| | | | WZ Dienstag, 5. September 2000
HIER UND Heute
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| Urne darf nicht ins Wohnzimmer |
| | | Das Verwaltungsgericht hat gestern die Klage eines Düsseldorfers abgewiesen. Er möchte, dass seine Familie seine Asche aufbewahrt. Nun will er die Stadt verklagen. |
| | | Von Tanja Wolf |
| | | Vor dem Gerichtssaal kam Bernd Bruns gestern mehr zu Wort als darin: Versiert sprach er in die Fernsehkameras und Radiomikrofone, zitierte Urteile,
Experten und seine eigene Homepage: 133400 Besucher klickten schon auf “www.postmortal.de” und suchten Rat in einer ebenso sensiblen wie komplizierten Angelegenheit: Dem Gesetz über die Feuerbestattung.Bernd Bruns, 54-jähriger Handwerker aus Düsseldorf, möchte nicht auf dem Friedhof begraben werden. Seine Urne soll zu Hause im
Wohnzimmer bleiben, bei seiner Frau und seiner Tochter. Seit mehr als zwei Jahren kämpft er für eine Befreiung vom “Bestattungszwang”. Denn nach dem Landesgesetz sind Aschenreste jeder Leiche “in ein amtlich zu verschließendes Behältnis aufzunehmen und in einer Urnenhalle oder einem Grabe beizusetzen”. Bruns dagegen beruft sich auf Grundrechte: Nach Artikel 2 des Grundgesetzes (Handlungsfreiheit) habe jeder das Recht, über den Ort seiner Asche selbst zu bestimmen. Das verletze nicht die
Pietät, sondern helfe bei der Trauerbewältigung. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf jedoch wies die Klage gegen das Land NRW gestern ab. Nicht in der Sache, sondern formal: Zuständig sei nicht das Land, sondern die Stadt. Denn Ausnahmen vom “Bestattungszwang” kann nur die Ordnungsbehörde des Einäscherungsortes genehmigen. Einen solchen Antrag Brun´s hatte das Düsseldorfer Ordnungsamt bereits 1998 abgelehnt. Bruns legte Widerspruch ein, den die Bezirkregierung verwarf. “Wir würden wohl
wieder so entscheiden”, sagt der stellvertretende Ordnungsamtsleiter, Michael Zimmermann: “Das Gesetz ist zwar eine Einschränkung der persönlichen Handlungsfreiheit, aber die Totenbestattung ist eine öffentliche Aufgabe.” Menschliche Aschenreste dürfen nicht an beliebigen Orten aufbewahrt werden. Bruns will jetzt gegen die Stadt klagen. Für die Städte geht es dabei um viel Geld: So kostet in Düsseldorf eine Fünfer-Urnengrabstätte für 30 Jahre 3960 Mark. Bruns”: Das ist nahe am
Wucher.” Dem Bundesverband
des Bestattungsgewerbes sind viele Wünsche aus der Bevölkerung bekannt, die Asche der Lieben im Garten zu begraben oder im Wald zu verstreuen. Aber auch hier geht es um Geld: nicht nur der Transport von Leichen ist dem Bürger gesetzlich verboten. Auch der Transport der Asche zum Friedhof ist den Bestattern vorbehalten. |
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| | | Dienstag, 5. September 2000 |
| | | “Meine Urne passt in jeden Umzugskarton” |
| | | Bernd Bruns
möchte nicht auf einem Friedhof bestattet werden. Seine Asche soll in den Wohnzimmerschrank. Doch das ist nicht zulässig. Szenen eines Rechtsstreits. |
| | | Von Tanja Wolf |
| | | Richter Dieter Kaminski war anzumerken, dass es ihm nicht leicht fiel. “Von der Sache her habe ich Verständnis, und sie haben sich sicher mehr Gedanken darüber gemacht als jeder von uns.” Dennoch lehnte er die Klage von Bernd Bruns ab: Der selbstständige Handwerker hatte das Land NRW vor dem Verwaltungsgericht verklagt, den Bestattungszwang
auf hiesigen Friedhöfen zu ändern. Doch das Verwaltungsgericht sah sich nicht zuständig, und auch nicht das Land sei Ansprechpartner, sondern die Stadt.Dabei seien die Anträge “schon sinnvoll formuliert”, attestierte Kaminski. Und tatsächlich kennt Bruns sich aus, wie vermutlich kein Zweiter. Seit über zwei Jahren kämpft er dafür, die Urne mit seiner Asche zu Hause bei seiner Frau oder Tochter aufzubewahren lassen zu dürfen. “Wir leben in einer mobilen Gesellschaft. Wer will 500
Kilometer zum Friedhof fahren, wenn er einmal alt ist? Meine Urne passt in jeden Umzugskarton.” Tochter Brigitte Bruns gibt zu, daß sie die Idee “am Anfang etwas seltsam” fand: “Ich hatte Berührungsängste. Über den Tod der Eltern spricht man nicht. Aber jetzt finde ich es gut” sagt die | | | | | | Bernd Bruns kämpft vor Gericht um seine Asche |
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| 24-Jährige.
Bruns betreibt eine Handwerkernotrufleitstelle, macht aber auch besondere Transporte: Sein Gewerbe, Totenasche zu transportieren und auf Privatgelände beizusetzen, sowie die Asche in Reliquien einzuarbeiten, wurde untersagt, auch dagegen klagte Bruns vergeblich. “Hunderte Leute” hätten die Asche Verstorbener dennoch zu Hause, sagt Bruns, der alle Tricks kennt. Die Asche sei nur vier Wochen in einem holländischen Krematorium zu lagern, dann bekämen die Angehörigen sie ausgehändigt.
Das sei in Deutschland dann “rechtswidrig aber nicht strafbar”. Sein Motiv, sich gegen das Bestattungsrecht zu wehren, sei ein “68er Impuls”: “Das Gesetz ist von 1934 und damit aus der Nazi-Zeit. Es ist ein Fremdkörper in der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.” Nun ärgert er sich vor allem über den Zeitverlust: “Zwei Jahre sind vergangen, nur um mir mitzuteilen, dass das Land nicht zuständig ist. Ich
wollte aber gerade eine landesweite Änderung erreichen.” Jetzt will Bruns erneut bei der Stadt einen Antrag auf Ausnahmegenehmigung stellen, die ihm vermutlich verweigert wird. Dann muß er Widerspruch einlegen und kann danach gegen die Stadt klagen. Das will er durchziehen. Bisher hat ihn dies 800 Mark für Rechtsliteratur und “viel Energie” gekostet.
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