Die Grachtenaffaire deutscher Kirchen- und Bestatterfunktionäre: Gezielte Lügen und dreiste Demagogie Während der erbitterten Auseinandersetzung um
die in NRW geplante Liberalisierung des Friedhofszwangs war den frommen Pharisäern und ihren unersättlichen Helfern aus der milliardenschweren deutschen Bestattungsindustrie offenbar jedes verwerfliche Mittel recht.
Von Bernd Bruns, postmortal.de
In einer Desinformationskampagne nach Goebbelsscher Manier lancierten sie immer wieder eine gezielte Lüge in die Medien: Fast alle Zeitungen, Rundfunk- und TV-Sender zitierten bundesweit die von ihnen gepredigte Horrorstory von den Urnen, die angeblich bei der Reinigung der niederländischen Grachten „jährlich zu hunderten aus dem Wasser gefischt” würden. Die Aschen der Verstorbenen - so die fromme Agitation
- seien von ihren holländischen Angehörigen auf diese “unwürdige Weise kosten- günstig beseitigt worden”. Mit im Boot der Ignoran- ten des achten göttlichen Gebotes: Die so genannte „Christenpartei“ im Landtag NRW, Kirchenvertreter beider Konfessionen und die höchst kundenfeind- lichen Repräsentanten des dubiosen deutschen Bestatterverbandes (BDB) aus Düsseldorf. Auch die Interessenvertreter der Steinmetzen, Friedhofs-
gärtner und der kirchlichen wie kommunalen Fried- hofsträger beteiligten sich an der gezielten lügenhaf- ten Manipulation von Politik und Öffentlichkeit um ihre handfesten Lobby-Interessen gegen die verbrei- teten Wünsche der Bürger durchzusetzen. “Diese abschreckenden Beispiele in den Niederlan-
den“, so nicht nur die Vertreter der beiden christli- chen Amtskirchen, “drohen auch in Deutschland bei einer Liberalisierung des Friedhofszwangs.”
Kennern der niederländischen Verhältnisse überkamen sofort erhebliche Zweifel an solchen Darstellungen. Denn in den Niederlanden, mit seinen überwiegend privatwirtschaftlich organisierten Friedhöfen und Krema- torien, dürfen die Angehörigen die Asche ihrer Verstorbenen nicht selten zum Nulltarif auf besonderen
Aschenfeldern ausstreuen. Warum sollten sie vor diesem Hintergrund auf die billige Entsorgung in den Grachten angewiesen sein?
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| Jasper Enklaar, Chefre- dakteur Uitvaart: “Die Nachricht kam
per Umweg über Deutschland in die Niederlande”. |
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| Postmortal.de wollte es jetzt genauer wissen und recherchierte bei den Fachredakteuren der niederländischen Bestattungs-Zeitschrift „Uitvaart“. Die müssen ja von den behaupteten Zuständen in ihrem liberalen Land Kenntnis haben. Jasper Enklaar
, Chefredakteur des Fachblattes, war erkennbar überrascht, als er von postmortal.de mit den belegbaren Presseerklärungen aus deutschen Kirchen- und Bestatterkreisen konfrontiert wurde. Jasper in einer mail an den Autor dieses Artikels: “Ich habe niemals gehört von Urnen entweder am Strassenrand oder in der Grachten. Um sicher zu sein habe ich nachgefragt beim Krematorium Westgaarde in Amsterdam und bei der
'Reinigiungs-Polizei' von Amsterdam. In beiden Fälle hat man mir lächelnd geantwortet: ‘Blöder Unsinn!’”. Und: “Die Behauptung scheint mir also eher demagogische Dichtung als Wahrheit”, so Jasper weiter.
Tatsächlich sind die interessengesteuerten deutschen Agitatoren aus Kirchen- und Bestatterkreisen für ihre dreisten öffentlichen Behauptungen jeden Beweis schuldig geblieben. Wie war das noch mit dem achten göttlichen Gebot?: “Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen wider deinen Nächsten”. Oder umgangssprachlich: Du sollst nicht lügen. Es sei denn, so die offenbar praktizierte Doppelmoral, die Lüge dient der skrupellosen Verfolgung kirchlicher Interessen. Diese Interessen ergeben sich schon allein dadurch, dass die
Kirchen in Deutschland auch eigene Friedhöfe betreiben. Da ist das Festhalten am Friedhofszwang aus kommerziellen Gründen nur logisch.
An theologischen Gründen gegen eine Liberalisierung der Feuerbestattung herrscht dagegen in hiesigen Kirchenkreisen erkennbar großer Mangel. In fast allen Ländern Europas - selbst im erzkatholischen Spanien und Italien - ist der Verzicht auf einen Friedhofszwang für Totenaschen offenbar mit den christlichen Kirchen
kompatibel. Wie groß die Argumentationsnot der deutschen Amts- kirchen gegen die Liberalisierung der Feuerbestattung ist, lässt sich erahnen, wenn der Präses Manfred Kock, Vorsitzender der EKD, in einem Statement in der Tagesschau am 1.11.02 das Bestattungsgesetz in NRW in Verbindung bringt mit „Krematorien in unheiligen Zeiten, in
denen Menschen zu Millionen vergast worden sind“. Den freien Willen von freien Menschen in einem freien Land über Art und Ort ihrer Bestat- tung zu vergleichen mit dem Umgang der Aschen durch eine verbreche- rische staatliche Mordmaschinerie industriellen Ausmaßes, ist so ungeheuerlich, dass man sich von solchen demagogischen Kirchen- funktionären nur abwenden kann.
Bei dem evidenten Mangel an Argumenten bleibt schließlich nur noch
die Agitation um die angestrebten Ziele zu erreichen. Insbesondere die Funktionäre des sehr dubiosen Bundesverbandes Deutscher Bestatter, die von ihrer Düsseldorfer Zentrale die nationale Bestatterbranche
manipulieren, bevorzugen bereits seit Jahren die Demagogie um eine Liberalisierung des Bestattungsrechts gegen die verbreiteten Wünsche ihrer Kundschaft zu verhindern. Stets bringen sie die Liberalisierung der Feuerbestattung mit ihren verbreiteten Horror-Märchen in Verbindung. Bereits in einem Bericht der
NRZ vom 5. Sept. 2000 wird der “Bayrische Bestatterkönig” und damaliger Funktionär des Bundesver- bandes der Deutschen Bestatter, Karl Denk zitiert: "Es hat vor Erlass des Gesetzes über die Feuerbestattung (1934) sogar belegte Fälle
gegeben, in denen kleine Kinder mit Urnen Fußball spielten oder die Asche eines Verstorbenen einfach irgendwo ausgeschüttet wurde." Nur: die “belegten Fälle” wurden nie belegt. Dieser demagogischen Tradition gegen eine Liberalisierung des einst von den Nazis kreierten Friedhofszwangs sind die Vertreter des Düsseldorfer Bestatterverbandes bis heute treu geblieben.
Mit ihren gezielten Kampagnen wider die Wahrheit dokumentieren die Bestattervertreter freilich auch ihr
eigenes menschenverachtendes Menschenbild: Da werden mit intellektueller Schlichtheit immer nur Angehörige an die öffentliche Wand gemalt, die allein das pietätlose Ziel verfolgen, die Asche ihrer Verstorbenen “preiswert im Müll zu entsorgen” oder aber ihre “Urnen zum Sperrmüll an den Straßenrand zu stellen”. Dort werden sie dann - so spinnen diese Funktionäre ihre schlichte Story weiter - von Kindern
gefunden, die mit den gefüllten Aschengefäßen schließlich Fußball spielen. Selbst das allseits bekannte Lischen Müller hat offenbar ein differenzierteres Welt- und Menschenbild als diese allein von ihrem hem- mungslosen Eigennutz gesteuerten Bestatterfunktionäre.
| | | | | Funktionäre des Bundes Deutscher Bestatter (BDB), Düsseldorf: Mit Horror-Märchen Politik und Medien manipuliert.
Fotos: postmortal.de - B. Bruns |
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| Bundesbürger, denen es glaubhaft unend- lich wichtig ist, den letzten Willen ihrer geliebten Verstorbe- nen mit ihren eige- nen Bedürfnissen bei ihrer individuellen Trauerbewältigung in Übereinstimmung zu bringen, sind in den Veröffentlichungen aus dem Dunstkreis dieses dubiosen Düs- seldorfer Interessen- verbandes keine Zei- le wert...
So kommt es, dass die Sprecher des größten deutschen Bestatterverbandes sich beim Gesetzgeber de fakto für die weitere traditionelle und menschenverachtende Vergewaltigung des letzten Willens vieler Verstorbener und den Wünschen ihrer Angehörigen einsetzen. Kundenfeindlichere Vertreter eines Berufsverbandes sind schwerlich denkbar.
Dabei sind Denk und Zocher selbst Bestatter, die mit den Wünschen und Bedürfnissen ihrer Kunden bestens vertraut sind:
Denk, der einst Fanz Josef Strauß postmortal betreute, ist der größte Bestatter in Bayern und Zocher betreibt im Umfeld seiner Familie ein bekanntes Bestattungsgeschäft in Wuppertal. Damit sich sein vielfach angegriffenes Agieren im Bestatterverband - auch aus den Reihen der eigenen Mitglieder - nicht negativ auf das eigene Geschäft auswirkt, hat er die Homepage seiner Firma inzwischen
vorsorglich aus dem Netz genommen. Offenbar haben ihm manche Links seiner zahlreichen Verehrer nicht so recht gefallen. Diese Links führen mittlerweile ins Leere. Doch immer mehr Bestatter dieses
Bundesverbandes verweigern der rigiden Politik ihrer abgehobenen Verbands-Funktionäre die Gefolgschaft. Das Protestpotential der Mitglieder gegen ihre offizielle “Interessenvertretung” wächst kontinuierlich.
Während Zocher öffentlich gegen den “Leichentourismus” wettert, sind die BDB-Mitglieder nicht selten - und mit zunehmender Tendenz - gerade mit dem Leichenwagen unterwegs um den von postmortal.de propagierten Umweg über die Niederlande im Auftrag ihrer Kunden zu realisieren. “Wenn wir es nicht machen”, so ein BDB-Bestatter weise und vertraulich, “dann machen es halt Andere”. Andere, aus anderen - seriösen - Bestatterverbänden, gibt es in der Tat genug.
Auch der Generalsekretär dieses unseriösen Bestatter-Bundesverbandes, Dr. Rolf Lichter, agiert öffentlich mit der demagogischen Lüge."Das Beispiel Niederlande zeigt, dass wir gar nicht darauf vorbereitet sind: Wenn dort die Grachten gereinigt werden, findet man haufenweise Urnen", argumentiert Lichtner zum neuen NRW-Bestattungsgesetz in der NRZ online vom 28.07.2002
Ein Propagandist des erfundenen Horrors ist auch der Leiter der Kölner Kommunalfriedhöfe, Helmut Strack. Zitat aus einer Rundfunksendung des WDR: “Ich weiß, beispielsweise, dass in Holland bei der Reinigung der Grachten immer wieder Urnen gefunden werden, die dann quasi zur See bestattet wurden”. Er weiß es - und kann es bestimmt auch belegen; oder etwa nicht?
Weitere Beispiele: Pressemitteilung des CDU Landtagsabgeordneten in NRW, Hubert Schulte:
“Hervorgehoben wurden Negativ-Beispiele wie aus Amsterdam. Dort werden alljährlich beim Ausbaggern der Grachten zahlreiche Urnen gefunden”. In einer weiteren Pressemitteilung wird der Christenpolitiker noch etwas präziser: “Der CDU-Abgeordnete (Hubert Schulte)
sieht die Totenruhe sowie eine würdige Trauerarbeit gefährdet und verweist auf das Beispiel Niederlande: In den Grachten von Amsterdam werden jedes Jahr zahlreiche Urnen aufgefunden, die dort von Menschen entsorgt werden, welche in der zweiten oder dritten Generation keine emotionale Bindung mehr zu dem Verstorbenen haben”.
Die Kath. Kirche in Herford auf ihrer Seite www.kath-kirche-herford.de/sete_job/b_gesetz.htm : “Gerade die Entwicklung der privaten Urnenaufbewahrung in Holland führt zu großen Missständen. Viele Urnen werden bei der Reinigung aus Grachten geborgen, weil Verwandte
beispielsweise bei einer Haushaltsauflösung die Urnen in die Grachten entsorgen“.
Auf der Webseite der Evang. Kirche Bonn www.ekir.de/bonn/KKBonnStart_18024.htm und in der örtlichen Presse lügt Superintendent Eckart Wüster mit transparenter Motivation: “Wüster verwies auf die Situation in den Niederlanden, wo immer wieder weggeworfenen Urnen aus den Grachten gefischt würden”. Der Bonner CDU-Landtagsabgeordnete Gerhard Lorth zitiert den ev. Superintendenten auf seiner Seite
www.gerhard-lorth.de/friedh020703.htm aus der “Bonner Rundschau” vom 02.07.03
Auch ein “Pfarrer Picht” - so meldet die Neuss Grevenbroicher Zeitung - “spricht von der Würde des Menschen, fragt sich, was nach mit den Urnen geschieht - in Holland seien Urnen aus Grachten geholt worden”.
Weitere Beispiele als PDF-Dateien: Pfarrnachrichten Pastoralverbund St. Clemens und St. Nikolaus von der Flüe: “In Amsterdam hat man bereits die traurige Erfahrung gemacht, dass immer wieder Urnen regelmäßig aus den Grachten mit allerlei anderem Unrat gebaggert werden müssen.” Und: “Mögen wir auch in Zukunft voll Ehrlichkeit beten können:’Herr, schenke unseren Verstorbenen die ewige Ruhe und das ewige Licht leuchte ihnen’.” Evangelischer Arbeitskreis der CDU/CSU “Evangelische Verantwortung”: “In Amsterdam werden bei Grabungen in den Grachten jedes Mal hunderte von Urnen entdeckt. Dieser Umgang kann nicht der Würde des Verstorbenen entsprechen.”
Und so weiter und so weiter. Und wenn sie nicht gestorben sind, verbreiten sie ihre Märchen noch heute.
Und in Kürze wohl mit dem Schwerpunkt in Niedersachsen. Dort steht - auf Antrag der GRÜNEN - in diesen Tagen ebenfalls die Beschäftigung des Landtags mit der Liberalisierung des Friedhofszwangs auf der Tagesordnung.
Die von Immanuel Kant im 18. Jhd. radikal geforderte Pflicht zur Wahrhaftigkeit erscheint vielen Menschen unserer Zeit wirklichkeitsfremd und praktisch undurchführbar. Andererseits gibt es aber auch - vielleicht
angesichts der zunehmenden gesellschaftlichen Akzeptanz der Lüge - einen unterstützenswerten Ruf nach mehr Aufrichtigkeit in Politik und Gesellschaft. |