen wurde, ist die schlechte Qualität der Leichenschau. Dort sehen wir einen erheblichen Regelungsbedarf. Viele ungeklärte Todesfälle in Nordrhein-Westfalen werden nicht entdeckt. Rechtsmediziner sagen: Jedes zweite Kapitalverbrechen wird nicht entdeckt. Für einen Rechtsstaat ist das sehr bedenklich, wenn er das zulässt, obwohl andere Möglichkeiten bestehen.

    (Beifall bei der FDP)

Das sind hochgerechnet immerhin 100 bis 200 Morde in Nordrhein-Westfalen, die wir akzeptieren, wenn wir jetzt etwa aus Kostengründen keine andere Regelung einbringen. Wir haben ausgerechnet, dass eine unabhängige Leichenschau durch einen Profi im Leichenschauhaus unter professionellen Bedingungen pro Jahr 5 Millionen € kosten würde. Das machen andere Länder wie z. B. die Vereinigten Staaten auch, die damit gute Erfahrungen gesammelt haben.

Wir müssen alte Menschen in diesem Land schützen. Die Menschen werden immer älter, gebrechlicher und fallen der Gesellschaft zur Last. Unsere Hilfen in diesem Sozialstaat sind eben nicht so optimal, all diese Nöte aufzufangen. Manchmal kommt es eben auch dazu, dass Menschen umgebracht werden. Und bei alten Menschen fällt das viel zu wenig auf. Deshalb sehen wir dort Handlungsbedarf.

Diese beiden Punkte sind für uns wichtig. Sie sind nicht geregelt, und deshalb lehnen wir den jetzigen Entwurf des Bestattungsgesetzes ab.  Danke sehr.

    (Beifall bei der FDP)

Vizepräsidentin Edith Müller: Vielen Dank, Herr Dr. Romberg.  Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Steffens das Wort.

Barbara Steffens (GRÜNE): “Ich kann nur sagen. Wir haben ein Bestattungsgesetz, mit dem ich sehr zufrieden bin. Ich habe das schon in der letzten Debatte gesagt. Wir haben mit diesem Gesetz die Gratwanderung zwischen dem Bewahren von Bestattungskultur im traditionellen Sinn und dem Öffnen zu neuer Bestattungskultur geschafft.”

Barbara Steffens*) (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zumindest an einem Punkt an Herrn Romberg anknüpfen. Wenn Sie von einem Artikel im "Kölner Stadtanzeiger über Leichentourismus sprechen und wenn Sie befürchten, dass das zunimmt, hieße das im Umkehrschluss: Alles, was in angrenzenden Ländern möglich ist und vielleicht auch hier gewollt wird, muss man auch hier machen. Man darf keine eigenen Werte, keine eigenen Traditionen in unserem Land haben, sondern man muss die der benachbarten Länder annehmen.

Dazu kann ich nur sagen: Das hat nichts mit unserer Politik zu tun, sondern wir müssen hier in Nordrhein-Westfalen über unsere Werte diskutieren, danach entscheiden und dann fragen: Was passiert mit Leuten, die sich nicht an diese Werte halten? Aber ich halte es für falsch, im Umkehrschluss zu sagen: "Wir übernehmen das alles", gerade auch vor dem Hintergrund der Diskussionen, die wir heute Morgen bezogen auf Sterbehilfe geführt haben. Ich lehne es strikt ab, sich nach anderen Ländern zu richten; wir müssen unsere Werte hier definieren.

Deshalb halte ich unseren Gesetzentwurf, wie er jetzt vorliegt, für einen guten Gesetzentwurf. Herr Post, ich kann wieder nur sagen: Die Argumentation, die von Ihnen vorgetragen wird, das extreme Darstellen von Werteverfall und einer schleichenden Änderung der Bestattungskultur, kann ich nicht teilen und Ihre Argumentation nicht nachvollziehen.

    (Beifall bei einzelnen Abgeordneten von GRÜNEN und SPD)

Wir geben hier keine Bestattungskultur auf, sondern wir sehen, dass es hier auch eine Erweiterung und Veränderung von Kultur gibt. Kultur ist nichts Statisches, sondern Kultur ist etwas, das sich mit einer Gesellschaft entwickelt.

    (Beifall bei einzelnen Abgeordneten von GRÜNEN und SPD)

Unsere Bestattungskultur hat sich in bestimmten Punkten verändert. Ich kann überhaupt nicht verstehen, dass für Sie die Seebestattung, also das Verstreuen von Asche im Meer, zum Wasser hin, Kultur ist, aber das Verstreuen zu Land, wenn Menschen es wünschen, nicht.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

Ich kann das überhaupt nicht verstehen, denn ich glaube nicht, dass das Medium, wohin die Asche verstreut wird, entscheidend ist, sondern mit welchem Willen ein Mensch diese Art der Bestattung wählt und wie würdevoll man damit umgeht.

Letzter Punkt! Sie sagen: Die armen Kommunen in Nordrhein-Westfalen werden gezwungen, das zu regeln. Gerade von Ihrer Fraktion wird doch immer argumentiert, dass die Kommunen Entscheidungskompetenzen haben sollen. Jetzt sagen wir, die Kommunen können das sowohl in ihren Satzungen regeln als auch Private mit Aufgaben betrauen. Sie können Friedwälder einrichten. Sie können es, sie müssen nicht. Sie, meine Damen und Herren von der CDU, sind doch in vielen Kommunen an der Regierung. Nutzen Sie doch den Gestaltungsspielraum, setzen Sie es vor Ort um, statt hier zu schreien, Sie wollten in den Kommunen von uns regiert werden! Das kann ich nicht verstehen.

    (Beifall bei GRÜNEN und SPD)

Ich kann nur sagen. Wir haben ein Bestattungsgesetz, mit dem ich sehr zufrieden bin. Ich habe das schon in der letzten Debatte gesagt. Wir haben mit diesem Gesetz die Gratwanderung zwischen dem Bewahren von Bestattungskultur im traditionellen Sinn und dem Öffnen zu neuer Bestattungskultur geschafft. Wir haben beides miteinander vereint. Wir haben große Defizite in Nordrhein-Westfalen beseitigt, gerade bezogen auf die Frühgeburten und die Säuglinge. Da haben wir mit diesem Gesetz viel erreicht. Ich bin froh, dass wir dieses Gesetz auf den Weg bringen. Ich glaube auch nicht wie Sie, Herr Post, dass es jetzt in den Kommunen zu Katastrophen kommt, sondern ich glaube, dass dieses Land in der Bestattungskultur einen erheblichen Schritt vorankommt. Darüber bin ich froh.  Danke schön.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Edith Müller: Vielen Dank, Frau Steffens.  Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Fischer das Wort.

Ministerin Birgit Fischer (SPD): “Wir werden in einigen Jahren die Gelegenheit haben, erneut über dieses Gesetz zu beraten, weil wir dieses Gesetz befristet haben und die entsprechenden Erfahrungen dann auswerten können.”

Birgit Fischer, Ministerin für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gab in den letzten Monaten zum Bestattungsgesetz eine engagierte Diskussion. In der Öffentlichkeit standen besonders die Regelungen im Mittelpunkt, die die Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger und die Eigenverantwortung der Friedhofsträger stärken sollten. Die einen hätten sich größere Gestaltungsfreiheit gewünscht, andere sagen, die Art, wie die Totenwürde zu verstehen und zu schützen sei, sei der Entscheidung des Staates vorbehalten.

Ich möchte auf einige Argumente der CDU-Fraktion noch einmal eingehen. Herr Kollege Post hat die Sicht der CDU-Fraktion scharf akzentuiert. Da der Staat für die Achtung der Totenruhe verantwortlich sei, habe er auch die Verantwortung für die Friedhöfe als den Ort der Totenruhe. Deshalb dürfe nur der Staat in seinen Gliederungen das Friedhofswesen verantworten. Diese etatistische Auffassung ist weiß Gott zu eng. Denn danach wären sogar die Kirchen nicht befugt, Friedhöfe in eigener Verantwortung zu führen.

Weiter berufen Sie sich auf Art. 1 des Grundgesetzes, wonach die Würde des Einzelnen nicht disponibel sei. Diesem Grundsatz stimmt der Landtag sicherlich ohne Einschränkung zu. Sie ziehen daraus aber unzulässigerweise den Schluss, eine Ascheverstreuung gemäß dem letzten Willen des Verstorbenen sei eine Aberkennung oder zumindest eine Verletzung der Würde des Menschen.

Sehr geehrte Damen und Herren, noch vor etwa 80 Jahren haben viele in der Einäscherung Toter einen Würdeverstoß gesehen. Heute wird hier die Würdefrage nicht mehr gestellt. Nicht anders ist es mit der Seebestattung. Ich will damit verdeutlichen, dass sich die Formen, in denen Tote bestattet werden, im Laufe der Zeit ändern können. Dies gilt prinzipiell auch für die Totenwürde. Sie wird so lange geachtet, wie Bestattende in gesellschaftlich allgemein akzeptierter Weise und in achtungsvoller Einstellung gegenüber dem letzten Willen des Verstorbenen das Begräbnis vollziehen. Auch Selbstbestimmung ist ein integraler Teil der Würde des Menschen.

Die CDU-Fraktion hat schließlich vehement den Sarg- und Urnenzwang als Teil der Pietät gefordert, die wir den Toten schulden. Ausnahmen sollen nur gelten, wenn Tote bestimmten Religionsgemeinschaften angehört haben. Die Praxis, sehr geehrte Damen und Herren, wird voraussichtlich so sein. Aber ein Gesetz kann dies nicht vorgeben. Eine solche, ausschließlich an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion geknüpfte Ungleichbehandlung würde gegen das Gleichbehandlungsgebot unserer Verfassung verstoßen.

Ähnlich unverständlich ist mir die Verketzerung wirtschaftlicher Überlegungen im Friedhofswesen. In schwärzesten Farben wird der Zusammenbruch des Friedhofswesens prognostiziert. Selbst wenn die rigorosesten Vorschriften zur Erhaltung und Verschärfung des Friedhofzwangs per Gesetz festgeschrieben würden, könnten Sie nicht die Landesgrenzen schließen. Vielmehr würden schon aus Kostengründen noch wesentlich mehr Feuerbestattungen ins benachbarte Ausland oder in andere Länder verlagert, ohne dass dort die hier übliche Achtung der Totenwürde gesichert wäre.

Sehr geehrte Damen und Herren, Titulierungen wie "schleichende Änderungen", "Mantel der Zeitgemäßheit", "Wandel der Kultur wird eingeläutet" werden auch durch Wiederholungen nicht richtig. Abgesehen davon, dass sie den Nachweis dafür schuldig bleiben, muss man zu diesem Gesetz eines deutlich sagen: Dieses Gesetz beschreibt keine Abkehr von traditionellen Bestattungsformen, sondern versucht ein Gleichgewicht zwischen Tradition und neuen veränderten Vorstellungen im Umgang mit Tod und Trauer zu finden.

Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass mein Respekt und die Achtung vor den Vorstellungen der Menschen, wie sie sich eine Bestattung vorstellen, wie sie mit Tod und Trauer umgehen wollen, sowohl beim eigenen Tod als auch in der Situation als Hinterbliebener nur der Maßstab für ein Gesetz und die darin vorgegebenen Rahmenbedingungen sein kann.

Weder eine Landesregierung noch ein Landesgesetzgeber können sich anmaßen festzustellen, was zeitgemäß und was nicht zeitgemäß ist. Sehr wohl sind aber die Vorstellungen der Menschen, die wir auch in den öffentlichen Diskussionen immer wieder erlebt haben, ein Maßstab dafür, welche Möglichkeiten wir in einem Gesetz schaffen können.

Mich verwundert schon die Tatsache, dass hier kritisiert wird, es gebe nicht ausreichend detaillierte Regelungen. Ich nehme vorweg: Sie müssen keinen Wust von Verordnungen befürchten. Die wird es nicht geben. Es gibt einen Rahmen, der vom Gesetzgeber festgesetzt ist. Die Friedhofsträger, sprich: die Kommunen, werden in ihren Satzungen alles Weitere regeln, sodass kein Wust von Verordnungen die Folge sein wird. Die Ausgestaltungsmöglichkeiten liegen letztendlich bei den Kommunen. Niemand muss Angst davor haben, dass die Kommunen da nicht die richtigen Entscheidungen treffen.

Das Gesetz wahrt die tradierten Werte unserer Gesellschaft und ist zugleich zeitgemäß. Ich glaube, es ist in der Tat ein Gesetz, das einen erheblichen Fortschritt im Vergleich zu den zahlreichen Einzelregelungen bringt, die wir bisher hatten und die die bisherigen Wünsche und Vorstellungen der Menschen nicht aufgenommen hatten.

Wir werden in einigen Jahren die Gelegenheit haben, erneut über dieses Gesetz zu beraten, weil wir dieses Gesetz befristet haben und die entsprechenden Erfahrungen dann auswerten können. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei SPD und GRÜNEN)

Vizepräsidentin Edith Müller: Vielen Dank, Frau Ministerin. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse erstens über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 13/3993 abstimmen. Wer stimmt dem Änderungsantrag zu? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich?  Damit ist der Änderungsantrag mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU gegen die Stimmen der FDP abgelehnt.

Ich lasse zweitens abstimmen über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge zur dritten Lesung
Drucksache 13/3964, den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Fassung nach der zweiten Lesung unverändert anzunehmen. Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung zu? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU und FDP angenommen und der Gesetzentwurf Drucksache 13/2728 in dritter Lesung verabschiedet.

Ich lasse drittens über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Drucksache 13/3764 abstimmen. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU und FDP angenommen.


Die Debatte kann auch als Mp3-Datei vom Server geladen werden:
http://www.postmortal.de/mp3/BestG-NRW-DritteLesung.mp3

Das Protokoll als PDF-Dokument


Link zur Umfrage

  Beteiligen Sie sich bitte auch an der postmortal
Umfrage
zum Friedhofszwang für Totenaschen in Deutschland
Die bisherigen Ergebnisse werden Sie überraschen.

Link zur Umfrage