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Bestatter in Deutschland

Der Kommentar                 von Bernd Bruns

Bestattungsgewerbe:
Nur Polemik gegen den Sarg aus Pappe
Zwischen “Pietät” und pekuniären Interessen

Die tradierte Branche der deutschen Bestatter ist erkennbar in Trauer. Totunglücklich haben sie einen neuen, negativen Trend in der bundesdeutschen Bestattungskultur ausgemacht: Die Billigbeerdigung, die - aus ihrer Sicht - einen “Verfall der Pietät im Umgang mit den Verstorbenen” belegt. Selbst in den Medien beklagen die sonst nur äußerst leise und behutsam Agierenden inzwischen ihre Sorge über die zunehmende “Entsorgungsmentalität” der Bevölkerung bei der Bestattung der Toten. Lamentiert wird über den “Trend zum Pappsarg”; über die “erfolgreichen Sargdiscounter in den Großstädten” und auch über die stetig ansteigenden anonymen Bestattungen. Der Branche - könnte man glauben - geht es denkbar schlecht obwohl doch ein Naturgesetz stets totsicher und permanent für neue Kundschaft sorgt. Andere Branchen haben es weitaus schwerer, an Kunden  zu kommen. “1998”, so beklagte jüngst ein Sprecher des größten Verbandes des deutschen Bestattungsgewerbes auf der Fachmesse “Eternity 99” in Hamburg,  “wurden von rund 4.000 deutschen Bestattern etwa 860.000 Beerdi- gungen betreut”, wobei immerhin “ein Umsatz von rund drei Milliarden Mark erzielt werden konnte”. Herzliches Beileid möchte man, nicht ohne Ironie, angesichts dieser bescheidenen Zahlen den beklagenswerten Bestattern wünschen. In dieser Milliarden- summe sind freilich noch nicht enthalten, die teilweise horrenden Gebühren im Grenz- bereich der Schamlosigkeit, die von den öffentlich-rechtlichen Verwaltungen für die Nutzung ihrer Monopolfriedhöfe und für andere Dienstleistungen verlangt werden: In Düsseldorf - beispielsweise - werden fast 4.000 Mark für eine kleine Urnenwahlgrab- stätte verlangt - exklusive der Kremation und Beisetzung versteht sich.

Die finanziell bisher stets verwöhnten Bestatter werden sich wohl künftig auf weitere Einbrüche ihrer Gewinne einstellen müssen, wie andere Branchen in Deutschland auch. Das hat erkennbar zwei wesentliche Gründe: Immer mehr Deutsche müssen bei der Beerdigung eines geliebten Verstorbenen sparen (Kleinverdiener und Bezieher von Arbeitslosen- oder Sozialhilfe haben nämlich keine Wahl); und andere Bürger, obwohl nicht arm und dazu noch mit guter Allgemeinbildung, wollen - aus verschiedenen Gründen - ganz bewußt eine alternative Bestattung mit neuen kulturellen Impulsen und Ritualen: und insbesondere ohne behördliche Bevormundung. In dieser neuen Bestattungskultur hat ein kostspieliger Sarg - von Ausnahmen, wie Designersärgen,

 Peace Box auf der “eternity 2000”
                              
Foto: Bernd Bruns, postmortal.de

abgesehen - nur wenig Stellen- und beschränkten Statuswert. Bei den aufgeklärten Bürgern ist nämlich inzwischen bekannt, daß ein “Eichensarg”, wie er vom Bestattungs- gewerbe gern teuer verkauft wird, nur dünn mit diesem Holz furniert ist. Ein Vollholzsarg aus harter Eiche käme auch in Konflikte mit den Friedhofsordnungen weil er nicht innerhalb der üblichen Ruhezeit verrotten kann. Die schnellstmögliche und vollständige Verrottung des Grabinhalts aber ist das verständliche Ziel jeder Friedhofsverwaltung.

Auch die Ratio verbietet es, einen kostspieligen Sarg für die Verrottung in der Erde oder für die bloße Verbrennung im Krematorium zu kaufen. Vor der Kremierung werden ohnehin selbst die wertvollsten Sargbeschläge mit der Brechstange brutal entfernt. So entsteht unnötiger Schrott, der dazu noch teuer entsorgt werden muß. Zudem verbreitet sich immer mehr die erhellende Erkenntnis, daß der oder die geliebte Verstorbene von einem teueren Sarg nicht den geringsten Vorteil hat - weder im Diesseits noch im Jenseits: Den Toten kann man bekanntlich nichts Gutes mehr tun. Außer für sie zu beten - vielleicht. Die größte Ehre wird den Toten zuteil, die in der Erinnerung ihrer Lieben weiter leben. Nur das ist entscheidend. Einer neuen Erinnerungskultur wird die Zukunft gehören. Was am Sarg gespart wurde, kann - wer mag, und vor allem, wer darf - in ein individuelles und  unzensiertes Grabmal investieren und so die Friedhofskultur bereichern. Das macht auch Sinn.

Diesen Realitäten setzt das Bestattungsgewerbe - aus transparenten Gründen - die äußerst schlichten  wie falschen Gleichungen entgegen:
   Teure Bestattung  = pietätvolle Bestattung.
    Billige Bestattung = Beweis für entwürdigende “Entsorgungsmentalität” und 
                                       mangelnder Liebe und Wertschätzung für die Verstorbenen.
Die unbestreitbare Wahrheit ist, daß sich die “Pietät” - also die Bestattung von Menschen in Würde - keineswegs primär über den Preis definieren läßt, wie es die Branche gern glauben machen will. Vor diesem Hintergrund kann auch nicht verwun- dern, daß die deutschen Bestatter plötzlich unter einer “Papp-Allergie” leiden und nur unsachlich gegen den patenten, praktischen und preiswerten Sarg aus Pappe polemi- sieren. Da mag die stabile Kartonage für den toten Körper noch so ökologisch, vernünftig - und fast in der ganzen Welt verbreitet sein: Für deutsche Bestatter ist diese Variante zu billig. Nur weil er ihre Rendite reduziert, wollen Sie partout den Pappsarg nicht. Punktum. Der Verbraucher wird einmal mehr bei der Bestattung bevormundet und hat wenig Wahl. Denn die Bestatter bieten den Pappsarg erst gar nicht an. Auch bei der Beratung wird die Peace Box konsequent boykottiert. Tatsächlich ist es auch lukrativer, Billigstsärge aus Osteuropa zu importieren und hierzulande mit großem Gewinn an die Trauernden zu verkaufen. Nur - glaubwürdig oder gar pietätvoll ist das gerade nicht...

Probleme mit dem patenten Pappsarg - wen wundert es - gibt es in der Bundesrepublik auch mit den Friedhofsbürokraten. Sie schreiben nicht selten ausdrücklich Holzsärge für die Bestattung oder Kremation vor. Dabei sind die verschiedenen Gesetze der Bundesländer ebenso zu berücksichtigen wie die Friedhofssatzungen, die jede Gemeinde fast nach ihrem Gusto selbst gestalten kann. In Düsseldorf, beispielsweise, ist eine Erdbestattung im Pappsarg rechtlich erlaubt. Für die Verbrennung von Leichen im städtischen Krematorium hingegen, verlangt die Landeshauptstadt in der Satzung noch einen Sarg aus Holz. Aber möglicherweise nicht mehr lange. Der dies schreibt, hat soeben an die Stadt offiziell das Begehren bekundet, dereinst von ihr im ökolo- gischen Pappsarg kremiert zu werden. Bei einer Weigerung, die Satzung für das Krematorium an den Wunsch des Autors zu adaptieren, wird wohl einmal mehr das Verwaltungsgericht bemüht werden müssen. So ist das hier in Deutschland, dem isolierten Inselstaat des antiquierten Bestattungswesens - mitten in Europa und umgeben von liberalen Ländern...
 

ZUR REPORT HOMEPAGE

Montag, 13. Dez. 1999: REPORT sendete einen Bericht über

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ReportFuchsDasErste

    ·Pappsärge -
    Bestatter verweigern billige Beisetzung

  Mit Stellungnahmen der postmortal.de-Redakteure

                                      Norbert Fischer und Bernd Bruns

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Montags-Magazin
  

Montag,
27. Dez. 1999

Letzte Ruhestätte im Pappkarton
Würzburger Unternehmer bietet Faltsarg an / Bestatter halten Ökomodell für pietätlos


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