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Freitag,
19. Juni 1998 - Nr. 139

AN RHEIN UND RUHR
 

Düsseldorfer will Bestattungsgesetz umgehen
 

Die Urne bald im
 Wohnzimmer?


Von CARLHEINZ TÜLLMANN
 

DÜSSELDORF. In einer Regalwand im Wohnzimmer des Hauses Dagobertstraße 2 im Düsseldorfer Stadtteil Bilk steht eine Urne. Sie ist leer. Die diene der Öffentlichkeitsarbeit, sagt Bernd Bruns, der das bronzene Gefäß gern zum Fotografieren präsentiert. Sie gilt auch als Anschauungsobjekt für ein Anliegen, das Bruns seit Monaten mit vollem Einsatz betreibt: Der 52jährige Elektrotechniker, Inhaber einer Handwerker-Notrufleitstelle, will mittels Justiz erreichen, daß die Asche von Toten nicht mehr nur auf Friedhöfen, sondern auch in Privaträumen, im Blumenbeet oder unter einem Rasen aufbewahrt werden kann. Sein persönliches Argument: ”Ich sehe nicht ein, daß der Staat meine Asche reglementiert.”

Bisher tut er das mit aus einem Bundesgesetz abgeleiteten Länderbestimmungen und kommunalen Verordnungen. Paragraph 9, Absatz 1 des Feuerbestattungsgesetzes schreibt vor, daß die Aschenreste jeder Leiche in ein amtlich zu verschließendes Behältnis aufgenommen, in einer Urnenhalle, einem Urnenhain, einer Urnengrabstelle oder in einem Grab beizusetzen sind. Das geschehe für Gebühren, berichtet Bruns, die bei spielsweise in Düsseldorf für eine Urne höher seien (3900 Mark) als für einen Sarg (3200 Mark).

Klage gegen das Land

Mit einer 25 Seiten umfassenden, am 16. März eingereichten Klageschrift gegen das Land Nordrhein Westfalen will Bernd Bruns ”die Bestattungskultur für das 21. Jahrhundert ebnen”. Das Beispiel Niederlande kommt darin hilfsweise vor. ”Dort können sich die Angehörigen die Urne zu Hause aufs Büffet stellen”, schildert der Klever Bestattungsunternehmer Edgar Hendricks seine Erfahrung. Er fährt schon seit zehn Jah ren nicht mehr die Krematorien in Krefeld, Mönchengladbach oder Duisburg an, sondern wechselt zur Einäscherung, weil sie kostengünstiger und zeitsparender ist über die Grenze nach Nimwegen. Allerdings: Auch er händigt die Asche nicht den deutschen Hinterbliebenen aus, sondern stellt sie einem Friedhofsamt zu.

Nur dieses Verfahren sei rechtens, erklärt der Wuppertaler Wolfgang Zocher, Präsident des Bundes- verbandes des Deutschen Bestattungsgewerbes. Bestrebungen eines Hamburger Juristen, der das Recht auf eine R
uhe stätte hinter seinem Haus einforderte, seien schon vor 20 Jahren vom Bundesver- fassungsgericht abschlägig beschieden worden. Daher gelte hierzu lande weiterhin, daß eine Urne von den kommunalen Krematorien nur abgegeben werde, wenn eine Bescheinigung von der Friedhofsverwaltung darüber vorliege, daß ein Grab bereitstehe.

Diese Praxis will Bernd Bruns untergraben. Er habe eine Lücke im Landesgesetz entdeckt, sagt er, die es sehr wohl ermögliche, die Überreste von im Ausland eingeäscherten Leichen in NRW am Friedhofszwang vorbei aufzubewahren. Die Düsseldorfer Stadtverwaltung hätte ihm bestätigt, seine Lösung umgehe selbst den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit. Fakt ist: Als Bruns in dieser Sache auch einen kommerziellen Vorstoß unternahm, ein Gewerbe für ”Transport von Totenaschen sowie Ausstreuen der Aschen oder die Beisetzung von Urnen auf Privatgrundstücken” anmeldete, bekam er problemlos dieGenehmigung.

Bedarf vorhanden

An Kunden für das Geschäft könnte kein Mangel sein. Immer öfter äußerten Angehörige den Wunsch, Urnen privat aufzustellen oder in ihrer persönlichen Umgebung zu beerdigen, weil sie die Pflege in kirchlichen/kommunalen Anlagen nicht zahlen oder die Nähe mit den Verstorbenen spüren möchten, heißt es in der Bestattungsbranche. Dort ist der Winkelzug eines ”Kollegen” bekannt: Der läßt Gefäße mit Asche nach Kolumbien fliegen, sie mit einigen Bodenkrumen mischen und dann als ”Heimaterde” wieder einführen.

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