| Heutzutage - Seite 3 Manche wollen nicht beerdigt werden Wenn die Urne im Wohnzimmer aufs Regal soll Von SABINE RINGAACHEN. Das Bestattungsrecht läßt keine Freiheiten zu: Urnen und Särge dürfen nur auf dem Friedhof beigesetzt werden. Für individuelle Wünsche von Sterbenden oder Angehörigen ist
kein Spielraum. Ein junger Psychotherapeut aus Aachen wollte sich damit nicht abfinden. Er hat einen Weg gefunden, daß Mutters Urne im Garten beerdigt oder die Asche des Ehemannes über der Nordsee verstreut werden kann. Und dieser Weg führt über Guatemala. Ingo Hohn (31) betreut Aids- und Krebspatienten, die wissen, daß ihnen nicht mehr viel Zeit bleibt. Das Sterben und die Gestaltung des allerletzten Rituals sind oft
Gesprächsstoff in seiner Aachener Praxis. Todesanzeigen werden formuliert, Wünsche nach Probeliegen in einem Sarg ausgesprochen. Also geht Ingo Hohn mit seinen Klienten in ein Bestattungsinstitut die Dunkelheit der Särge ausprobieren. “Betreuende Sterbehilfe”, sagt der Psychotherapeut. Häufig wurde Ingo Hohn mit Wünschen konfrontiert, die in Deutschland nicht auf legalem Weg verwirklicht werden können: “Patienten wollten, daß
ihre Aschen an einem Ort, der für sie eine besondere Bedeutung hat, verstreut wird”, erzählt er. Oder sie wünschen einen Stammplatz für ihre Urne auf dem Kaminsims der Kinder. Mangels Machbarkeit blieb es bei Gesprächen.
Ein Abstecher nach Rom im Sommer 1997 brachte dann die zündende Idee: “Ich saß vor dem Colosseum und laß einen Artikel über Beerdigungsriten in der ganzen Welt. ” Ingo Hohn ist verblüfft, was
woanders alles geht selbst bei unseren unmittelbaren Nachbarn: “In Holland darf man die Urne im Wohnzimmer aufbewahren. Und mir war plötzlich klar, bei uns ist das auch möglich, mit einem kleinen Trick.” Er brachte seine Gedanken zu Papier und schickte sie seinem Anwalt. Der prüfte die ju- ristische Seite und gab grünes Licht für die kühne Idee. Drei Tage später besaß Ingo Hohn neben seiner Praxis auch ein Bestattungsinstitut. Wieder war er verblüfft.
Diesmal darüber, wie schnell man in Deutschland Bestatter wird: “Es hat mich nur zwei Stunden Zeit und 200 Mark Gebühren gekostet”, erzählt Ingo Hohn. Kenntnisse mußte ich nicht nach- weisen.
Der Trick funktioniert über Guatemala. Dort hat Ingo Hohn vor Jahren in einer deutschen Klinik gearbeitet. Dort hat er Kontakte. Und dort gibt es keine Totenruhe: Ich bin mir nicht mal sicher, ob
Guatemala überhaupt ein Bestattungsrecht hat”, sagt Ingo Hohn. Nach der Kremierung in Deutschland überführt er die Asche des Verstorbenen nach Guatemala, wo sie auf einem Friedhof in die Erde gegeben wird. Die Friedhofsverwaltung bestätigt die Beerdigung. Das ist der entscheidende Punkt, denn diese Bestätigung muß in Deutschland dem Krematorium ausgehändigt werden. Dann wird die Asche wieder in die Metallkapsel der Urne
gefüllt unter Beimengung von etwas Erde. Die ist nötig, damit die Fracht, die nach Deutschland zurückgeschickt werden soll, als “dem Andenken des Toten geweihte Friedhofserde” deklariert werden kann. Diese Friedhofserde muß nach hiesigem Recht nicht beerdigt werden. So kann Ingo Hohn den Trauernden die Urne legal zur freien Verfügung aushändigen. Vierzig Fälle hat Ingo Hohn seit Oktober 1997 bundesweit betreut . |